In Deutschland fehlen internationale Klassen und qualifizierte Lehrer für ausländische Schüler. Sie müssen oft im normalen Unterricht sitzen, obwohl sie nichts verstehen. Ein Lehrer in Halle hat eine Notlösung gefunden.
Die 15-jährige Rama Hamida ist mit ihrer Familie vor dem Bürgerkrieg in Syriengeflohen. Nun lebt sie in Halle, in Sachsen-Anhalt. Weil sie noch nicht so gut Deutsch spricht, sollte sie eigentlich eine internationale Klasse besuchen, in der alle Schüler Deutsch lernen. Doch nicht nur in Halle gibt es davon viel zu wenige. Denn den Bundesländern fehlt das Geld. Wer keinen Platz in einer solchen Klasse bekommt, muss trotz geringer Deutschkenntnisse den normalen Unterricht besuchen.
Auch an der Sekundarschule Kastanienallee in Halle gibt es keine internationale Klasse. Uwe Böge ist hier Lehrer. Aufgrund der großen Probleme seiner ausländischen Schüler im Unterricht, richtete er 2013 für sie eine Extraklasse ein – ohne Unterstützung des Landes Sachsen-Anhalt. Hier lernen neben Rama 17 weitere Kinder und Jugendliche. Bei der Betreuung der Klasse stieß Böge aber schnell an seine Grenzen. Deshalb bat er die Universität in Halle um Hilfe.
Seitdem unterstützen Praktikanten von der Uni den Unterricht der Klasse. Sie studieren Arabisch oder Deutsch als Fremdsprache. Böge findet, dass dies eine positive Notlösung für die Kinder ist, die in den Klassen sonst nichts verstehen würden. Auch die Studenten profitieren davon. Eine von ihnen ist Sarah Müller. Sie sagt: „Es war eine tolle Erfahrung, die Kinder zu unterrichten und viel besser als Arabisch nur stur an der Uni zu lernen.“
Björn Bentlage von der Uni Halle betreut die Studenten und ist von ihrem Engagement begeistert. Er meint aber, dass sie qualifizierte Lehrkräfte nicht dauerhaft ersetzenkönnen und sollten. Im Schuljahr 2014/15 finanziert das Landesschulamt Sachsen-Anhalt nun 20 Unterrichtsstunden speziell für die syrischen Schüler. Aber, so Uwe Böge, für diesen Unterricht fehlen der Schule die qualifizierten Lehrer.Glossar
ausländisch – aus einem anderen Land
internationale Klasse, -n (f.) – eine Klasse, in der ausländische Kinder in Deutschland zunächst vor allem Deutsch lernen, bevor sie den normalen Unterricht besuchen
qualifiziert – gut ausgebildet
Notlösung, -en (f.) – nur eine Lösung für kurze Zeit; nur eine Zwischenlösung
Bürgerkrieg, -e (m.) - ein Krieg zwischen verschiedenen Gruppen in einem Land
vor etwas fliehen – hier: aus Angst vor etwas seine Heimat verlassen
Sekundarschule, -n (f.) – eine Schule, die man nach von der 5. bis zur 9. oder 10. Klasse besuchen kann
etwas ein|richten – hier: etwas neu schaffen; etwas ins Leben rufen; etwas gründen
an seine Grenzen stoßen – umgangssprachlich für: bei etwas nicht mehr weiterkommen und Hilfe brauchen
Praktikant, -en/Praktikantin, -nen – jemand, der ein Praktikum macht; jemand der für wenig oder kein Geld arbeitet, um berufliche Erfahrungen zu sammeln (z. B. während des Studiums)
Deutsch als Fremdsprache (n.) – ein Studienfach, bei dem man dazu ausgebildet wird, Menschen, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, in Deutsch zu unterrichten
von etwas profitieren – von etwas einen Gewinn haben; von etwas einen Nutzen haben
stur – hier: theoretisch
Engagement (n., nur Singular) – die Tatsache, dass man sich freiwillig für etwas einsetzt (Verb: sich für etwas engagieren)
von etwas begeistert sein – etwas toll finden
Lehrkraft, -kräfte (f.) – der Lehrer/die Lehrerin
dauerhaft – für lange Zeit
jemanden ersetzen – statt einer anderen Person da sein und ihre Arbeit machen
etwas finanzieren – hier: Geld für etwas zur Verfügung stellen