Marcel Reich-Ranicki war berühmt für seine leidenschaftliche Literaturkritik. Seine Memoiren, in denen er seine Verfolgung durch die Nazis beschrieb, waren ein Bestseller. Am 18.09.2013 ist Reich-Ranicki gestorben.
Marcel Reich-Ranicki wurde 1920 in Polen geboren. Mit seinen Eltern zog er im Alter von neun Jahren nach Berlin. Schon als Schüler entdeckte er seine Liebe für die Literatur. Nach dem Abitur hätte er gerne deutsche Literatur studiert, doch 1938 wiesen ihn die Nazis wegen seiner jüdischen Abstammung aus. Ab 1940 lebte er im Warschauer Ghetto. Dort lernte er seine Frau Teofila kennen. Ihre Ehe hielt ein Leben lang.
Im Februar 1943 gelang ihnen die Flucht aus dem Ghetto. Beide überlebten den Holocaust im Untergrund. Über seine Rettung sagte Reich-Ranicki einmal: „Ich habe Menschen kennengelernt, die sich mir gegenüber wunderbar verhalten haben. Schließlich hat ein polnisches Ehepaar mich und meine Frau gerettet.“ Reich-Ranickis Eltern und sein Bruder wurden von den Nazis ermordet.
Nach dem Krieg wurde er zuerst in Polen ein bekannter Literaturkritiker. 1958 zog er nach Deutschland und erlangte bald internationales Ansehen. Seine Lieblingsschriftsteller waren die großen Klassiker: Goethe, Heine, Kleist, Fontane und Thomas Mann. Für seine scharfe Kritik der zeitgenössischen Literatur wurde er geliebt und gehasst. Sehr erfolgreich war er mit der Fernsehsendung „Das Literarische Quartett“: In der Talkshow wurde lebhaft und spannend über Bücher diskutiert.
Den größten Erfolg erlebte er jedoch nicht als Kritiker, sondern als Autor: 1999 veröffentlichte er seine Memoiren unter dem Titel „Mein Leben“. „Ich habe ein Buch geschrieben über mein Leben. Ganz einfach, was ich erlebt habe“, sagte er. Das Buch, in dem er seine Verfolgung durch die Nazis beschrieb, war monatelang ein Bestseller und wurde sogar verfilmt. Reich-Ranicki starb am 18. September 2013 in Frankfurt am Main im Alter von 93 Jahren.
Glossar
jemanden ausweisen – jemandem befehlen, das Land zu verlassen
Nazi, -s (m.) – Abkürzung für: der Nationalsozialist; Person, die politische Ziele der Nationalsozialisten in Deutschland unterstützte
jüdisch – zu einer bestimmten Religionsgruppe (Juden) gehörend
Abstammung, -en (f.) – die familiäre Herkunft
Warschauer Ghetto (n., nur Singular) – ein 1940 von den Nationalsozialisten errichtetes, abgeschlossenes Stadtviertel in Warschau, in dem polnische und deutsche Juden abgetrennt von der übrigen Bevölkerung leben mussten
ein Leben lang – so lange, wie jemand lebt
Holocaust (m., nur Singular) – der Mord an den europäischen Juden durch die Nationalsozialisten
Untergrund (m., nur Singular) – hier: die Umgebung, in der Menschen leben, wenn sie sich vor der Regierung (die sie verfolgt) verstecken und gegen diese arbeiten
etwas erlangen – etwas bekommen
Klassiker, - (m.) – hier: etwas, das auch nach langer Zeit noch sehr bekannt und beliebt ist (z. B. ein Buch oder ein Film)
scharf – hier: sehr stark; intensiv
zeitgenössisch – aus der Gegenwart; von heute
Talkshow, -s (f., aus dem Englischen) – eine Sendung im Fernsehen oder im Radio, in der über bestimmte Themen diskutiert wird
lebhaft – interessant; lebendig; energisch
Memoiren (f., nur Plural) – ein Buch, in dem jemand über sein Leben berichtet (meist, wenn er alt ist)
Verfolgung, -en (f.) – hier: eine Handlung, mit der man jemanden aus einer Gesellschaft ausschließt und ihm Gewalt androht
Bestseller, - (m., aus dem Englischen) – ein Buch, das sehr oft verkauft wird
etwas verfilmen – einen Film über etwas machen