Manche pauschale Vereinbarungen und Verabredungen klingen vernünftig und gut, solange sich niemand um eine genaue Auslegung bemüht. So spaltet die Alpenkonvention Naturschützer und Ökonomen. Autor: Markus Mähner
Schrunns-Tschagunns, Frutigen, Servaus, Rhäzüns, Damüls, Zürs – gar lieblich klingen diese Ortsnamen. Versteckt hinter den Bergen in alpiner Abgeschiedenheit. So scheint es.
Nehmen wir zum Beispiel Zürs: Eine Bauernsiedlung in Vorarlberg, gelegen auf 1717 Metern über dem Meer. Bis zum Jahr 1897 führte keine Straße dahin. Als dann mit dem Bau des Flexenpasses die erste Verkehrsanbindung kam, wurden die Besitzer des einzigen Gasthofs "Alpenrose" mit jährlich 200 Gulden Subvention vom Land Vorarlberg überredet ihr Haus ganzjährig geöffnet zu halten – falls jemals ein Tourist vorbeikommen würde...
Schon einer da?
Und tatsächlich kamen Touristen: Heute zählt Zürs zusammen mit dem Nachbarort Lech 1500 Einwohner. Hinzu kommen gut eine Millionen Übernachtungen von Touristen, davon etwa 850.000 allein in den Wintermonaten! Denn was früher die Entwicklung des Ortes hemmte – der viele Schnee im Winter –, ist nun Wirtschaftsfaktor Nummer Eins:
Neuerdings mit dem gesamten Arlberger Skigebiet zusammengeschlossen, kann der Brettlwütige über mehr als 300 Kilometer planierte Pisten zu Tale rasen. Hinzu kommen noch 200 Kilometer "unpräparierte Geländevarianten", wie es so schön heißt. Wieder hinauf helfen ihm Liftanlagen, die sich auf nahezu 100 Kilometer Länge erstrecken. Und falls der Schnee doch mal ausbleiben sollte, kein Problem: Ein Großteil der gut 300 Kilometer Piste ist mit Schneekanonen ausgestattet.
Ski und Rodel gut
Und es soll weiter gebaut werden: Das Skigebiet Arlberg soll mit dem Skigebiet Kappl verbunden werden. Die "Umweltverträglichkeitsprüfung fiel positiv aus" – so heißt es. Allein von Umweltschützern wurde Beschwerde gegen das Projekt eingereicht.
Die Behörden allerdings gaben bereits grünes Licht für das Bauvorhaben und beziehen sich auf die Alpenkonvention – einen Vertrag, der die wirtschaftliche Entwicklung der Alpen in Übereinstimmung mit dem Naturschutz regeln soll. Er wurde am 7. November 1991 von den Umweltministern der Alpenländer unterschrieben – und ist seitdem heiß diskutiert. Denn wie der allgemein gehaltene Text in konkrete Handlungen übertragen werden soll, darüber streiten die Länder.
Oft steht die wirtschaftliche Entwicklung vor dem Naturschutz. So gleicht denn im Sommer so manches Skigebiet eher einer Großbaustelle als einem Naturraum: Horden von Baggern fegen unebene Hänge glatt, Bachläufe werden verändert, damit die Piste eine gleichmäßige Breite hat, Lawinenbauten versuchen die entbäumten Hänge zu sichern. Wer sich als Wanderer hierher verläuft, muss sehen wie er sich durch Schutthalden kämpft.