In der Wissenschaft ist meist alles eine Frage der (richtigen) Theorie. Die von Joseph Priestley um "eine Art Luft" und Phlogiston konnte sich nicht durchsetzen. Autor: Hellmuth Nordwig
Manche Theorien sind fast zu schön, um wahr zu sein. Vor allem wenn es darum geht, Naturphänomene zu beschreiben. Zum Beispiel die Verbrennung. In der Schule haben wir ja gelernt: Wenn etwas verbrennt, ist das eine chemische Reaktion mit Sauerstoff. So wie im Automotor: Benzin plus Sauerstoff gibt Kohlendioxid plus Wasser. Oder die Korrosion: Eisen plus Sauerstoff gibt Rost. Kann man natürlich so sehen, diese Theorie erklärt ja vieles. Sogar, warum es aus dem Auspuff tropft - eben weil auch Wasser entsteht. Die Frage ist nur: Stimmt das alles wirklich? Oder glauben wir die Geschichte mit dem Sauerstoff seit vielen Generationen einfach deswegen, weil sie so plausibel ist?
Ein Frage der Theorie
Es gibt nämlich auch eine andere Erklärung, und die ist erst mal nicht weniger schlüssig. Auch sie sagt: Beim Verbrennen läuft eine chemische Reaktion ab. Aber dabei wird ein Teil des Ausgangsmaterials abgespalten. Also: Brennbare Kohle gibt Asche plus Brennstoff. Der war vorher fest in der Kohle gebunden und wird dann frei. Auch diese Theorie erklärt vieles, zum Beispiel warum die Flammen so schön nach oben züngeln - eben weil der Brennstoff entweicht, der in der Fachsprache Phlogiston (Betonung erste Silbe) heißt. Wer in dieses Weltbild eintaucht, für den erschließt sich sofort: Eisen besteht aus Rost und Phlogiston. Wenn es zerfällt, wird Phlogiston frei und Rost bleibt übrig. Auch so kann man solche Umwandlungen betrachten, genau umgekehrt wie bei der Sauerstoff-Theorie.
"Eine Art Luft"
So sah das auch der Engländer Joseph Priestley. Er war Theologe und predigte für eine Kirche, welche die Dreifaltigkeit Gottes ablehnte - das ist ja auch so eine Theorie, der man folgen kann oder auch nicht. Außerdem verfasste Priestley das Buch "Eine Geschichte der Elektrizitätslehre" und wurde zum Doktor der Rechte promoviert. Ein Universalgelehrter also, typisch für das 18. Jahrhundert.
Priestley experimentierte auch selbst, etwa mit einem speziellen Brennglas: Wie verhalten sich Mineralien, wenn sie im gebündelten Sonnenlicht sehr heiß werden? Zum Beispiel ein quecksilberhaltiges Gestein, das beim Erhitzen "eine Art Luft" freisetzt, wie er am 1. August 1774 schreibt, Zitat - "eine Art Luft, die fünf Mal besser zum Atmen und zum Verbrennen ist als normale Luft" - Zitat Ende. Und weiter führt er aus: Wie gut Luft sich zum Atmen eigne, das hänge ja davon ab, wie bereitwillig sie das ausgeatmete Phlogiston aufnehme. Und diese neu entdeckte Art Luft sei nun ganz außerordentlich begierig nach Phlogiston. Aus einem glimmenden Holzspan habe sie es geradezu herausgesaugt - der sei sofort aufgeflammt, weil so viel Phlogiston frei geworden sei.