Heute sind die Vampire in Kino und Buch wildromantische Schönlinge, in die man sich nur verlieben kann. Früher war das ganz anders… wenn auch nicht sehr viel realer… Autor: Simon Demmelhuber
Dicke Luft in der Hofburg. Die Kaiserin tobt. Seit Jahren kämpft Maria Theresia gegen Aberglauben, Gespensterfurcht, Hexen- und Zauberwahn. Und jetzt das, dieser elende Bericht aus Mähren: Die Vampirseuche grassiert in Österreich. Schon wieder, und ärger denn je!
Und wieder die wiederkehrenden Untoten!
Es ist immer dasselbe: Mit "verdächtigen" Todesfällen fängt es an. Dann flackern die Gerüchte: Von Toten, die nachts umgehen, Mensch und Vieh auszehren, Blut saugen und die Vampirseuche verbreiten. Ängste wuchern, die Furcht sucht Gewissheit. "Suspecte" Gräber werden aufgebrochen, nach Beweisen durchwühlt. Die finden sich zuhauf, jedes Kind kennt sie: Vampire faulen nicht. Feist liegen sie da, unverwest, satt und gedunsen, Mund und Eingeweide prall gefüllt mit rotem Blut, mit neuen Nägeln und nachgewachsenem Haar: Ein klarer Fall von magia posthuma, von Zauberei nach dem Tod! Die vom Augenschein überführten Wiedergänger fallen dem Henker anheim. Sie werden gepfählt, enthauptet, verbrannt, ihre Asche in fließendem Wasser verstreut.
Jetzt langt´s der Kaiserin
Doch diesmal haben sie es übertrieben! Einen ganzen Friedhof haben sie umgepflügt in ihrem Dorf dahinten, dreißig Leichen ausgegraben, zwanzig davon als Vampire entlarvt, zerhackt und eingeäschert. Alles im Beisein und mit Billigung verblendeter Pfarrer und Amtmänner, die keinen Deut klüger sind als ihre Schützlinge. Damit muss Schluss sein. Ausrotten muss man den Wahnwitz. Ausmerzen, austilgen, ein für alle Mal.
Für diese Augias-Arbeit kommt nur einer in Frage: Gerard van Swieten, Leibarzt und Vertrauter ihrer Majestät, Anatom und Medizinprofessor zu Wien, ein Gelehrter von europäischem Rang. Der Aufklärer schickt erfahrene Ärzte nach Mähren. Sie sollen den Vorfall untersuchen, ohne Vorurteil, streng nach den Regeln nüchternster Wissenschaft. Swietens Schlussbericht ist ein Triumph sachlicher Vernunft: Indizien für magia posthuma und "vampirische Infection" hat seine Kommission nicht gefunden.
Dafür umso mehr Belege für Dummheit, Leichtgläubigkeit und ein völliges Versagen der Obrigkeit. Was Einfalt und Unkenntnis als Vampirseuche missdeuten, ist samt und sonders natürlich erklärbar. Mortuus non mordet, ein Toter beißt nicht, und damit basta!
Darauf hat die Kaiserin gewartet. Am 1. März 1755 unterzeichnet sie einen Erlass, der sich gewaschen hat: Der Aberglaube ist unverzüglich abzustellen. Alle Vorfälle von Grabschändung, Leichenfledderei und Vampirexekution sind künftig ausnahmslos anzuzeigen, polizeilich zu untersuchen und scharf zu ahnden. Insbesondere die Geistlichkeit wird strengstens ermahnt, derlei sündlichen Missbrauch fortan weder zu dulden noch zu bekräftigen.