Autofahren kann gefährlich sein - und sündhaft. Mit den Zehn Geboten für Autofahrer warnt der Vatikan vor Sünden im Straßenverkehr und fordert eine christliche Vorbildfunktion. Nicht bei allen Gläubigen kommt das gut an.
Sündigen im Straßenverkehr? Matthias Koffler ist irritiert. "Wie ernst ist das denn gemeint?", fragt der Geistliche Leiter der Katholischen Junge Gemeinde (KJG) spontan. Von den Zehn Geboten für Autofahrer hat er noch nichts gehört. "Die erste Reaktion ist, gibt es nicht wichtigere Themen für den Vatikan?", sagt Koffler.
Die "Zehn Gebote" für Autofahrer sind aber absolut ernst gemeint und beschreiben ethisches Autofahren. Das erste Gebot lautet: "Du sollst nicht töten." In den weiteren Geboten werden die Autofahrer zu Höflichkeit aufgefordert. "Autos sollten kein Ausdruck von Macht und Dominanz sein", heißt es. Auch an die Nächstenliebe appelliert der Vatikan, etwa im Hinblick auf Hilfe für Unfallopfer und deren Angehörige. "Selbst gefährliches Überholen kann Sünde sein", warnte Kurienkardinal Renato Martino in Rom bei der Vorstellung des Verhaltenskodexes.
Bei den Gläubigen vor Ort scheinen die Leitsätze jedoch kaum anzukommen. Johannes Reiter, Professor für Moraltheologie an der Universität Mainz, hat von ihnen nur zufällig erfahren. "Im Tagesgeschehen gehen diese Gebote in der Kirche unter", sagt er. "Das sind Selbstverständlichkeiten, wie zivilisierte Menschen miteinander umgehen." Er erwarte nicht, dass nun in Zukunft "Zehn Gebote" für alle Lebenslagen veröffentlicht würden.
Genau das befürchten aber manche Gläubige. "Mir erscheint diese Ableitung auf Autofahrer banal", erklärt Barbara Breher, stellvertretende Bundesvorsitzende des Kolpingwerkes Deutschland. "Alles was in diesen Geboten steht, lässt sich in den biblischen Zehn Geboten finden. Soll man jetzt für alle Lebensbereiche Zehn Gebote formulieren? Diese Regelungswut halte ich nicht für gelungen."
Die Zehn Gebote für Autofahrer:
- Du sollst nicht töten!
- Die Straße sei für dich ein Kommunikationsweg zwischen den Menschen und kein Ort, um tödlichen Schaden anzurichten!
- Höflichkeit, Korrektheit und Umsicht sollen dir helfen, unvorhersehbare Situationen zu meistern!
- Sei barmherzig und hilf dem Nächsten in der Not, besonders wenn er Opfer eines Unfalls ist!
- Das Auto sei für dich kein Statussymbol der Macht und Herrschaft und kein Anlass zur Sünde!
- Überzeuge in Liebe die jungen Menschen - aber auch die nicht mehr jungen - sich nicht hinters Steuer zu setzen, wenn sie nicht fahrtüchtig sind!
- Helfe den Familien von Unfallopfern!
- Sorge dafür, dass sich Unfallopfer und Verursacher in einem geeigneten Moment begegnen, damit sie die befreiende Erfahrung der Vergebung machen können!
- Schütze auf der Straße die Schwächsten!
- Fühle dich stets für die anderen verantwortlich
GLOSSAR
sündhaft – gewissenlos
Gläubige, der – ein religiöser Mensch
etwas kommt bei jemandem gut an – umgangssprachlich: etwas gefällt jemandem
sündigen – sich ohne Moral verhalten
irritiert sein – verwirrt sein
spontan – ohne zu überlegen
Ausdruck, der – hier: das Zeichen; das Symbol
an jemanden appellieren – jemanden zu etwas auffordern
Unfallopfer, das – jemand, der im Straßenverkehr verletzt oder getötet wurde
Angehöriger, der – das Familienmitglied
Kurienkardinal, der – in der römisch-katholischen Kirche: oberster Mitarbeiter der Zentralregierung
Leitsatz, der – die Regel
Tagesgeschehen, das – der Alltag
weitgehend – hauptsächlich
Selbstverständlichkeit, die – die Normalität
Lebenslage, die – die Lebenssituation
Ableitung, die - die Übertragung
Regelungswut, die – der Drang, Regeln aufzuschreiben
Kommunikationsweg, der – ein Mittel um miteinander in Kontakt zu treten
anrichten – verursachen
unvorhersehbar – unerwartet
etwas meistern – etwas schaffen
barmherzig – hilfsbereit
Statussymbol, das – ein Gegenstand, der Reichtum und Macht demonstriert
fahrtüchtig – fähig sein, zu fahren
Vergebung, die – die Gnade