»Ich hoffe, lieber Neffe, daß Ihnen nichts mangeln wird in Ihrem Zimmer«, sagte Madame Grandet. »Sollten Sie aber irgend etwas vermissen, so rufen Sie Nanon.«
»O liebe Tante, das dürfte überflüssig sein; ich glaube, ich habe alles, was ich brauche, mitgebracht. Gestatten Sie mir, Ihnen sowie meiner lieben Cousine eine gute Nacht zu wünschen.«
Und Charles empfing aus den Händen Nanons eine Wachskerze; eine Kerze, die im Laden gealtert und gelb und runzlig geworden war, so daß sie ganz einem Talglicht glich. Dies hatte den Vorzug, daß Grandet, der das Vorhandensein einer Wachskerze im Hause nicht argwöhnte, diese Pracht gar nicht bemerkte.
»Ich werde Sie führen«, sagte der Biedermann.
Anstatt durch die große Saaltür in den Hausflur hinauszutreten, schritt Grandet durch den kleinen Gang, der den Saal mit der Küche verband. Eine selbstschließende Tür mit einer grünen ovalen Glasscheibe schloß diesen Gang nach der Treppe hin ab und diente dazu, den Wohnräumen die kalte Außenluft fernzuhalten. Im Winter aber half sie nichts gegen die eisige Zugluft, und obgleich die Saaltüren mit Filz ausgefüttert waren, so herrschte in dem weiten Raum nur selten eine behagliche Wärme.
Nanon verriegelte das Haustor, schloß die Saaltüren und begab sich in den Stall, um den Wolfshund von der Kette zu lassen, der so heiser bellte, als habe er eine Kehlkopfentzündung. Das überaus wilde Tier hatte sich nur an Nanon angeschlossen. Die beiden Kinder der freien Natur verstanden einander.
Als Charles die altersgelben verrußten Mauern des Treppenhauses gewahrte und die morsche Treppe mit dem wurmstichigen Geländer, die unter den gewichtigen Schritten des onkels erbebte, fühlte er sich sehr ernüchtert. War er hier nicht in einem Hühnerstall? Er blickte Tante und Cousine fragend an, aber sie waren an diese Treppe so gewöhnt, daß sie sein Erstaunen nicht bemerkten; sie erwiderten seinen Blick mit einem freundlichen Lächeln, das ihn ganz entmutigte.
Was zum Teufel soll ich eigentlich hier? Was hat sich mein Vater nur gedacht?« fragte er sich.