Maden und Ratten, Kot und Urin – das alles finden wir abstoßend. Ekel kennen alle Menschen. Doch es gibt kulturelle Unterschiede, vor allem beim Essen. Was in manchen Kulturen als Delikatesse gilt, ist in anderen tabu.
Überall auf der Welt sind sich die Menschen einig: Leichen, Körperprodukte wie Kot oder Urin, vergammelte Lebensmittel und bestimmte Tiere wie Kakerlaken sind abstoßend. Und das zeigen wir überall mit dem gleichen Gesichtsausdruck: Die Nase wird gerümpft und die Oberlippe hochgezogen, während die Mundwinkel nach unten gehen.
Ekel ist nicht nur unangenehm. Er hat auch eine wichtige Aufgabe: Er soll uns vor unsichtbaren Gefahren wie Giften und Krankheitserregern schützen. Der Kasseler Psychologieprofessor Harald Euler erklärt: „Ekel ist intuitive Mikrobiologie, die uns von der Natur mitgegeben ist. Ekel verhindert, dass gefährliche Dinge aufgenommen werden.“
Aber warum finden wir Tiere wie zum Beispiel Maden eklig, die in anderen Kulturen eine Delikatesse sind? Euler sagt: „Die kulturspeziellen Nahrungstabus werden durch Vorbild und Nachahmung vermittelt.“ Es muss nur jemand am Tisch die Nase rümpfen und wir wissen: Das sollten wir lieber nicht essen! Gemeinsamer Ekel stärkt nach Euler die Gruppe und hilft ihr, sich gegen andere abzugrenzen.
Was eklig ist, müssen wir also erst lernen. Kinder unter zwei Jahren finden zunächst einmal gar nichts eklig und stecken alles in den Mund. Erst später verinnerlichen sie die beiden Gesetze des Ekels, die für Erwachsene normal sind. Diese lauten: Alles, was mit etwas Ekligem in Kontakt kommt, wird auch eklig. Und alles, was einem ekelhaften Objekt ähnlich sieht, ist auch eklig. Kaum jemand würde daher ein Glas Milch trinken, das mit einer Klobürste umgerührt wurde, oder Suppe aus einem – auch noch so neuen – Nachttopf essen.
Glossar
ekelhaft – so unangenehm, dass man eine körperliche Reaktion fühlen kann (auch: eklig, Substantiv: der Ekel)
Made, -n (f.) – eine ganz junge Entwicklungsstufe eines Insekts (z. B. einer Fliege)
Kot (m.) – der feste Teil der Nahrung, den der Körper wieder abgibt
Delikatesse, -n (f.) – ein besonders gutes und teures Gericht
tabu – nicht erlaubt
Leiche, -n (f.) – ein toter Mensch
abstoßend – → ekelhaft; widerlich
die Nase rümpfen – die Nase krausen; die Nase so bewegen, dass Falten entstehen
unsichtbar – nicht sichtbar; nicht zu sehen
Krankheitserreger, - (m.) – Bakterien und Viren, die krank machen
intuitiv – so, dass man etwas macht, ohne darüber nachdenken zu müssen; instinktiv
Mikrobiologie (f.) – ein Gebiet der Biologie, das sich mit ganz kleinen Lebewesen beschäftigt
etwas auf|nehmen – hier: etwas essen oder trinken
Nachahmung, -en (f.) – das Kopieren eines bestimmten Verhaltens
nach – hier: wie jemand sagt
sich gegen etwas/jemanden ab|grenzen – sich so verhalten, dass der eigene Unterschied zu etwas/jemandem betont wird
etwas verinnerlichen – eine Handlung so aufnehmen, dass sie automatisch erfolgt
lauten – sein; heißen
Klobürste, -n (f.) – eine Bürste zur Reinigung einer Toilette
Nachttopf, Nachttöpfe (m.) – ein Behältnis, das als Toilette genutzt wird