Bei Familie Zimmer konnte Hölderlin leben, allen skeptischen Prognosen zum Trotz noch fast 40 Jahre lang. Die Zimmers akzeptierten ihn so, wie er jetzt war, mit seinen Tobsuchtsanfällen und Zwangshandlungen und seinem stundenlangen monotonen Klavierspiel. Manchmal schrieb der Kranke ein Gedicht, einige davon sind sogar wunderbar gelungen. Nach Zimmers Tod übernahm Tochter Lotte die Pflege, fürsorglich und liebevoll wie ihr Vater. Eine Sonne ist der Mensch, wenn er liebt, hatte Hölderlin in besseren Zeiten geschrieben, und Ernst und Lotte Zimmer beweisen auf ihre Art, dass er recht damit hatte. Dass er recht daran tat, dem Menschen viel zuzutrauen.
Hölderlin musste sein Leben als Privatlehrer finanzieren. Nach einer unglücklichen Liebe zur Hausherrin Suzette Gontard wurde er tobsüchtig. Am 11. September 1806 brachte man ihn in das Universitätsklinikum Tübingen.
Ja! eine Sonne ist der Mensch,
allsehend, allverklärend, wenn er liebt,
und liebt er nicht,
so ist er eine dunkle Wohnung,
wo ein rauchend Lämpchen brennt.
Zeilen aus einem Gedicht von Friedrich Hölderlin. Der Dichter Hölderlin, Jahrgang 1770, hatte eine sehr hohe Meinung vom Menschen und seinen Möglichkeiten. Eine zu hohe, finden manche. Kein Wunder, dass er mit Mitte Dreißig wahnsinnig wurde - oder, wie man heute sagen würde, psychotisch.
Das Göttliche im Menschen
Es gab vieles, was dieses Leben schwer belastete: die Hoffnungen und Enttäuschungen im Verlauf der Französischen Revolution; die Erwartungen der überfürsorglichen Mutter, die sich für ihren genialen Sohn nichts mehr wünschte als eine sichere Pfarrstelle. Aber Hölderlin wollte kein Amt, er wollte, er musste ein Dichter sein. Das Göttliche im Menschen in der poetischen Sprache aufleuchten zu lassen, dies und nichts anderes sah er als seine Aufgabe an.
Für Lebenspläne dieser Art gibt es keine Sicherheit und auch kein Geld. Hölderlin musste sich als Hauslehrer für die Kinder wohlhabender Leute verdingen. Klar, dass er sich da auch mal verliebte, in die Hausherrin natürlich, Suzette Gontard hieß sie, und die verliebte sich in ihn. Hölderlin hat ihr in der Diotima seines Hyperion-Romans ein Denkmal gesetzt, aber im wirklichen Leben nicht um sie gekämpft. Als dem Hausherrn die Sache zu heikel wurde, räumte der unglückliche Dichter das Feld und schrieb der Geliebten aus der Ferne: "Es ist himmelschreiend, wenn wir denken müssen, dass wir beide mit unsern besten Kräften vielleicht vergehen müssen, weil wir uns fehlen."
Ein Tischlermeister namens Zimmer
Nach Suzettes frühem Tod verschlimmerte sich Hölderlins Traurigkeit. Er verwahrloste, manchmal tobte er. Freunde und Familie waren überfordert. Am 11. September 1806 holte man ihn in Bad Homburg ab und verfrachtete ihn, der sich heftig wehrte, nach Tübingen ins Universitätsklinikum. Sein Arzt Johann Heinrich Ferdinand von Autenrieth war einer der ersten Mediziner, die sich um eine Art Therapie für Geisteskranke bemühten. Viele seiner Maßnahmen wirken heute befremdlich, für eins aber gebührt ihm große Ehre: dass er für Hölderlin eine Pflegestelle suchte und fand. Bei einem Tischlermeister namens Ernst Zimmer, der die Literatur liebte und besonders Hölderlins Roman "Hyperion".
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