Bei diesen Worten gab der Sultan ein Zeichen, und alsbald ertönte die Luft vom Schall der Hoboen und Pauken; zugleich[75] führte der Sultan Alaeddin in einen prachtvollen Saal, wo ein herrliches Festmahl aufgetragen wurde. Der Sultan speiste ganz allein mit Alaeddin. Der Großvezier und die vornehmen Herren vom Hofe standen ihnen, jeder nach seinem Rang und Würde, während der Mahlzeit zur Seite. Der Sultan, der die Augen fortwährend auf Alaeddin geheftet hatte, lenkte das Gespräch auf verschiedene Gegenstände. Während der ganzen Unterhaltung aber, die sie über Tisch miteinander führten, und auf welchen Gegenstand auch das Gespräch fallen mochte, sprach Alaeddin mit so viel Kenntnis und Verstand, daß er den Sultan vollends ganz in der guten Meinung bestärkte, die er gleich anfangs von ihm gefaßt hatte.
Nach dem Mahle ließ der Sultan den obersten Richter seiner Hauptstadt rufen und befahl ihm, sogleich den Ehevertrag zwischen der Prinzessin Bedrulbudur, seiner Tochter, und Alaeddin zu entwerfen und aufzusetzen.
Als der Richter den Vertrag mit allen erforderlichen Förmlichkeiten vollendet hatte, fragte der Sultan Alaeddin, ob er im Palaste bleiben und die Hochzeit noch heute feiern wolle. »Herr,« antwortete Alaeddin, »so brennend auch mein Verlangen ist, deine Gnade und Huld in ihrem ganzen Umfange zu genießen, so bitte ich doch, daß du mir so lange noch Frist gestattest, bis ich einen Palast habe erbauen lassen, um die Prinzessin ihrem Range und ihrer Würde gemäß zu empfangen. Ich erbitte mir hiezu einen angemessenen Platz vor dem deinigen aus, damit ich recht nahe bin, um dir meine Aufwartung machen zu können. Ich werde nichts unterlassen und dafür sorgen, daß er in möglichst kurzer Zeit vollendet wird.« – »Mein Sohn,« sagte der Sultan, »wähle dir jede Stelle aus, die du für passend hältst; vor meinem Palaste ist leerer Raum genug, und ich selbst habe schon daran gedacht, ihn auszufüllen; aber bedenke, daß ich je eher je lieber dich mit meiner Tochter vermählt zu sehen wünsche, um das Maß meiner Freude voll zu machen.« Bei diesen Worten umarmte er Alaeddin abermals, und dieser verabschiedete sich vom Sultan mit so feinem Anstand, wie wenn er von jeher am Hofe gewesen und dort erzogen worden wäre.
Alaeddin stieg nun wieder zu Pferde und kehrte in demselben Zuge, wie er gekommen war, nach Hause zurück. Kaum war er[76] abgestiegen, so nahm er die Lampe und rief den Geist, wie gewöhnlich. »Geist,« sprach Alaeddin zu ihm, »ich habe alle Ursache, deine Pünktlichkeit zu rühmen; du hast bisher alle Befehle, die ich dir kraft dieser Lampe, deiner Herrin, gegeben habe, pünktlich erfüllt. Heute aber handelt es sich darum, daß du aus Liebe zu ihr womöglich noch mehr Eifer und Gehorsam an den Tag legen sollst, als bisher. Ich verlange nämlich, daß du mir in möglichst kurzer Zeit gegenüber vom Palaste des Sultans einen Palast erbauen lässest, der würdig ist, die Prinzessin Bedrulbudur, meine Gemahlin, aufzunehmen. Die Wahl der Materialien, nämlich Porphyr oder Jaspis, Achat oder Lasurstein, oder auch den feinsten buntgestreiften Marmor, sowie die übrige Einrichtung des Baues überlasse ich ganz dir; doch erwarte ich, daß du mir oben hinauf einen großen Saal mit einer Kuppel und vier gleichen Seiten bauest, dessen Wände aus wechselnden Schichten von echtem Gold und Silber aufgeführt sein müssen, mit vierundzwanzig Fenstern, sechs auf jeder Seite, deren Vergitterung mit Ausnahme eines einzigen, welches unvollendet bleiben soll, kunstreich und ebenmäßig mit Diamanten, Rubinen und Smaragden geschmückt sein muß, so daß dergleichen noch nie auf der Welt gesehen worden ist. Ferner will ich, daß sich bei dem Palaste ein Vorhof, ein Hof und ein Garten befinde; vor allen Dingen aber muß an einem Ort, den du mir bezeichnen wirst, ein Schatz von gemünztem Gold und Silber, und außerdem mehrere Küchen, Speisekammern, Magazine und Gerätekammern voll der kostbarsten Geräte für jede Jahreszeit und der Pracht des Palastes angemessen, vorhanden sein; dann noch Ställe voll der schönsten Pferde und der gehörigen Anzahl Stallmeister und Stallknechte. Auch einen Jagdzug darfst du nicht vergessen, und es versteht sich von selbst, daß du auch noch für hinlängliche Dienerschaft für die Küche und den übrigen Haushalt, sowie für die gehörige Anzahl Sklavinnen zur Bedienung der Prinzessin, zu sorgen hast. Du wirst jetzt begreifen, was mein Wunsch ist; geh und komm wieder, wenn du alles fertig gemacht hast.«
Die Sonne ging eben unter, als Alaeddin dem Geiste wegen Erbauung des Palastes, den er sich ausgesonnen, seine Aufträge gab. Am andern Morgen stand Alaeddin, den die Liebe[77] zur Prinzessin nicht schlafen ließ, in aller Frühe auf, und sogleich erschien auch der Geist. »Herr,« sprach er zu ihm, »dein Palast ist fertig; komm und sieh, ob du damit zufrieden bist.« Alaeddin fand alles so weit über seine Erwartung, daß er sich nicht genug wundern konnte. Der Geist führte ihn herum, und überall fand er Reichtum, Schönheit und Pracht, dazu Diener und Sklaven, alle dem Range und Dienste gemäß gekleidet, für den sie bestimmt waren. Auch unterließ er nicht, ihm als Hauptsache die Schatzkammer zu zeigen, deren Türe vom Schatzmeister geöffnet wurde, und Alaeddin erblickte hier ganze Haufen von Goldsäcken der verschiedensten Größe, je nach den Summen, die sie enthielten, bis an das Gewölbe aufgetürmt, und alles in so schöner Ordnung, daß ihm das Herz vor Freude lachte. Beim Hinausgehen versicherte ihm der Geist, daß er sich auf die Treue des Schatzmeisters vollkommen verlassen dürfe. Hierauf führte er ihn in die Ställe und zeigte ihm die schönsten Pferde von der Welt, und die Stallknechte, die eifrig beschäftigt waren, sie zu pflegen und zu warten. Endlich ging er mit ihm durch die Vorratskammern, worin alle Arten von Vorräten, hauptsächlich an Nahrungsmitteln für die Pferde und Pferdeschmuck, aufgehäuft lagen.
Nachdem Alaeddin den ganzen Palast von oben bis unten, von Zimmer zu Zimmer, von Gemach zu Gemach, besonders auch den Saal mit den vierundzwanzig Fenstern gemustert und darin mehr Pracht und Herrlichkeit, als er je gehofft, sowie alle nur erdenklichen Bequemlichkeiten angetroffen hatte, sagte er zu dem Geiste: »Geist, es kann niemand zufriedener sein, als ich es bin, und es wäre sehr unrecht von mir, wenn ich mich im mindesten beklagen wollte. Bloß etwas fehlt noch, wovon ich dir nichts gesagt habe, weil ich nicht daran dachte. Ich wünschte nämlich von dem Palasttore des Sultans an bis zum Eingang der Zimmer, die in diesem Palaste für die Prinzessin bestimmt sind, einen Teppich von schönstem Samt ausgebreitet zu haben, damit sie auf demselben gehe, wenn sie aus dem Palaste des Sultans kommt.« – »Ich komme im Augenblick wieder,« sprach der Geist und verschwand. Eine kleine Weile nachher sah Alaeddin mit großem Erstaunen seinen Wunsch erfüllt, ohne daß er wußte, wie es zugegangen war. Der Geist erschien dann wieder[78] und trug Alaeddin in seine Wohnung zurück, während eben die Palastpforte des Sultans geöffnet wurde.
Die Pförtner des Palastes, die das Tor öffneten und nach der Seite hin, wo jetzt Alaeddins Prachtgebäude stand, immer eine freie Aussicht gehabt hatten, waren sehr überrascht, als sie diese Aussicht verbaut und von dorther bis zur Palastpforte des Sultans einen Samtteppich ausgebreitet sahen. Ihr Erstaunen wuchs, als sie ganz deutlich den herrlichen Palast Alaeddins sahen. Die Nachricht von diesem merkwürdigen Wunder verbreitete sich wie ein Lauffeuer im ganzen Palast. Der Großvezier, der sich gleich nach Öffnung der Pforte im Palaste einfand, war ebenso überrascht, wie alle andern, und teilte die Sache sogleich dem Sultan mit, erklärte sie aber für ein Werk der Zauberei. »Vezier,« antwortete der Sultan, »warum soll es denn ein Werk der Zauberei sein? Du weißt so gut wie ich, daß es der Palast ist, den Alaeddin vermöge der Erlaubnis, die ich ihm in deiner Gegenwart gab, als Wohnung für die Prinzessin, meine Tochter, hat erbauen lassen. Nach den Proben, die er uns von seinem Reichtum gegeben, ist es durchaus nicht so befremdlich, daß er diesen Palast in so kurzer Zeit vollendet hat. Er hat uns damit überraschen und zeigen wollen, daß man mit barem Gelde über Nacht Wunder tun kann. Gestehe nur, daß bei dir etwas Eifersucht mit unterläuft, wenn du von Zaubereien sprichst.« Indes wurde es Zeit, in die Ratsversammlung zu gehen, und sie brachen das Gespräch ab.
Als Alaeddin in seine Wohnung zurückgebracht worden war und den Geist entlassen hatte, fand er seine Mutter bereits auf den Beinen und mit dem Anziehen eines der Kleider beschäftigt, die er ihr hatte bringen lassen. Er veranlaßte sie nun, um die Zeit, wo der Sultan gewöhnlich aus der Ratsversammlung kam, in Begleitung der Sklavinnen, die der Geist ihr gebracht hatte, nach dem Palaste zu gehen. Wenn sie den Sultan sähe, sollte sie ihm sagen, sie komme, um die Ehre zu haben, die Prinzessin auf den Abend nach ihrem Palaste zu begleiten. Alaeddin stieg nun zu Pferde, verließ sein Vaterhaus, um nie wieder zurückzukehren, vergaß aber die Wunderlampe nicht, die ihm so herrliche Dienste geleistet hatte, und zog dann nach seinem Palast mit demselben Pomp, mit dem er sich tags zuvor dem Sultan vorgestellt hatte.