Der lange Kampf um Gleichberechtigung
Am 12. November 1918 erhielten Frauen in Deutschland das Recht, zu wählen und gewählt zu werden. Heute sind Frauen in der Politik ganz selbstverständlich – außer auf der kommunalen Ebene.
Ende des 19. Jahrhunderts begannen in Deutschland Frauen aus allen Teilen der Bevölkerung für politische Gleichberechtigung zu kämpfen. Am 12. November 1918 stand schließlich fest, dass alle mindestens 20 Jahre alten männlichen und weiblichen Personen das gleiche Wahlrecht erhalten.
Bei den Wahlen zur Nationalversammlung, am 19. Januar 1919, durften Frauen zum ersten Mal an die Urnen. "Die Frauen waren begeistert", sagt die Sozial- und Geschichtswissenschaftlerin Gisela Notz, "die Wahlbeteiligung war mit 82,3 Prozent sehr hoch." Auch weibliche Parlamentsabgeordnete konnten gewählt werden. Knapp neun Prozent der Sitze in der Nationalversammlung gingen an Frauen.
Die deutsche Frauenbewegung war in der Frage des Wahlrechts allerdings nicht immer einer Meinung. Vor allem kirchliche Frauenvereine waren am Anfang gegen das Frauenwahlrecht. "Sie fanden, dass die Frau für die Familie sorgen soll und dass das Wählen sie davon ablenkt", erklärt Gisela Notz.
Heute sind im deutschen Bundestag rund 34 Prozent der Mitglieder weiblich; in den Landesparlamenten erreicht der Frauenanteil 30 Prozent. Auf kommunaler Ebene sind allerdings nur sehr wenige Frauen zu finden. "Es gibt immer noch Städte und Gemeinden, in deren Parlament keine einzige weibliche Abgeordnete sitzt", kritisiert Uta Kletzing von der Europäischen Akademie für Frauen in Wirtschaft und Politik. "Während viele Männer die Aufmerksamkeit genießen, ist es für Frauen oft ein Hindernis oder zumindest eine unangenehme Nebenerscheinung der politischen Arbeit. Es ist immer noch nicht selbstverständlich für eine Frau, zu einer öffentlichen Person zu werden", so Kletzing.
Glossar
kommunal – bezogen auf eine Stadt oder Gemeinde
Ebene, die – hier: eine von mehreren Stufen innerhalb einer Ordnung
feststehen; etwas steht fest – etwas ist entschieden; etwas ist sicher
Nationalversammlung, die – hier: das erste Parlament der Weimarer Republik
Urne, die – hier: der Kasten, in dem die Stimmzettel der Wähler/innen gesammelt werden
begeistert sein – sich sehr freuen
sozial- – bezogen auf die Gesellschaft
Wahlbeteiligung, die – der → Anteil aller Wahlberechtigten, die zu einer Wahl gehen
Abgeordnete/r, die/der – das gewählte Mitglied eines Parlaments
etwas geht an jemanden – jemand bekommt etwas
Bewegung, die – hier: eine Gruppe von Menschen, die für ein gemeinsames Ziel kämpft
kirchlich – zur christlichen Kirche gehörend
jemanden von etwas ablenken – dafür sorgen, dass jemand sich nicht mehr auf etwas konzentriert
Bundestag, der – das deutsche Parlament
rund – hier: etwa; ungefähr
Anteil, der – ein bestimmter Teil von etwas
Akademie, die – eine Organisation, die wissenschaftlich arbeitet oder Menschen ausbildet
jemand genießt etwas – jemand fühlt sich mit etwas sehr wohl
Hindernis, das – etwas, das jemandem im Weg steht
Nebenerscheinung, die – die Konsequenz von etwas; etwas, das eine Sache begleitet