Dieser Vorfall beunruhigte alle, denn der Erzähler galt für einen beherzten Matrosen. Nun erschien das Gespenst bald diesem, bald jenem; heute stöhnte es, morgen klirrte es mit scharfen Messern, bald erschien es in weißer, bald in schwarzer Tracht. Keiner wagte es anzureden oder gar anzuhalten, denn an einem Geiste wollte sich niemand vergreifen, da man von dem Wahn befangen war, daß schon der Blick eines Gespenstes tödlich wirkte. Zuletzt gestand auch der Steuermann, daß ihm das Gespenst erschienen sei, so daß an dessen Dasein nicht zu zweifeln war. Die Sache wurde mit jedem Tage bedenklicher; denn wo die Matrosen standen und saßen, erzählten sie sich Geistergeschichten, von denen eine phantastischer war als die andre.
Vergeblich suchte ich die Matrosen zu überzeugen, daß es keine Gespenster gäbe; man entgegnete mir stets, daß sich niemand das abstreiten lasse, was er mit eignen Augen gesehen habe. Schließlich erschien auch mir selbst das Gespenst.
Eines Nachts öffnete sich leise die Thür, ein grauer Schatten schwebte herein und durch das Zimmer, um auf der andern Seite schnell wieder zu verschwinden. Nun hatte ich also das Gespenst selbst gesehen und konnte dessen Dasein nicht mehr bestreiten. Ich wollte und mußte der Sache auf die Spur kommen, versah mich also für den nächsten Abend mit einer Pistole und einem Dolchmesser, um zu versuchen, ob das Gespenst auch unverwundbar sei. Mit Unruhe erwartete ich die Mitternacht; das aufgehende Mondviertel warf einen blassen Schein durch das Kajüttenfenster auf einige Stellen der Kajütte, deren Thür ich geöffnet hatte. Siehe, da hob sich draußen die Falltreppe, ein grauer Schatten stieg empor, trat in die Kajütte und schritt gerade auf mein Bett zu. Da wurde mir doch etwas bange zu Mute, es flimmerte mir vor den Augen, ich vergaß Pistole und Dolch, fühlte den Hauch des Gespenstes, welches sich über mich beugte, und die Sinne begannen mir zu schwinden. In diesem Augenblicke ergriff mich ein verzweifelter Mut: ich faßte nach der Kehle des Gespenstes, und siehe da, ich hatte etwas Festes in der Hand, und zwar einen Geist, der Fleisch und Knochen hatte. Das Gespenst wollte sich losreißen. Ich aber sprang aus dem Bett, ergriff die Pistole und befahl dem erschreckten Gespenst, sich nicht von der Stelle zu rühren. Dann rief ich die Wache herbei, welche nicht wenig erstaunt war, als sie den Geist vor mir knieen sah und um sein Leben bitten hörte. Sogleich wurde ein Verhör angestellt, und es ergab sich, daß das Gespenst ein verurteilter Verbrecher war, welcher sich bei Nacht in das Schiff geflüchtet hatte, um der Verfolgung und Strafe zu entgehen. Am Tage hielt er sich zwischen Kisten und Balken des untersten Schiffsraumes verborgen, des Nachts aber suchte er die notwendigen Nahrungsmittel zusammenzubringen. Um auf seinen Rundgängen nicht angehalten zu werden, spielte er die Rolle des Gespenstes. Solchergestalt hoffte er den nächsten Hafen zu erreichen und dann zu entschlüpfen. Wir mußten allesamt herzlich lachen, als sich die furchtbaren Gespenstergeschichten in Diebstähle von Brotrinden und Fleischresten verwandelten. Obschon der Kerl den Tod verdient hatte, so versprach ich doch, seiner zu schonen, schon weil das Gespenst aus Not nun selbst die Matrosen von dem Wahne des Gespensterglaubens geheilt hatte.
Mittlerweile hatten wir uns der Küste von Kochinchina genähert und warfen dort gegenüber der Mündung des Flusses die Anker aus, zumal unser Schiff, das etwas leck geworden war, einer Ausbesserung bedurfte. Wir fanden das Land von rohen Menschen bewohnt, die Raub und Diebstahl ganz handwerksmäßig betrieben und es ganz ungescheut versuchten, unser Schiff zu bestehlen. Doch wir hielten stand, und nach einem sehr heftigen Handgemenge zogen die Kochinchinesen ab, wonach wir durch weitere Besuche von ihnen nicht mehr belästigt wurden.
Nachdem das Schiff wieder segelfertig gemacht war, nahmen wir unsern Kurs gegen Nordost, dann direkt nach Nord, vorüber an einer schönen Insel (Formosa?), in der Absicht, über Kanton nach Nanking zu segeln. Hier kamen wir nach zwei Wochen glücklich an und besahen uns diesen wichtigen Hafenplatz nach allen Richtungen. Dann unternahmen wir, allerdings mehr aus Neugierde, als um Geschäfte zu machen, kleinere wie größere Reisen ins Innere des Landes.