Ich beratschlagte mit Wilm, was zu thun sei. Da erinnerte ich mich, in einem alten Schiffsbuche gelesen zu haben, wie man sich in solchen Fällen zu helfen pflege. Weil das alte Eis mürbe, das junge zusammengekittete aber noch schwach ist, so kann man sich einen Durchgang brechen, indem man mit dem Vorderbug des Schiffes gegen das Eis anläuft, oder indem man mit Säge und Beil einen Kanal durch das Eis schlägt.
Wir beschlossen letzteres Mittel anzuwenden und sandten daher einen Teil der Leute aufs Eis, um das junge Eis zu zertrümmern und die Eisschollen verschiebbar zu machen. Die andern mußten das Schiff etwas zurückleiten, dann es gegen das Eis anrennen lassen, um den Verband des Eises zu lockern und die entstandenen Sprünge zu erweitern. Die Arbeit war sehr mühselig, aber erfolgreich; gegen Mittag hatten wir unser Fahrzeug fast um eine ganze Schiffslänge in den Eisgürtel eingezwängt, der nach allen Seiten hin Risse und Sprünge zeigte, wodurch die Arbeit immer leichter vor sich ging. Wir bekamen allesamt frischen Mut und arbeiteten um so eifriger. Da sprang der Wind plötzlich um und wehte sehr heftig von Süden her, daß die Wellen an den Eisgürtel brandend anschlugen, dieser zugleich zu krachen und zu bersten anfing, Spalten hin und her aufklafften und Eisinseln entstanden. Daher wurden die Arbeiter noch rechtzeitig aufs Schiff zurückgerufen, welches gerade eine Rückwärtsbewegung machte, um zu einem neuen Anlauf auszuholen. Mit Mühe gelang es, die Matrosen mittels zugeworfener Taue aufs Schiff zurückzuschaffen; denn bereits erweiterten sich die Spalten und es rannten die Eisschollen so heftig aneinander, daß sich das Boot mit den Leuten nicht dazwischen wagen durfte.
Wir zählten unsre Leute, und siehe, es fehlte Andreas noch. Wir riefen nach ihm und feuerten eine Kanone ab, endlich kam auch er hinter einer Scholle hervor, wo er gearbeitet hatte. Mittlerweile aber war zu unserm Schrecken unser Schiff immer weiter ins offene Becken zurückgewichen, und so hatte es sich mehr und mehr von unserm armen Gefährten entfernt. Da stand denn dieser händeringend auf schwankender Eisscholle, mir noch nahe genug, um sein Wehgeschrei zu hören! Doch war ich nicht im stande, ihn zu retten! Jammernd reckte er die Arme empor, rannte vor- und rückwärts, stürzte nieder und sprang wieder auf, aber immer weiter trieben uns die Wasserkanäle auseinander – ach, wir konnten ihm nicht helfen, denn längst schon konnte ihn das geworfene Tau nicht mehr erreichen. Das Herz wollte mir zerspringen, als ich den Untergang eines braven Kameraden vor mir sah, ohne zu seiner Rettung etwas Weiteres unternehmen zu können; aber mir stand die Gefährdung des Lebens aller vor Augen – dies entschied. Wir segelten in die breiten Kanäle des zerborstenen Eisgürtels hinein, winkten dem Unglücklichen lebewohl und ließen ihn auf einer treibenden Scholle im Sturm und bei hohem Wellengange zurück.
Diese aufregende Szene gehört mit zu dem Entsetzlichsten, was ich jemals erlebt habe. Indes darf sich der Leser mit mir darüber freuen, daß der brave Andreas doch noch auf wunderbare Weise gerettet wurde. Ich fand ihn wohlbehalten in Kanton wieder, wo er mit einem holländischen Schiffe angekommen war; hier erzählte er mir alsdann seine unerwartete Rettung.
Als er uns davonfahren sah, ergriff ihn Verzweiflung. Er warf sich nieder auf das Eis und schrie aus tiefstem Herzensgrunde. Endlich raffte er sich auf, um sich ins Meer zu stürzen, da er der Meinung war, ein schneller Tod sei dem langsameren Untergange vorzuziehen. Sowie er aber an den Eisrand trat, erwachte die Hoffnung von neuem. Zum Sterben ist noch immer Zeit, sagte er sich und sann auf Mittel zur Rettung.