Die ersten Bilder am 11. September 2001 lieferte das Fernsehen. Wer mehr wissen wollte, ging ins Internet. Die Chiffre 9/11 steht auch für den Durchbruch des Internet als Nachrichten- und Bürger-Medium.
"Ich will mehr wissen!": Dieses Bedürfnis angesichts der unvorstellbaren Geschehnisse in New York und Washington DC befriedigten die Online-Angebote vor fünf Jahren - oder zumindest vermittelten sie dieses Gefühl, denn auch die Internetredakteure waren natürlich nicht besser informiert als ihre Kollegen bei Radio und TV. Doch es zeigte sich, dass Onlinemedien etwas zu bieten haben, das Fernsehen und Radio so nicht leisten können – im Internet können die Nutzer aktiv auswählen, was sie lesen.
Sofort nach den Anschlägen tauchten erste Augenzeugenberichte im Netz auf. New Yorker, die in der Nähe des World Trade Centers wohnten und zufällig vor Ort waren, beschrieben, was sie sahen, dachten - oder einfach nur fühlten. Hilferufe und Gerüchte machten die Runde. Online-Foren entwickelten sich zu Nachrichten-Börsen und virtuellen Kondolenzlisten. Derartiges hatte es im Internet schon immer gegeben. Doch erst in der Ausnahmesituation des 11. September 2001 fanden diese privaten, oft tagebuchartigen Seiten zum ersten Mal ein größeres, sogar weltweites Publikum. Von einem Bürgerjournalismus im Internet ist seitdem oft die Rede. Der Begriff "Weblog" steht für diese Internet-Publikationen, die ohne die Rahmenbedingungen eines Medienunternehmens entstehen und die vor allem eines sind: subjektiv. Das macht ihren Reiz aus, das macht sie aber auch angreifbar.
Mehr als eine Milliarde Menschen haben inzwischen Zugang zum Internet. Spätestens mit dem 11. September hat sich das World Wide Web als Massenmedium für Nachrichten und Informationen durchgesetzt. Aber der 11. September markiert auch den Punkt, an dem die Nutzer dieses neuen Mediums selbst aktiv wurden. Mancher Journalist mag das als Machtverlust beklagen, die Menschen haben längst entschieden, dass sie beides wollen.
GLOSSAR:
Chiffre, die – das Kennzeichen, der Code
ein Bedürfnis befriedigen – den Wunsch nach etwas erfüllen
angesichts einer Sache – mit Blick auf eine Sache; hinsichtlich einer Sache
Geschehnis, das – das Ereignis; etwas, das passiert
ein Gefühl vermitteln – jemandem ein bestimmtes Gefühl geben
auftauchen – plötzlich da sein
Augenzeugenbericht, der – ein Bericht über ein Geschehen von jemandem, der bei dem Geschehen dabei war und es mit eigenen Augen gesehen hat
vor Ort sein – sich an dem Ort befinden, wo etwas geschieht oder geschehen ist
die Runde machen – weitererzählt werden; sich herumsprechen
Forum, das – eine Plattform für Diskussionen
Kondolenzliste, die – eine Liste, auf der man sich einträgt, um sein Beileid beim Tod eines Menschen auszudrücken
derartiges – so etwas
Ausnahmesituation, die – eine extreme, nicht alltägliche Situation
tagebuchartig – wie ein Tagebuch
von etwas ist die Rede – etwas ist das Thema; man spricht von etwas
Bürgerjournalismus – bezeichnet die Tätigkeit eines Einzelnen oder einer Gruppe, die eine aktive Rolle im Prozess der Recherche, des Berichtens, des Analysierens sowie des Verbreitens von Nachrichten und Informationen einnehmen
Weblog, das – Kunstwort aus 'Web' und 'Logbuch', eine Webseite, die periodisch neue Einträge enthält
Das macht ihren Reiz aus. – Das macht sie so attraktiv.
angreifbar – kritisierbar
sich durchsetzen – bei vielen Leuten Akzeptanz finden
etwas beklagen – etwas nicht gut finden; hier: diese Entwicklung nicht gutheißen