»Ich nehme Ihre Gabe ohne Zögern an«, erwiderte sie mit einem vielsagenden Blick.
»Liebe Tante, hier ist der Fingerhut meiner Mutter; ich habe ihn stets sorgfältig in meinem Reisenecessaire verwahrt«, sagte Charles, Madame Grandet einen hübschen goldenen Fingerhut anbietend. Sie hatte sich einen solchen schon seit zehn Jahren gewünscht.
»Es gibt keine Worte, Ihnen Dank zu sagen, lieber Neffe«, sagte die alte Mutter, deren Augen sich mit Tränen füllten. »Morgens und abends will ich Sie in mein Gebet einschließen, will für Sie das Gebet für die Reisenden sagen. Wenn ich sterbe, wird Eugénie Ihnen dies Kleinod aufbewahren.«
»Der Wert des Ganzen beträgt neunhundertneunundachtzig Francs fünfundsiebzig Centimes, lieber Neffe«, sagte Grandet wiedereintretend. »Um Ihnen aber die Mühe des Verkaufs zu ersparen, werde ich Ihnen diese Summe in Livres aufzählen.«
Die Bezeichnung ›in Livres‹ bedeutet im Sprachgebrauch des Loiregebiets, daß die Sechslivresstücke als sechs Francs angenommen werden müssen – ohne Abzug.
»Ich wagte nicht, Ihnen das vorzuschlagen«, erwiderte Charles; »aber es widerstrebte mir, meine Schmucksachen in der Stadt zu verhandeln, in der Sie wohnen. Man muß seine schmutzige Wäsche im Hause waschen, sagte Napoleon. Ich danke Ihnen also für Ihre Freundlichkeit.«
Grandet kratzte sich hinterm Ohr, und einen Augenblick herrschte Schweigen.
»Mein lieber Onkel«, begann Charles von neuem und blickte etwas besorgt, als fürchte er, ihn zu verletzten, »meine Tante und meine Cousine haben gern ein kleines Andenken von mir angenommen; wollen Sie Ihrerseits ein Paar Manschettenknöpfe, die mir überflüssig geworden sind, entgegennehmen? Sie werden Sie manchmal an einen armen Jungen erinnern, der, fern von Ihnen, oft an die denken wird, die nunmehr seine einzigen Verwandten sind.«