Tagebücher, Briefe, Lebenserinnerungen – mehr als 7000 Dokumente lagern im Deutschen Tagebucharchiv in Emmendingen. Sie erzählen Geschichten aus verschiedenen Zeiten und ganz unterschiedlichen Perspektiven.
"Der erste Kuss ist die Krone aller Küsse … Gestern hatte Kurt Geburtstag … Es war sehr schön! Morgen treffen wir uns wieder. Ich kann es kaum noch erwarten …" Diese Sätze stehen im Tagebuch einer Fünfzehnjährigen, geschrieben 1963. Solche und ähnliche Zeilen füllen das Deutsche Tagebucharchiv im süddeutschen Emmendingen.
Frauke von Troschke ist die Gründerin des Deutschen Tagebucharchivs. Die Idee dazu hatte sie auf einer Reise nach Italien Mitte der 90er Jahre. Dort veranstaltete das italienische Tagebucharchiv, das Archivo Diaristico Nazionale, regelmäßig Lesungen aus Tagebüchern ganz normaler Menschen. Zurück in Deutschland gründete von Troschke einen Verein, fand Sponsoren und geeignete Räume. So feierte 1998 das Deutsche Tagebucharchiv seine Eröffnung. "Jeder hat das Recht, gehört zu werden!" heißt es bis heute in dem Motto.
Das Archiv ist zu einer wichtigen Quelle für Recherchen geworden – sowohl für die Forschung als auch für Privatpersonen. Außerdem gibt es enge Kontakte zu Schulen. Sie nutzen die Tagebuchtexte für den Geschichtsunterricht. Denn das Archiv enthält eine große Anzahl verschiedener Dokumente, häufig auch aus Krisenzeiten. Da schreiben Menschen zum Beispiel über den Krieg, das Leben im Gefängnis oder im Exil.
Viele Tagebücher kommen durch Haushaltsauflösungen, Umzüge oder Erbschaften nach Emmendingen. Manchmal sind es ganze Pakete voller Bücher, Hefte oder Kalender. Damit diese Schätze möglichst lange halten, darf in den Originalen nur selten gelesen werden. 90 ehrenamtliche Mitarbeiter schreiben jedes einzelne Tagebuch ab und katalogisieren es. So gibt es von jedem Tagebuch eine Kopie.
Glossar
Tagebuch, das – ein Buch, in das Menschen ihre Gedanken und Erlebnisse schreiben
Archiv, das – ein Ort, an dem Texte, Filme o. Ä. gesammelt werden
Dokument, das – hier: ein Text, der Informationen über die Vergangenheit enthält
Perspektive, die – hier: die Art, wie eine Person etwas sieht oder erlebt
Krone, die – das, was ein König auf dem Kopf trägt; hier: der/die/das Beste
etwas kaum noch erwarten können – sich so sehr auf ein Ereignis freuen, dass man nicht länger warten möchte
etwas füllt etwas – etwas sorgt dafür, dass etwas voller wird
Sponsor, der – ein Mensch oder eine Firma, der/die Geld für ein Projekt ausgibt
geeignet – passend
Motto, das – hier: ein kurzer Satz, der den wichtigsten Gedanken einer Gruppe darstellt
Recherche, die – die Suche nach Informationen
Exil, das – das Land, in dem man lebt, weil man seine Heimat aus politischen Gründen verlassen musste
Haushaltsauflösung, die – das Verteilen der Gegenstände eines Haushalts, nachdem
z. B. die letzte Person dieses Haushalts gestorben ist
Erbschaft, die – der Besitz, den man erbt
Schatz, der – hier: etwas, das einen großen Wert hat
halten – hier: nicht kaputt gehen
ehrenamtlich – so, dass jemand für eine Arbeit oder Tätigkeit kein Geld bekommt
abschreiben – einen Text noch einmal schreiben
etwas katalogisieren – etwas mit System ordnen