Rund zwölf Millionen Roma leben in Europa, davon etwa 200.000 in Deutschland. Dennoch weiß man kaum etwas über sie – am wenigsten über ihre Sprache. Dabei kann man in ihr immer Neues und Interessantes entdecken.
Über die Roma gibt es in der westlichen Welt viele Vorurteile und Klischees. Dabei weiß man nicht viel über das Volk. Zum Beispiel über die Sprache: Romani heißt sie, in Deutschland wird sie Romanes genannt. "Romanes stammt eigentlich aus dem Sanskrit", sagt Kurt Holl vom Kölner Verein " Rom e.V". Der Verein unterstützt Roma-Flüchtlinge und ist gleichzeitig ein Roma- Kulturzentrum. Es sei bewiesen, sagt Holl, dass die Roma keine europäische Minderheit seien, sondern aus Indien kämen und über lange Wanderungen und Vertreibungen bis nach Europa gelangten.
In jedem neuen Gastland übernahmen die Roma etwas von der dort gesprochenen Sprache. Dadurch entstanden über hundert Dialekte. Das Volk ohne Land, das überall als Gast gesehen wurde, entwickelte nie eine gemeinsame Sprache. Aber einige Grundlagen sind in der Sprache unverändert geblieben und somit können sich die Roma auch mit unterschiedlichen Dialekten unterhalten.
Inzwischen sind die Roma kein Volk mehr, das immer nur unterwegs oder auf der Flucht wäre. Viele sind schon längst sesshaft geworden. Immer mehr von ihnen absolvieren gute Schulabschlüsse. Wegen ihrer Vergangenheit geben sich viele jedoch als Griechen oder Spanier aus, aber im modernen Europa wächst das Selbstbewusstsein dieser Nation. In Paris und in Bukarest gibt es an den Universitäten schon Lehrstühle für Romanes. Ein internationales Linguistenteam schreibt sogar eine gemeinsame Grammatik und ein großes Wörterbuch.
Die Sprache der Roma befindet sich im Wandel. Viele Wörter, die es früher gab, müssen heute neu entdeckt werden. Eine spannende Zeit auch für den Schriftsteller Nedjo Osman, der Literatur in Romanes schreibt: "Seit 20 Jahren schreibe ich Gedichte in Romanes, und versuche immer neue Worte zu finden. Das ist mir sehr wichtig. Wenn ich ein Wort in einem Dialekt nicht finde, suche ich in einem anderen. Hauptsächlich sind die Worte aus der Sprache der Roma. Das ist jetzt am wichtigsten, bis wir eine standardisierte Grammatik und ein Wörterbuch bekommen."
GLOSSAR
Vorurteil, das – eine feste Meinung über etwas, die nicht stimmt
Klischee, das – ein Vorurteil
beweisen – zeigen, dass etwas wahr ist
Minderheit, die – eine kleine ethnische Gruppe, die neben einer anderen großen Gruppe lebt
Vertreibung, die – der Zwang, einen Ort gegen seinen Willen zu verlassen
Gastland, das – ein Land, in dem man wohnt aber nicht aufgewachsen ist
Dialekt, der – die Variante einer Sprache
sesshaft – an einem Ort seit langer Zeit wohnen
absolvieren – etwas durchführen und beenden
sich als jemand ausgeben – vorgeben jemand zu sein, der man nicht ist
wachsen – hier: stärker werden
Selbstbewusstsein, das – das persönliche Gefühl, das man etwas wert ist und Dinge kann
Lehrstuhl, der – die Arbeitsstelle eines Professors an einer Universität
Linguistenteam, das – eine Gruppe von Menschen, die sich mit den Sprachen der Welt beschäftigen
sich befinden – in einem Zustand sein
Wandel, der – die Veränderung