Fast hätte Magellan den Westweg nach Indien gefunden, fast hätte er die Molukken erreicht, fast als erster die Erde umrundet – fast! Autor: Simon Demmelhuber
Tag um Tag nichts als rollende, wogende Leere. Nacht für Nacht fremde Sterne, die keinen Weg mehr wissen. Kommt so das Ende? Ohne Aufbäumen, nur ein Verrinnen und Versickern in einer gleichgültigen Wasserwüste, die alles zersetzt, was schon so greifbar nahe schien.
El paso!
El paso! Columbus, Cabral, Cabot haben ihn vergeblich gesucht: den Westweg nach Indien. Er, Fernando de Magallanes, der hinkende Portugiese in spanischen Diensten, hat ihn gefunden. Er allein hat el paso entdeckt: die Meeresstraße, die Amerika im äußersten Süden durchschneidet, die Goldfurt zu den Gewürzinseln, zu Muskat, Ingwer, Pfeffer, Nelken, Zimt, zu Perlen und Gold im Überfluss.
El paso! Das war SEIN Unsterblichkeitsmoment. Und dann? Alles falsch, keine Berechnung, keine Voraussage, keine Vermutung stimmt. Indien und die Molukken liegen nicht gleich hinter Amerika. Hinter Amerika liegen nur Hunger, Durst, Entkräftung, Skorbut und Mutlosigkeit. Aber Magellan kehrt nicht um. "Westwärts" ist seine einzige Karte im Spiel um Reichtum und Ruhm. Und sie bringt ihm Glück: Nach hundert Tagen stößt er auf eine Streu bewohnter Inseln, die später Philippinen heißen.
Der Capitán general nimmt die Eilande für Gott und Spanien in Besitz. Er tritt nicht als Eroberer auf, sondern als Liebeswerber eines mächtigen Königs, der Verbündete, Frieden und Handel sucht. Wer die Freundeshand ergreift, genießt seinen Schutz und muss die als Ehrengruß abgefeuerten Schiffsgeschütze nicht fürchten. Radscha Humabon, König der Insel Cebu, versteht den Wink, lässt sich und sein Volk taufen, schwört ewige Treue. Magellan macht ihn dafür zum Oberkönig der umliegenden Inseln.
Der "Unvollendete“
Nur einer verweigert Kniefall und Kreuz: Lapu Lapu, der Herr von Mactan, einem Inselklecks vor Cebus Küste. Der Widerstand reizt Magellans Ehrsucht.
Er muss die Wurzel des Aufruhrs kappen, bevor sie Zweige und Blätter treibt, muss Schrecken säen, um Gehorsam zu ernten.
Im Morgengrauen des 27. April 1521 setzen drei Boote über nach Mactan. Magellan führt die Strafaktion, waffenstolz, siegesgewiss. Ein Haufen nackter Wilder mit Speeren, Messern und Lederschilden trotzt 60 gepanzerten Spaniern? Unvorstellbar! Lächerlich!
Doch es kommt anders. Untiefen und Riffe halten die Boote von der Küste ab. Die Musketen und Armbrüste tragen nicht weit genug, um Lapu Lapus Krieger aus sicherer Distanz niederzuschießen. Magellan lässt seine Schar ans Ufer waten. Noch bevor sie den Strand erreicht, geht ein Gewitter aus Speeren und Pfeilen nieder. In ihren vollgesogenen Monturen und schweren Harnischen haben die Spanier keine Chance gegen die Übermacht der wendigen Verteidiger. Magellan befiehlt den Rückzug. Er steht knietief im Wasser, als ein Pfeil seinen Oberschenkel durchbohrt; er strauchelt, stürzt, wird eingekreist, mit Speeren und Messern niedergemacht. Sein Leib wird nie geborgen.