Da Wind und Strömung die Eismassen nach Norden trieben, so suchte er auf diese Seite zu gelangen und wählte sich eine große Scholle dauerhaften Eises zum Fahrzeuge. In der Mitte und hinter Eishügeln grub er sich eine Vertiefung, die sein Lager bilden sollte. Alles Weitere überließ er dem Schicksale. Er trieb ein, zwei, drei Tage, ohne etwas andres als Schollen zu sehen. Hunger und Durst peinigten ihn, und er suchte Eis zu verschlucken, um den Durst zu löschen; schließlich aber kam er auf den praktischen Gedanken, geschmolzenes Schnee- und Eiswasser in kleinen Gruben zu sammeln und diese als Zisternen zu benutzen. Die Nachtkälte fiel ihm zwar sehr lästig, aber er suchte sie durch Auf- und Abgehen zu überwinden. Da erhielt er auch Gesellschaft. Eine Robbenfamilie, bestehend aus drei Mitgliedern, legte sich zum Schlaf nieder und blieb, da sie wohl noch nie einen Menschen gesehen hatte, arglos in seiner Nähe. Er konnte sie mit dem Beile erschlagen. Die Häute kamen ihm sehr zu statten. Das Fleisch mußte er freilich roh essen, doch klopfte er es zuvor mit dem Beilstiele mürbe und war am Ende froh, überhaupt Nahrung zu erhalten. Sogar der Thran mundete ihm. Die Scholle wurde inzwischen bedenklich kleiner, je weiter sie nach Norden vorrückte, blieb aber doch noch groß genug, ihn zu tragen. Nach mehreren Tagen näherte sie sich einer Inselklippe, wo sie strandete und ihren Bewohner ans Land warf, den etliche Tage darauf ein Schoner gewahrte und mit nach Kanton nahm.
Nun komme ich wieder auf meine eigene Fahrt zurück. Wir arbeiteten uns im Zickzack glücklich durch die Kanäle des Eisgürtels hindurch und erreichten das offene Meer. Der starke Wind trieb uns nach Norden bis an die Küste von Madagaskar.
Obschon wir zuerst uns ganz freundlich von den Madegassen begrüßt sahen, so gerieten doch unsre Leute beim Austausch von Messern und andern Kleinigkeiten gegen frisches Fleisch bald in Händel mit ihnen, wobei einer der Matrosen das Leben einbüßte. Um diesen zu rächen, drangen unsre Leute in einige umliegende Dörfer, verbrannten sie und erschlugen mehrere Eingeborene. – Da eilte ich den Unbesonnenen nach, um zu retten, was noch gerettet werden konnte; ich beschützte Männer und Frauen, welchen fortan niemand mehr ein Leid anthun durfte.
Aus jenen Tagen blieb mir namentlich eine Szene unvergeßlich. Die Matrosen hatten in der Morgenfrühe ein Dorf angezündet, über dessen Rohrdächer das Feuer prasselnd dahinzüngelte, so daß die Einwohner gezwungen waren, ihre Verstecke zu verlassen. Hierbei liefen viele den Angreifern geradezu in die Hände, und es begann ein entsetzliches Niedermetzeln.
Als ich in der Dämmerung die roten Feuersäulen am tiefdunklen Himmel aufsteigen sah, ergriff mich eine beängstigende Vorahnung dessen, was vorgefallen sein möchte. Von einigen bewaffneten Matrosen begleitet, eilte ich in einem Boote ans Ufer und dem Dorfe zu, woher der Lärm erscholl. Je näher wir kamen, um so deutlicher hörten wir das Jammern und Heulen der Unglücklichen. Kaum hat jemals ein Gefecht so erschütternden Eindruck auf mich gemacht als diese Blutthat. Gierig wüteten die Flammen, aber noch grimmiger hausten, wie Würgengel, die mörderischen Matrosen. Dieser Anblick verwirrte meine Sinne: ich stand da, regungslos, starr vor Entsetzen. Da flohen drei Weiber unter lautem Wehgeschrei eilends an uns vorüber, hinterdrein 12 bis 15 Madegassen, verfolgt von unsern Leuten, die dareinfeuerten, so daß einer der Flüchtlinge tot niederstürzte und mehrere verwundet hinsanken. Die Fliehenden glaubten in uns neue Verfolger zu finden und stießen ein herzzerreißendes Geschrei der Verzweiflung aus. Es kostete mir viel Mühe, ihnen durch Zeichen anzudeuten, daß wir ihnen kein Leid zufügen, sondern sie schützen wollten. Zögernd näherten sie sich uns, warfen sich vor mir nieder, hingen sich an meine Arme und baten mit Blicken um Rettung. Ich nahm mich ihrer an, wies mit ernsten Worten ihre Verfolger zurück, welche nicht begreifen konnten, wie ich dazu käme, sie an dem Rachewerke zu hindern, zumal sie meinten, Heiden zu töten sei kein Verbrechen. Murrend umstanden mich die Matrosen, aber zuletzt gehorchten sie doch. Die Flüchtlinge waren gerettet; die Blicke des Dankes, mit denen sie mich ansahen, werden mir ewig unvergeßlich bleiben.