Sobald die Pförtner des königlichen Palastes Alaeddins Mutter bemerkten, meldeten sie es dem Sultan. Sogleich wurde den Chören der Trompeter, der Pauken- und Trommelschläger, der Querpfeifer und Hoboisten, die bereits auf den Terrassen des Palastes an verschiedenen Punkten aufgestellt waren, ein Zeichen gegeben, und im Augenblick ertönte fröhliche Musik, die der ganzen Stadt Freude verkündete. Die Kaufleute fingen an, ihre Läden mit schönen Teppichen, Polstern und Laubwerk zu schmücken, und trafen Anstalten zur Beleuchtung der Stadt. Die Handwerksleute verließen ihre Arbeit und scharenweise zog das Volk nach dem großen Platz zwischen des Sultans und Alaeddins Palästen. Letzterer zog hauptsächlich allgemeine Bewunderung auf sich, zumal da der Palast des Sultans mit dem neuen durchaus nicht in Vergleich zu setzen war. Am meisten aber staunten sie, weil sie nicht begreifen konnten, durch welches unerhörte Wunder sie einen so prachtvollen Palast an einem Orte erblickten, wo sie tags zuvor weder den Grund legen, noch Baumaterialien gesehen hatten. Alaeddins Mutter wurde im Palaste ehrenvoll empfangen und vom Obersten der Verschnittenen in die Zimmer der Prinzessin Bedrulbudur geführt. Sobald die Prinzessin sie erblickte, ging sie auf sie zu, umarmte sie, hieß sie auf ihrem Sofa Platz nehmen, und während ihre Frauen sie vollends ankleideten und mit den kostbarsten Juwelen von Alaeddins Geschenk schmückten, ließ sie ihr einen köstlichen Imbiß vorsetzen. Der Sultan, welcher dazu kam, um noch so lange als möglich mit der Prinzessin, seiner Tochter, zusammen sein zu können, bevor sie sich von ihm trennte und den Palast Alaeddins bezöge, erwies ihr ebenfalls große Ehre. Alaeddins Mutter hatte mit ihm schon mehrere Male vor dem versammelten Rate gesprochen, aber er hatte sie noch nie wie jetzt ohne Schleier gesehen. Obwohl sie schon eine erkleckliche Anzahl Jahre auf dem Rücken hatte, so sah man doch noch aus ihren Gesichtszügen, daß sie in ihrer Jugend sehr schön gewesen sein mußte. Der Sultan, der sie immer sehr einfach, ja sogar armselig gekleidet gesehen hatte, war nun voll Verwunderung, als er sie ebenso reich und prachtvoll angezogen sah, wie die Prinzessin, seine Tochter. Er schloß daraus, daß Alaeddin in allen Dingen gleich erfahren, verständig und einsichtsvoll sein müsse.
[84]Als die Nacht anbrach, verabschiedete sich die Prinzessin vom Sultan, ihrem Vater. Dieser Abschied war höchst zärtlich und tränenreich; sie umarmten sich mehrmals, ohne ein Wort zu sprechen, aber endlich ging die Prinzessin aus ihrem Zimmer und trat den Zug an; zu ihrer linken ging Alaeddins Mutter und hinter ihnen hundert Sklavinnen in der prachtvollsten Kleidung. Sämtliche Musikchöre, die seit der Ankunft von Alaeddins Mutter ununterbrochen gespielt hatten, vereinigten sich jetzt und gingen dem Zuge voran; ihnen folgten hundert Trabanten und ebensoviele schwarze Verschnittene in zwei Reihen, mit ihren Befehlshabern an der Spitze. Vierhundert junge Edelknaben des Sultans, die in zwei Zügen mit Fackeln in der Hand auf beiden Seiten einhergingen, verbreiteten einen Lichtglanz, der im Verein mit der Beleuchtung der beiden Paläste des Sultans und Alaeddins den Mangel des Tageslichts aufs herrlichste ersetzte.
In dieser Ordnung zog die Prinzessin den Teppich entlang vom Palaste des Sultans bis zum Palaste Alaeddins, und je mehr sie vorwärts kamen, desto mehr mischte und vereinigte sich das Spiel ihrer Musikchors mit dem, das sich von den Terrassen an Alaeddins Palast herab hören ließ, und bildete mit diesem ein Konzert, das, so seltsam und verwirrt es auch schien, gleichwohl die allgemeine Freude vermehrte.
Endlich langte die Prinzessin bei dem neuen Palaste an, und Alaeddin eilte mit einer Freude, die sich leicht denken läßt, an den Eingang der für sie bestimmten Zimmer, um sie daselbst zu empfangen. Alaeddins Mutter hatte der Prinzessin bereits ihren Sohn, der von glänzender Dienerschaft umgeben war, bezeichnet, und die Prinzessin fand ihn so schön, daß sie ganz bezaubert wurde. »Teuerste Prinzessin,« sagte Alaeddin zu ihr, indem er auf sie zuging und sie voll Ehrerbietung begrüßte, »sollte ich das Unglück haben, dir durch meine Verwegenheit, womit ich nach dem Besitz einer so liebenswürdigen Prinzessin, der Tochter meines Sultans, trachtete, zu mißfallen, so mußt du die Schuld deinen schönen Augen und der Macht deiner Reize zuschreiben, nicht aber mir.« – »Prinz,« antwortete ihm die Prinzessin, »– denn als solcher erscheinst du mir – ich gehorche dem Willen des Sultans, meines Vaters, und kann,[85] nachdem ich dich gesehen, wohl sagen, daß ich ihm ohne Sträuben und gerne gehorche.« Alaeddin war hocherfreut über diese angenehme und verbindliche Antwort, nahm ihre Hand, küßte sie mit vieler Zärtlichkeit und führte sie in einen großen, von Wachskerzen erleuchteten Saal, wo auf Veranstaltung des Geistes ein herrliches Mahl aufgetragen war. Die Schüsseln waren von gediegenem Gold und mit den köstlichsten Speisen angefüllt. Die Vasen, die Becken und die Becher, womit der Tafelaufsatz reichlich besetzt war, waren ebenfalls von Gold und von auserlesener Arbeit. Auch die übrigen Verzierungen und der ganze Ausschmuck des Saals entsprachen dieser hohen Pracht. Die Prinzessin war ganz bezaubert, so viele Reichtümer beisammen zu sehen, und sprach zu Alaeddin: »Prinz, ich hatte bisher geglaubt, daß es nichts Schöneres auf der Welt geben könne, als den Palast des Sultans, meines Vaters; aber schon dieser Saal allein überzeugt mich, daß ich mich getäuscht habe.«
Die Prinzessin Bedrulbudur, Alaeddin und seine Mutter setzten sich jetzt zu Tische und sogleich begann eine sehr liebliche und harmonische Musik nebst einem reizenden Gesang von schönen Mädchen. Die Prinzessin war wie bezaubert und versicherte, im Palaste des Sultans, ihres Vaters, nie etwas Ähnliches gehört zu haben. Aber sie wußte nicht, daß diese Sängerinnen Feen waren, die der Geist, der Sklave der Lampe, hiezu ausgewählt hatte.
Es war nahe an Mitternacht, als Alaeddin, der damals in China bestehenden Sitte zufolge aufstand und der Prinzessin Bedrulbudur die Hand bot, um mit ihr zu tanzen und damit die Hochzeitsfeierlichkeit zu schließen. Als dies vorüber war, hielt Alaeddin der Prinzessin Hand, und sie gingen miteinander in das Zimmer, wo das hochzeitliche Lager für sie bereitet war. Die Frauen der Prinzessin kleideten sie aus und brachten sie zu Bette, Alaeddins Diener taten dasselbe und dann entfernten sich alle. So endigten die Lustbarkeiten zur Feier der Hochzeit Alaeddins und der Prinzessin Bedrulbudur.
Am andern Morgen, als Alaeddin erwachte, kamen seine Kammerdiener, um ihn anzukleiden. Sie zogen ihm ein anderes, aber nicht minder reiches und prachtvolles Kleid an, als am Hochzeitstage. Hierauf ließ er sich eines seiner Leibpferde vorführen,[86] bestieg es und begab sich mit einem zahlreichen Gefolge von Sklaven, die vor und hinter ihm und zu beiden Seiten gingen, nach dem Palaste des Sultans. Der Sultan empfing ihn mit denselben Ehrenbezeugungen wie das erstemal; er umarmte ihn, ließ ihn neben sich auf seinen Thron sitzen und befahl, das Frühmahl aufzutragen. »Herr,« sagte Alaeddin zu ihm, »ich bitte dich, mir heute diese Ehre zu erlassen. Ich komme, um dich zu ersuchen, daß du mir die Ehre erzeigen mögest, mit deinem Großvezier und den Vornehmen deines Hofes im Palaste der Prinzessin ein Mittagsmahl einzunehmen.« Der Sultan bewilligte dies sehr gern. Er stand sogleich auf, und da der Weg nicht weit war, so wollte er zu Fuße dahin gehen. Er brach also auf und zu seiner Rechten ging Alaeddin, zur linken der Großvezier und die Vornehmen des Hofes, voraus die Trabanten und die Angesehensten seines Hauses.
Je näher der Sultan dem Palaste Alaeddins kam, um so mehr verwunderte er sich über seine Schönheit. Noch weit höher stieg seine Verwunderung, als er eingetreten war. Als ihn aber Alaeddin in den Saal mit den vierundzwanzig Fenstern führte, und er die Verzierungen desselben, besonders aber die mit den größten und ausgezeichnetsten Diamanten, Rubinen und Smaragden geschmückten Gitterfenster betrachtete, wurde er davon so überrascht, daß er eine Weile regungslos stand.
Der Sultan besah und bewunderte nun die Schönheit der vierundzwanzig Gitterfenster. Doch indem er sie zählte, fand er, daß bloß dreiundzwanzig so reich geschmückt waren, und wunderte sich sehr, daß man das vierundzwanzigste unvollendet gelassen hatte. »Mein Sohn,« sprach der Sultan zu Alaeddin, »dies ist der bewunderungswürdigste Saal, der in der ganzen Welt zu sehen ist. Nur über etwas muß ich mich wundern, daß nämlich das Gitterfenster hier unvollendet geblieben ist. Ist dies aus Vergeßlichkeit geschehen, oder aus Nachlässigkeit, oder haben vielleicht die Handwerksleute nicht Zeit genug gehabt, an dieses schöne Denkmal der Baukunst die letzte Hand anzulegen?« – »Herr,« antwortete Alaeddin, »das Gitterfenster ist mit Absicht so unvollendet geblieben, wie du siehst. Ich wünschte nämlich, daß du selbst den Ruhm haben solltest, den Saal und Palast vollenden zu lassen, und nun ersuche ich dich, meine gute Absicht[87] gnädig aufzunehmen, damit ich mich deiner Gunst und Gnade rühmen kann.« – »Wenn du es in dieser Absicht getan hast,« antwortete der Sultan, »so weiß ich dir vielen Dank dafür und werde augenblicklich die nötigen Befehle geben.« Wirklich ließ er sogleich die am besten mit Edelsteinen versehenen Juweliere und die geschicktesten Goldschmiede seiner Hauptstadt rufen.
Der Sultan verließ indes den Saal, und Alaeddin führte ihn in den, wo er die Prinzessin Bedrulbudur am Hochzeitstage bewirtet hatte. Die Prinzessin empfing den Sultan, ihren Vater, mit einer Miene, woraus deutlich zu erkennen war, daß sie mit ihrer Ehe sehr wohl zufrieden sein mußte. Zwei Tafeln standen da, mit den köstlichsten Speisen besetzt, und das Tafelgeschirr war alles von Gold. Der Sultan setzte sich an die erste und speiste mit der Prinzessin, seiner Tochter, mit Alaeddin und dem Großvezier. Die übrigen Großen des Hofes wurden an der zweiten bewirtet, die sehr lang war.
Als der Sultan vom Tisch aufgestanden war, meldete man ihm, die Juweliere und Goldschmiede, die er hatte rufen lassen, seien jetzt da. Er ging mit ihnen in den Saal mit den vierundzwanzig Fenstern und zeigte ihnen das Fenster, das noch unvollendet war. »Ich habe euch kommen lassen,« sagte er zu ihnen, »damit ihr mir dieses Fenster ausbauet und es ebenso schön macht wie die andern.«
Die Juweliere und Goldschmiede sahen sich die dreiundzwanzig Fenster sehr genau an, und nachdem sie sich miteinander beraten hatten und darüber eins geworden waren, welche Arbeit jeder einzelne zu liefern hätte, traten sie wieder vor den Sultan und der Hofjuwelier nahm das Wort und sagte: »Herr, wir sind bereit, alle Mühe und Fleiß anzuwenden, um dir zu gehorchen; aber, aufrichtig gestanden, so viel wir unser hier sind, so haben wir doch alle miteinander weder so kostbare, noch so viele Edelsteine, als zu einer so bedeutenden Arbeit erforderlich sind.« – »Ich besitze welche,« sagte der Sultan, »und zwar weit mehr, als ihr brauchen werdet; kommt in meinen Palast, so will ich sie euch zeigen, damit ihr wählet.«
Als der Sultan in seinen Palast zurückgekehrt war, ließ er alle seine Edelsteine bringen, und die Goldschmiede nahmen sehr viele davon, besonders von denen, die Alaeddin ihm geschenkt[88] hatte. Sie brachten sie an dem Fenster an, ohne daß man den Fortschritt ihrer Arbeit sonderlich gemerkt hätte, und kamen zu wiederholten Malen, um neue zu holen; aber in einem Monat hatten sie noch nicht die Hälfte des Werkes vollendet. Endlich verwendeten sie alle Edelsteine des Sultans, der noch vom Großvezier dazu entlehnte, brachten aber höchstens die Hälfte des Fensters zustande.
Alaeddin, der wohl sah, daß der Sultan sich vergebens bemühte, dieses Fenster den übrigen gleich machen zu lassen, und daß er nicht viel Ehre dabei aufhob, ließ die Goldschmiede kommen und sagte ihnen, sie sollen nicht nur ihre Arbeit einstellen, sondern auch das, was sie bisher zuwege gebracht, wieder auseinandernehmen und dem Sultan und Großvezier ihre Edelsteine zurückgeben.
So wurde denn das Werk, wozu die Juweliere und Goldschmiede mehr als sechs Wochen verwendet hatten, binnen wenigen Stunden zerstört. Sie entfernten sich dann und Alaeddin blieb allein im Saale zurück. Er zog die Lampe heraus, die er bei sich hatte, rieb sie und sogleich erschien der Geist. »Geist,« sprach Alaeddin zu ihm, »ich hatte dir befohlen, eines der vierundzwanzig Gitterfenster des Saales unvollendet zu lassen, und du hast diesen Befehl befolgt: jetzt habe ich dich kommen lassen, daß du es den übrigen gleich machen sollst.« Der Geist verschwand und Alaeddin ging aus dem Saale. Als er eine Weile darauf wieder hinaufkam, fand er das Gitterfenster in dem gewünschten Zustand und ganz wie die übrigen.
Inzwischen kamen die Juweliere und Goldschmiede in den Palast, wurden in das Audienzzimmer geführt und dem Sultan vorgestellt. Der erste Juwelier überreichte ihm die Edelsteine, die sie zurückbrachten, und sagte im Namen aller zu ihm: »Beherrscher des Erdkreises, du weißt, wie lange wir schon mit dem angestrengtesten Fleiße arbeiten, um das Werk zu vollenden, das du uns aufgetragen hast. Es war schon sehr weit gediehen, als Alaeddin uns nötigte, nicht nur die Arbeit einzustellen, sondern auch alles, was wir zuwege gebracht hatten, zu zerstören und dir deine und des Großveziers Edelsteine zurückzubringen.« Der Sultan gab sogleich Befehl, ihm ein Pferd vorzuführen; er bestieg es und ritt zum Palaste Alaeddins.
[89]Der Sultan sagte zu Alaeddin: »Mein Sohn, ich komme selbst, um dich zu fragen, warum du denn einen so prächtigen und einzigen Saal, wie der in deinem Palaste ist, unvollendet lassen willst?«
Alaeddin verhehlte den wahren Grund, daß nämlich der Sultan nicht reich genug an Edelsteinen wäre, um einen so großen Aufwand zu bestreiten, und antwortete ihm: »Herr, es ist wahr, du hast den Saal unvollendet gesehen, aber ich bitte dich, sieh jetzt einmal, ob noch etwas daran fehlt.«
Nachdem der Sultan sich überzeugt, daß das Gitterfenster, woran seine Goldschmiede so lange gearbeitet hatten, in so kurzer Zeit vollendet worden war, umarmte er Alaeddin und küßte ihn zwischen die Augen und auf die Stirne. »Mein Sohn,« sagte er hierauf voll Verwunderung zu ihm, »was für ein Mann bist du, daß du so erstaunliche Werke zuwege bringst, ehe man eine Hand umkehrt? Du hast auf der ganzen Welt nicht deinesgleichen, und je mehr ich dich kennen lerne, um so bewunderungswürdiger finde ich dich.«
Alaeddin nahm die Lobsprüche des Sultans mit vieler Bescheidenheit auf und antwortete ihm folgendermaßen: »Herr, es ist ein großer Ruhm für mich, das Wohlwollen und den Beifall meines Königs zu verdienen; auch versichere ich dir, daß ich stets alles aufbieten werde, um mich desselben immer mehr und mehr würdig zu machen.«