Wenn über den Stellenwert der deutschen Sprache diskutiert wird, dann geht es häufig um Anglizismen. Doch die deutsche Sprache wird nicht nur beeinflusst, sie nimmt auch selbst Einfluss - weltweit.
Deutsch wird nicht nur in Deutschland, Österreich und der Schweiz gesprochen. Im Gegenteil, weltweit sprechen viele Menschen deutsch und fühlen sich mit Deutschland verbunden.
In Afrika existieren zum Beispiel bis heute die Einflüsse der deutschen Kolonialzeit. "Für viele Menschen in den ehemaligen deutschen Kolonien hat Deutsch einen sehr hohen ideellen Wert", erklärt Herwig Kempf, Direktor des Goethe-Instituts in Togo. "Viele Togoer oder auch Kameruner verbinden mit der deutschen Sprache eine Sehnsucht nach der als gut empfundenen Vergangenheit."
In den USA bilden die Amerikaner deutscher Abstammung mit knapp 50 Millionen sogar die größte Gruppe, noch vor den irisch- oder englischstämmigen Amerikanern, auch wenn die große Mehrheit von ihnen heute kein Deutsch mehr spricht oder versteht. Eine Verbundenheit mit der ursprünglichen Herkunft ist vielen aber geblieben: "Vor allem hier bei uns im Mittleren Westen haben wir viele "heritage speakers", also Studenten, deren Familien deutsche Wurzeln haben", sagt Yasemin Yildiz, Juniorprofessorin an der University of Illinois.
Für die 37-jährige Germanistin, die in der Türkei geboren wurde und in Bremen aufwuchs, bedeutet die Globalisierung einer Sprache vor allem, dass sie sich verändert - ein Prozess, der innerhalb Deutschlands noch immer als sehr beängstigend empfunden werde: "Dort herrscht das Gefühl, dass die deutsche Sprache bedroht wird und gerettet werden muss, statt sie als lebendige Einheit zu sehen, die sich verändert und dynamisch ist", so Yildiz.
Was aber bedeutet es für eine Sprache, diese Einflüsse aufzunehmen? "Eine Herausforderung, der sich die Sprecher stellen müssen", sagt Kofi Yakpo, deutsch-afrikanischer Rapper und Sprachwissenschaftler. Er begegnet häufig dem Vorurteil, dass Menschen, die nicht weiß sind, auch nicht die deutsche Sprache beherrschen könnten. In Deutschland, wo inzwischen jeder sechste Einwohner einen Migrationshintergrund hat, dürfe Deutsch nicht mehr mit ethnischer Identität verknüpft werden, fordert Yakpo.
GLOSSAR
Anglizismus, der - ein englisches Wort, das in eine andere Sprache aufgenommen wurde
sich mit etwas verbunden fühlen - eine positive Bindung zu etwas haben
der ideelle Wert - ein Wert, der nicht mit Geld oder ähnlichem ausgedrückt werden kann
Sehnsucht, die - der Wunsch
Abstammung, die - die Herkunft
ursprünglich - anfänglich
deutsche Wurzeln haben - jemand kommt ursprünglich aus Deutschland
Prozess, der - hier: die Entwicklung, der Verlauf
beängstigend - beunruhigend, besorgniserregend
bedroht werden - in Gefahr sein
Einheit, die - das Zusammensein einzelner Teile, die gemeinsam ein Ganzes bilden
dynamisch - beweglich; veränderlich
Herausforderung, die - eine schwierige Aufgabe
Vorurteil, das - eine negative Meinung über einen Menschen, den man nicht kennt
einen Migrationshintergrund haben - jemand stammt ursprünglich aus einem anderen Land
die ethnische Identität - eine bestimmte Abstammung, Herkunft oder Kultur
mit etwas verknüpft sein - mit etwas verbunden sein