Er war ein echter Aussteiger. Alber Berry, Captain bei der US-Army, stieg als erster Mensch mit einem Fallschirm aus einem Flugzeug aus und wartete ab, ob sich der Fallschirm öffnen würde.
Manche Kunst lässt sich nicht so einfach erlernen, nicht einmal auf einer Kunsthochschule. Zum Beispiel die hohe Kunst des Aussteigens. Für sie gibt es kein Lehrbuch! Obwohl es in dieser Disziplin durchaus große historische Vorbilder gab - denken wir an den Aussteiger Diogenes; jenen Mann, der einst in einer Tonne lebte und der seinen antiken Zeitgenossen demonstrativ den Rücken kehrte, weil er mit der Zivilisation nichts zu tun haben wollte. Oder denken wir an Kaiserin Sisi - sie war vom Leben am Wiener Hof so angeödet, dass sie am liebsten nur noch in der Weltgeschichte herum reiste. Oder Oskar Lafontaine - der fiel einst vom Glauben an die Sozialdemokratische Partei Deutschlands ab und warf nicht nur sein Ministeramt, sondern bald auch das Parteibuch hin.
Aussteigen will gut überlegt sein
Diogenes, Sisi, Oskar - allesamt sind sie große Aussteiger! Aber was lernen wir von ihnen? Nichts. Außer, dass Aussteigen immer eine sehr individuelle Angelegenheit ist. Und manchmal auch ganz schön gefährlich. Erst kürzlich hat die italienische Eisenbahn ein Einreiseverbot für Nachtzüge aus München erlassen, weil in den Waggons die Türen auf beiden Seiten zu öffnen sind. Man stelle sich nur vor: Ein Passagier steigt an einem Bahnhof aus, mitten in der Nacht. Aber auf der falschen Seite! Ein Schnellzug kommt daher! Äußerst ungute Situation! Da dürfte man sich vermutlich fühlen wie der große österreichische Aussteiger Felix Baumgartner kurz vor seinem Absprung aus 39 Kilometern Höhe - nämlich ziemlich einsam!
Also, Aussteigen will schon sehr gut überlegt sein. Diese Erfahrung musste auch Albert Berry machen. Der 33-jährige Captain der US-Armee war der erste Mensch, der mit einem Fallschirm aus einem Flugzeug absprang. Aus einem fliegenden Flugzeug, wohlgemerkt!
Am 1. März 1912 bestieg Berry einen Doppeldecker, der vom Piloten auf eine Höhe von knapp 500 Metern gebracht wurde.
Die Maschine näherte sich gerade der Armeebasis Jefferson Barracks, in der Nähe von St. Louis, Missouri, als Berry hinunter sah und eine Nervenklinik entdeckte. Berry soll in diesem Moment zum Piloten gesagt haben: "Da gehören wir beide eigentlich hin!"
Nie wieder
Eine Erkenntnis, die Captain Berry allerdings nicht daran hinderte, seinen Sitz zu verlassen, nach vorne zu krabbeln, den Fallschirm anzulegen und dann auszusteigen. Das Flugzeug machte einen Hüpfer nach oben, Berry einen langen nach unten, während ganz unten am Boden Hunderte den Atem anhielten und das Spektakel beobachteten. Berry flog und flog, der Fallschirm in Schlangenlinien hinter ihm her, plötzlich öffnete sich der Schirm und während alles jubelte, segelte unser Held der Lüfte sicher zur Erde. Anschließend wurde der Aussteiger von der Menge gefeiert und auf Händen getragen.
Er selbst war heilfroh, sicher gelandet zu sein. "Ich war nicht vorbereitet auf das gewaltige Gefühl, als ich aus dem Flugzeug ausstieg", gestand Captain Berry. "Ich glaube, ich habe fünf Purzelbäume auf dem Weg nach unten gedreht. Wie ein verrückter Pfeil." Und als ihn jemand fragte, ob er seinen Ausstieg wiederholen würde, da antwortete er kurz und bündig: "Nie wieder!”