Wenn andere Tunnel graben, können das die Franken genauso. Also gönnt sich Nürnberg eine U-Bahn. Viele finden das vielleicht ein bisschen übertrieben, bis die Nürnberger technisch nach vorne preschen. Autorin: Regina Fanderl
Was einem oben im Weg umgeht, muss hinunter. Das ist eine uralte Haushaltsregel. In die untere Schublade, ins untere Fach, zur Not unter den Teppich. Aus den Augen, aus dem Sinn! Das gilt für unfertige Steuererklärungen genauso wie für Massenverkehrsmittel. So war es auch absehbar, dass der öffentliche Nahverkehr in London mit Pferdekutschen bald nicht mehr zu bewältigen war. Tagsüber verstopften sie die Straßen, nachts kämpften arme Arbeiter gegen Tonnen von Fäkalien. Runter also mit dem Verkehr!
In die Tiefe
Die erste U-Bahn der Welt fuhr 1863 von Paddington bis zur sechs Kilometer entfernten Farringdon Street. Freilich stiegen die Fahrgäste ziemlich benebelt aus, weil Dampfloks die Züge zogen. Die ersten Elektroloks kamen erst 1890.
Die Idee mit dem Untergrund wurde weltweit dankbar aufgenommen, so dass tatsächlich, mehr als 100 Jahre später und ein Jahr nach München, auch Nürnberg eine U-Bahn bekam. Manch einer kann sich noch gut erinnern, wie mühsam es vorher in der überfüllten Straßenbahn war. Jetzt aber flitzte der "Pegnitzpfeil"!
Am 1. März 1972 durften 10.000 mit Sonderfahrscheinen ausgestattete Bürgerinnen und Bürger die Jungfernfahrt durch die Röhre antreten. Von Langwasser-Süd bis zur Bauernfeindstraße. Als der Fahrer von einem Reporter nach den Vorteilen gegenüber der Straßenbahn gefragt wurde, meinte er, das sei ein Unterschied wie zwischen einen Leiterwagen und einen modernen Reisebus.
Modern!!
Freilich hat man sich da und dort schon gefragt, warum sich Nürnberg bei grad mal einer halben Millionen Einwohner eine U-Bahn leistete.
Tatsächlich zählte Nürnberg aber zu den vier am dichtesten bebauten Städten der Bundesrepublik und gerade wegen dieser Kompaktheit, so die Stadtväter triumphierend, sei die Stadt geradezu prädestiniert für eine U-Bahn!
Noch lange nach Betriebsbeginn gab es an allen Stationen Fahrkartenverkäufer. Der U-Bahn-Fahrer konnte sitzenbleiben, weil er das Signal zum Türschließen und Abfahren von einem so genannten Zugabfertiger übermittelt bekam. Der Zugabfertiger überwachte den Bahnsteig. Alles, wie es sich damals noch gehörte. Die Strecke der U1 war mit nicht einmal vier Kilometern schon sehr kurz. Den Nürnbergern war das egal.
Heute lächelt keiner mehr milde darüber. 2015 steuerte ausgerechnet die Nürnberger U-Bahn in eine völlig neue Epoche. Wie von Geisterhand gezogen fahren seit dem Jahr 2008 Züge fahrerlos unter der Stadt. Für die Pendler schon längst nichts Besonderes mehr, für Touristen fast genauso begehrt wie das Dürerhaus oder die drei Bratwürst‘ im Weggla. Sie drängen ganz nach vorne, wo normalerweise der Fahrer sitzt und warten gespannt darauf, ob der Zug auch wirklich hält. Das tut er. Ganz von allein, sorgsam via Monitor überwacht von Mitarbeitern in der Schaltzentrale.