Noch immer ist Antisemitismus in Deutschland und anderen europäischen Ländern weit verbreitet. Untersuchungen zeigen, dass auch ganz normale Bürger Vorurteile haben.
Es gibt sie immer noch, die Vorurteile über reiche Juden oder eine jüdische Weltverschwörung. "Der Antisemitismus verbindet Menschen", sagt der Sozialpsychologe Andreas Zick, "Untersuchungen der Universität Bielefeld zeigen, dass es Zusammenhänge gibt zwischen Nationalstolz und Antisemitismus". Daher ist Antisemitismus ein Problem, das die ganze Gesellschaft betrifft – häufig verbunden mit Vorurteilen gegen andere Minderheiten.
Die Umfragen zeigen: Nur vier Prozent der Befragten denken nicht in antisemitischen Klischees. Mehr als zehn Prozent glauben immer noch, dass Juden zu viel Einfluss haben. Und fast sieben Prozent sind der Meinung, dass die Juden durch ihr eigenes Verhalten mitschuldig an ihrer Verfolgung während der NS-Zeit waren. Mehr als die Hälfte sagen, dass sie es leid sind, immer wieder von deutschen Verbrechen an den Juden zu hören. Seit einiger Zeit stellen die Wissenschaftler außerdem fest, dass mehr und mehr Befragte den Staat Israel ablehnen. Ein beliebtes Argument: Israel verhält sich heute gegenüber den Palästinensern genauso, wie sich die Nationalsozialisten gegenüber den Juden verhalten haben.
Dieses Jahr sollen in acht europäischen Ländern Menschen zum Thema befragt werden. Denn antisemitische Vorurteile gibt es nicht nur in Deutschland. "Wir haben viele rechtspopulistische Bewegungen in Europa. Der Antisemitismus ist ein wesentlicher Teil dieser Bewegungen", stellt Andreas Zick fest. "Wir brauchen eine gemeinsame europäische Strategie – aber nicht nur gegen den Antisemitismus, sondern gegen alle Vorurteile. Ich glaube, damit haben wir in Europa erst angefangen."
Glossar
Antisemitismus, der – feindliches Denken und Handeln gegenüber Juden
etwas ist verbreitet – etwas kommt häufig vor
Weltverschwörung, die – hier: der angebliche geheime Plan von Juden auf der ganzen Welt, anderen Menschen zu schaden
Sozialpsychologe/-psychologin, der/die – jemand, der das Verhalten einer Gesellschaft wissenschaftlich untersucht
Zusammenhang, der – wenn etwas zu etwas anderem gehört; wenn etwas mit etwas anderem verbunden ist
jemanden/etwas betreffen – mit jemandem/etwas zu tun haben; jemanden/etwas angehen
Minderheit, die – hier: eine kleine Gruppe von Menschen in einem Staat, die sich von den anderen zum Beispiel in ihrer Religion unterscheidet
in Klischees denken – Vorurteile haben
mitschuldig – hier: auch schuld an etwas; mitverantwortlich für etwas
Verfolgung, die – hier: wenn man bestimmte Gruppen von Menschen aus einer Gesellschaft ausschließt und leiden lässt
NS-Zeit, die – die Zeit des Nationalsozialismus (1933 – 45); die Diktatur Hitlers
etwas leid sein – keine Lust mehr auf etwas haben
rechtspopulistisch – seine politisch rechten Ziele so darstellen, wie man glaubt, dass es den Menschen gefällt
Bewegung, die – hier: eine Gruppe von Menschen, die für ein gemeinsames Ziel kämpft
Strategie, die – der Plan, wie man ein bestimmtes Ziel erreichen will