"Undine", die erste romantische deutsche Oper, mit einer weiblichen Titelheldin, die sich nicht so einfach als schönes "Blondchen" herumschupsen lässt. Autor: Frank Halbach
Fantasy! Der Ausflug ins Reich des Unendlichen. In gewaltigen Bildern, leinwandüberfüllend, tönend in Surround-Sound, locken solche Blockbuster das Publikum in die Kinos. Und vorbei sind mittlerweile die Zeiten, in denen sich in diesen Fantasiereichen nur muskelbepackte Männer durch die Scharen ihrer Feinde schnetzelten. In den großen Fantasy-Epen stehen mittlerweile auch Frauen ihren Mann…äh, pardon ihre Frau…oder…ach Sie wissen schon.
Solche Frauen sind selbstverständlich moderne Errungenschaften der Emanzipation, Fantasy-Spektakel ein Genre des 20. Jahrhunderts und Cinemascope-Format sowie im Raum raffiniert verteilter Mehrkanalton das Ergebnis modernster Technik. Aber…
Die schöne Nymphe
Was heute das Kino, das war im 19. Jahrhundert die Opernbühne, für Raumklang sorgte das Orchester, für große Bilder berühmte Maler und Architekten wie Karl Friedrich Schinkel. Und Fantasy gab es auch schon – mit Frauen in der Titelrolle.
Wie in der am 3. August 1816 uraufgeführten Oper "Undine". Zeit der Handlung: Märchenzeit. Die Heldin: die Nymphe Undine, wunderschön und – wie es sich auch heute für einen Fantasy-Blockbuster gehört, Hauptfigur eines Buches. Und zwar einer Novelle von Friedrich de la Motte Fouqué, einer der ersten deutschen Dichter der Romantik. Er schreibt auch das Drehbuch, ähm, also das Libretto, für die Oper zum Buch. Den Soundtrack komponiert kein geringerer als der eigentlich auch als Dichter berühmt gewordene E.T.A. Hoffmann, immer wieder auch gerne als „Gespenster-Hoffmann“ betitelt, weil er wahrhaft düstere Mystery-Stories hinterlassen hat. Herausgekommen ist mit "Undine" die erste romantische deutsche Oper überhaupt.
"Totgeweint"
Die Story: Der Ritter Huldbrand von Ringstetten verliebt sich in die bezaubernde Undine, erringt ihre Gunst, und die beiden heiraten. Happy End? Natürlich nicht! Denn als der Ritter Undine mit zu seiner heimischen Burg nimmt, kommt heraus, dass er dort vor kurzem schon der edlen Berthalda die Ehe versprochen hat. Und nach einer Weile stellt er fest, dass ihm Berthalda doch irgendwie besser gefällt. Naja, Sie wissen schon, verheiratet mit einer Nymphe…Was sollen da die Leute sagen. Ein englischer Prinz kann ja heutzutage auch nicht einfach eine Bürgerliche heiraten. Undine ist also die Dumme und, typisch Frau des 19. Jahrhunderts, das Opfer. Dann aber kommt’s: Unterstützt von ihren Bluts…, ähm Wasser-Verwandten, also von den Elementargeistern eben, kommt Undine nach ihrer Verstoßung zurück und umschließt Huldbrand in ertränkender Umarmung, dass ihm die Luft wegbleibt. Klar, jetzt merkt er dass er ja eigentlich doch nur Undine liebt, was ihn aber auch nicht davor bewahrt, sein weiteres Dasein fortan als Wassergeist zu fristen. "Ich habe ihn totgeweint", singt Undine.