Der Missionspater Rudolf Lunkenbein war Anhänger der "Theologie der Befreiung". Er half den brasilianischen Bororo, das Land, das man ihnen gestohlen hatte, wiederzubekommen. Am 15. Juli 1976 wurde er ermordet.
Am Morgen des 15. Juli 1976 erscheinen staatliche Landvermesser auf der Missionsstation von Merúri im brasilianischen Bundesstaat Mato Grosso. Das umliegende Land soll den indigenen Bewohnern zurückgegeben werden. Widerrechtlich ist es von weißen Großgrundbesitzern annektiert worden.
Die Indianer haben einen einflussreichen Freund: den 37-jährigen deutschen Salesianerpater Rudolf Lunkenbein. Doch kaum haben die Landvermesser ihre Arbeit aufgenommen, erscheinen auf der Station rund sechzig Männer, Großgrundbesitzer und deren gedungene Handlanger. Sie sind bewaffnet. Lunkenbein will vermitteln. Da krachen mehrere Schüsse. Der Pater und zwei Indianer sinken tot zu Boden.
Den eigenen Untergang beschlossen
Rudolf Lunkenbein wurde 1939 im oberfränkischen Döringstadt geboren. Der Pfarrer vermittelte den Buben an das Gymnasium der Salesianer Don Boscos in Buxheim bei Memmingen. Lunkenbein schwärmte früh von Südamerika und den Indianern. Nach dem Abitur begann er bei den Salesianern in São Paulo sein Noviziat, in den 1960er-Jahren absolvierte er in der Missionsstation Merúri ein Praktikum.
Merúri wurde zum Schicksalsort. Doch zunächst kehrte Lunkenbein nach Deutschland zurück, um in Benediktbeuern Theologie zu studieren. 1969 wurde er zum Priester geweiht, dann ging er nach Brasilien zurück: Das Schicksal der Bororo ließ ihn nicht los. Damals war das Volk vom Aussterben bedroht. Plantagenbesitzer hatten sich, gedeckt von korrupten Beamten, deren Land unter den Nagel gerissen. Die Bororo beschlossen ihren eigenen Untergang: Die Frauen sollten den Saft einer empfängnisverhütenden Pflanze trinken, um weiteren Nachkommen solch ein elendes Dasein zu ersparen.
Rudolf Lunkenbein war von der "Theologie der Befreiung" getragen. Für ihn sollte die Kirche Benachteiligten bereits im Diesseits zu Recht und Gerechtigkeit verhelfen. Er lernte die Sprache der Bororo und konnte sie überzeugen, den Kampf aufzunehmen. Die Bororofrauen brachen die Empfängnisverhütung ab. Unter Lunkenbeins Anleitung erlernten die Bororo bessere Anbaumethoden, die Kinder erhielten Schulunterricht.
Begehrliche Blicke
Der Salesianer war die Stimme der Bororo: Er wurde Mitglied des brasilianischen Missionsrats für Indianerfragen und der staatlichen Indianerschutzbehörde. Die Bororo dankten es ihm auf besondere Weise: Sie nahmen ihn in ihren Stamm auf und verliehen ihm sogar die Würde eines Häuptlings.
Schließlich der Durchbruch: Die Regierung in Brasilia beschloss, das Land neu zu vermessen und den Bororo ihren Besitz zurückzuerstatten. Doch die Großgrundbesitzer wollten sich das Land notfalls mit Gewalt nehmen. Dann fielen die tödlichen Schüsse.
Rudolf Lunkenbein wurde von den Indianern nach ihrem Ritus bestattet. Auf seinem Grab steht in portugiesischer, deutscher und Bororo-Sprache: "Ich bin zum Dienen gekommen und dafür zu sterben."
Sein Tod war keineswegs sinnlos: Die Bororo erhielten vom Staat ihr Land zurück. Ihre Lebensbedingungen haben sich seither stark verbessert. Die Bevölkerungszahl hat sich stabilisiert. An der Don-Bosco-Universität in Campo Grande wurde das Institut zur Erforschung der Kultur indigener Völker gegründet.
Doch auf das Land der Bororo richten sich wieder begehrliche Blicke: Erdöl wird dort vermutet. Es ist zu hoffen, dass es nicht wieder zu einem tödlichen Showdown kommen wird.