Die Welt retten ist eine unbedingt wichtige Idee, deren Umsetzung mitunter an Kleinigkeiten zu scheitern droht. Etwa der Frage nach zu viel respektive zu wenig Schokolade. Eine Frage, die sich lösen lässt. Autorin: Isabella Arcucci
Sie kommen in finsterer Nacht, im Morgengrauen oder auch am helllichten Tag. Sie schleichen sich an, auf leisen Sohlen, in wendigen Booten, klettern behände an Seilen hinauf. Für die einen sind sie die Ninja-Krieger unseres Planeten, für die anderen die schlimmsten Plagegeister: die Frauen und Männer von Greenpeace! Sie sprühen Babyrobben mit Farbe an, um ihr Fell für die Modeindustrie wertlos zu machen, klettern mit Protestplakaten auf Ölbohrinseln, und reiten auf Walen, um diese vor den Harpunen der Jäger zu schützen. Seit 1971 kämpft die politische Non-Profit-Organisation Greenpeace gegen Atomenergie, Regenwaldabholzung, Gengemüse und Tierquälerei. Am Anfang stand ein Mann, dem all das völlig wurscht war: Kapitän John Cormack.
Seekranke Weltretter
Er war der Besitzer eines schrottreifen Fischkutters namens “Phyllis Cormack”. Als eine Gruppe Männer aus den USA und Kanada ihn im September 1971 fragte, ob er bereit sei, sie gegen gute Bezahlung mit seinem verrosteten Schiff von Kanada zur Insel Amchitka, im Südwesten Alaskas zu bringen, wo sie den unterirdischen Atombombentest der amerikanischen Regierung stoppen wollten, kam Cormack das gerade recht. Auch wenn er sich bald sicher war, dass die Jungs einen ziemlichen Schuss in der Birne hatten… Nicht nur, dass die selbsternannten Weltretter seekrank wurden, kaum das sich der alte Kutter in Bewegung gesetzt hatte. Sie diskutierten auch über Zeug, das dem grimmigen Seebären Cormack völlig abstrus erschien. Über den Weltfrieden, über durch Bombenexplosion ausgelöste Tsunamis, die spirituelle Einheit von Mensch und Kaktus, darüber, dass den armen Seeottern auf Amchitka von der Wucht der Atombombenexplosion das Trommelfell platzen könnte und – besonders erbittert – über die Frage, wer heimlich die letzte Tafel Schokolade aus der Kombüse weggefressen hatte. Nur, ob ihre wagemutige Aktion sie statt nach Amchitka, nicht geradewegs ins Gefängnis bringen könnte, darüber machten sich die elf Männer kaum Gedanken. Als schließlich die US- Küstenwache den Kutter anhielt, fürchteten jedoch alle das Schlimmste.
Ruhe für Amchitkas Seeotter
Doch die Gruppe kam nur mit einer Geldstrafe davon, wegen Nichteinhaltung der Zollvorschriften bei Einreise in US-amerikanisches Gewässer. Trotzdem: die “Phyllis Cormack” musste zurück nach Kanada. Den Atombombentest hatte die amerikanische Regierung vorsorglich verschoben. Ein Teil der alten Besatzung machte sich mit einem neuen Schiff auf den Weg. Aber sie kamen zu spät. Die Männer waren noch auf hoher See, als am 6. November 1971 die Amerikaner auf Amchitka die Bombe zündeten. Dennoch hatte die Gruppe, die sich später “Greenpeace” nannte, dank intensiv betriebener Pressearbeit, ihren ersten Erfolg zu verzeichnen. Weite Teile der US-amerikanischen und kanadischen Bevölkerung unterstützten ihren Protest. Die amerikanische Regierung geriet leicht unter Druck... Und zumindest auf Amchitka sollte nie wieder ein Seeotter die Detonation einer Atombombe mit anhören müssen!