Alan Alexander Milne schrieb die Geschichte von Winnie-The-Pooh. Der Kinderbuchklassiker wurde in viele Sprachen übersetzt, die Version auf Latein hat Milne nicht mehr erlebt. Autor: Rainer Nothaft
Es mag ein wenig ungerecht sein, aber wer heute an Alan Alexander Milne denkt - wobei die beiden As für Alan und Alexander stehen - denkt nicht an ihn als einen der Herausgeber der legendären englischen Zeitschrift "Punch" oder den Verfasser seinerzeit sehr erfolgreicher Theaterstücke. Nein, wer an A.A. Milne denkt, denkt an Honig - an den Honig, der Winnie-the-Pooh so gut schmeckt; und denkt an dessen ganze Korona, an Christopher Robin, an Kanga, Roo, Eeyore, Tigger und Piglet - wenn auch nicht unbedingt in dieser Reihenfolge.
bums, bums, bums - tump, tump, tump
Denn wem das Herz schwer ist, der eilt mit seinen Gedanken als Erstes zu Eeyore, dem ernsten und manchmal so melancholischen Esel; und wem das Müsli zum Frühstück nicht schmecken will und die Suppe nicht zum Abendessen - Tigger darf einem da einfallen, den die sanfte Kanga nur mit einem Malzextrakt trösten kann; und schließlich: Wer klein, klamm und unzulänglich, geht gestärkt aus einer Begegnung mit Pooh selbst hervor, dem Bär mit geringem Verstand, der, honigverschmiert, von einem Fehler zum nächsten tapst, und gerade deshalb viel versteht und auf niemand runterschaut, auch nicht auf die, die nicht wissen ob zwei mal sieben 12 ist oder doch 22.
Aber Winnie-the-Pooh, das Buch das A.A. Milne 1926 eigentlich nur für seinen Sohn Christopher Robin geschrieben hat, aber inzwischen nur so etwa 70 Millionen Kindern und ihren Eltern alle trüben Gedanken aus dem Sinn gepustet hat - Winnie-the-Pooh ist nicht nur ein Trost und Kopfkissenbuch mit Pooh als friedlichem Sandmann.
Es ist, da in 33 Sprachen übersetzt, auch prima geeignet für alle, die ihr Jiddisch, Französisch, Tschechisch, Afrikaans oder Esperanto aufpolieren wollen - oder ihr Latein. Denn seit 1960 gibt es Winnie-the-Pooh auch in einer makellosen 148-seitigen, lateinischen Übersetzung des ungarischen Arztes Alexander Lenard - "Winnie Ille Pu". Nunc primum de anglico sermone in Latinum conversus auctore Alexandro Lenardo. Und so, glorreich in Latein gleich der erste, weltliterarische Eingangssatz, der im englischen Original lautet:
"Here is Edward Bear, coming downstairs now, bump, bump, bump on the back of his head, behind Christopher Robin." In einer deutschen Übersetzung kommt der Satz etwas kahl daher als “Eduard Bär folgt - bums, bums, bums - auf seinem Hinterkopf Christoph Robin die Treppe hinunter”, aber in der Sprache, in der Cicero mit Atticus korrespondierte, erhebt er sich zu klassischer Höhe und Schönheit, zu: ÈCCE EDUÀRDUS ÙRSUS SCÀLIS NUNC TUMP-TUMP-TUMP OCCÌPITE GRÀDUS PULSÀNTE POST CHRISTÒPHORUM RÒBINUM DESCÈNDENS.
Ausverkauft!
Als die lateinische Übersetzung von Winnie-Ille-Pu 1960 zuerst in Amerika erschien, spottete Time-Magazine noch mild, es sei genau das Buch, auf das ein paar Dutzend Amerikaner gewartet hätten, "vielleicht sogar fünfzig", wie es süffisant hinzufügte. Aber so kann man sich irren. Binnen einer Woche war kein Exemplar der Übersetzung mehr aufzutreiben.
Es wurde nachgedruckt. 20 Wochen lang führte Winnie Ille Pu als bisher wohl einziges fremdsprachiges Buch die Bestsellerliste der New York Times an. 21 Auflagen, 125.000 Exemplare - nicht schlecht für einen Bären mit geringem Verstand in einer angeblich toten Sprache.