Sie waren die Schwestern oder Frauen berühmter männlicher Komponisten. In den Familien aber gab es meist keinen Platz für eine professionelle Komponistin, zumal sie ja auch als Konkurrentin zum Mann auftreten könnte.
"Die Musik wird für ihn [für Felix] vielleicht Beruf, während sie für dich stets nur Zierde…werden kann.... Beharre in dieser Gesinnung und diesem Betragen, sie sind weiblich, und nur das Weibliche ziert die Frauen."
So Vater Abraham Mendelssohn-Bartholdy 1820 in einem Brief an seine Tochter Fanny, die Schwester des berühmten Komponisten Felix Mendelssohn-Bartholdy. Fanny Mendelssohn, später Hensel, hatte die gleiche musikalische Ausbildung genossen wie Felix und besaß auch die gleiche kompositorische Begabung. Felix aber konnte in der Öffentlichkeit sein Talent präsentieren, während Fannys fast 450 musikalische Werke zum allergrößten Teil in der Schublade liegen blieben.
Erst vor ungefähr 25 Jahren fingen Musik-Kritikerinnen an, sich für Komponistinnen früherer Zeiten zu interessieren. Bis dahin war eine Fanny Hensel so gut wie unbekannt. Heute gilt sie als eine der größten Komponistinnen des 19. Jahrhunderts, was noch lange nicht heißt, dass sie nun in den gängigen Musiklexika erwähnt würde.
Barbara Gabler vom Musikverlag "Furore" ist Mitte der 1970er Jahre auf Fanny Hensel aufmerksam geworden, auf Fanny Hensel-Mendelssohn. Man habe damals den Familiennamen Mendelssohn noch sehr betont, weil man dachte, dass sonst niemand wisse, wer sie ist, so Gabler. Der Furore-Verlag widmet sich ausschließlich Musikerinnen. So stehen im Programm des Verlags Werke von Hildegard von Bingen, Alma Mahler-Werfel und Clara Schumann, um nur ein paar der Komponistinnen zu erwähnen, die im Leben wenig Anerkennung für ihr Werk erfuhren. Auch heute noch sind nur zwei Prozent der zeitgenössischen Komponisten und Dirigenten weiblich. Musik-Professorinnen sind rar an deutschen Hochschulen.
Was aber ist mit den vielen Frauen, deren Kreativität schon im Keim erstickt wurde, allein weil sie Frauen waren? Warum hat Nannerl Mozart, Wunderkind wie ihr Bruder Wolfgang Amadeus, nicht komponiert? Von Nannerl sind gerade ein paar Übungen bekannt, aber keine einzige Eigenkomposition. Der Vater hat sie nicht am Kompositionsunterricht teilnehmen lassen, auch Geigen- und Orgelunterricht wurde dem Sohn vorbehalten - Nannerl musste heiraten.
In der Regel war die Karriere vieler begabter Komponistinnen spätestens mit der Eheschließung zu Ende. So hängte auch Alma Mahler ihr kompositorisches Schaffen an den Nagel, um ihren Ehemann Gustav nicht neidisch zu machen. "Nur das Weibliche ziert die Frauen", schrieb Papa Mendelssohn, und weiblich war es nicht, sich auf der Bühne der Öffentlichkeit messen zu lassen.