Ein Meilenstein der Trickfilmtechnik und Walt Disneys persönlicher Lieblingsfilm: "Bambi“, das Reh, das eigentlich ein Hirsch ist… Autorin: Regina Fanderl
Es sind wohl nur die hartgesottensten Zeitgenossen, denen die Tränen nicht wenigstens bis zum Hals steigen, wenn sie an diese traurigen Blicke aus braunen Augen denken. Nach dem Tod der Mutter. Auf der Flucht. Oder beim Abschied vom Vater nach glücklicher Rettung. Die Geschichte zeigt, wie hart das Leben nun mal sein kann! Auch nach glücklicher, sorgloser Kindheit mit ziemlich besten Freunden, herrlichen Abenteuern im Wald, einer großen Liebe kann urplötzlich, wie aus dem Nichts das Unheil auftauchen. Im vorliegenden Fall sind das gnadenlose Jäger, eine verheerende Feuersbrunst, größte Not und Angst. Doch dann endlich die Rettung und ein rosarotes Happy End bei Sonnenaufgang.
Kleiner österreichischer Weißwedelhirsch
Die Rede ist, nein, nicht von einem alpenländischen Heimatfilm mit Heidemarie Hatheyer oder Hansi Hinterseer!
Obwohl… es war tatsächlich ein Österreicher, Felix Salten, der die Novelle 1923 in Wien geschrieben hat - über Bambi, den kleinen Weißwedelhirsch und sein Leben im Walde. Der Welt allerdings viel besser bekannt aus dem Zeichentrickfilm der amerikanischen Walt-Disney-Studios, uraufgeführt am 8. August 1942 in London.
Ursprünglich sollte die Premiere ja im Lincoln-Theater von Damariscotta im Bundesstaat Maine über die Bühne gehen, war aber dann mit Rücksicht auf Jäger, die sich durch ihre Darstellung im Film diskreditiert sahen ins europäische Ausland verlegt worden.
Kriegsbedingt lief der Streifen erst mal nur schleppend. Aber dann ging‘s steil bergauf. In aller Welt begeisterte sich das Publikum nicht nur an der herzergreifenden Lebensgeschichte des entzückenden Hirschkalbs, sondern auch an der Perfektion der Zeichner. Aussehen, Bewegung und Verhalten von Bambi, Wildkaninchen oder Stinktier entsprechen exakt ihren realen Vorbildern. Mimik und Gesten wurden Kleinkindern abgeschaut.
Und erst die Musik! Großes Orchester, dazu viel Chor und Tiergeräusche fast durchgehend, weil die Tiere im Wald nicht recht viel miteinander reden.
Bis heute rangiert Walt Disneys persönlicher Lieblingsstreifen in den Top 50 der erfolgreichsten Filme in den Vereinigten Staaten. Als 2005 die DVD erschien, waren am Abend des ersten Tages über eine Million Exemplare verkauft.
Für den Bambi-Erfinder hat sich der Erfolg wenig ausgezahlt. Felix Salten saß zwar mit Hugo von Hofmannsthal, Hermann Bahr oder Karl Kraus im Wiener Café Griensteidl, unternahm mit Arthur Schnitzler ausgedehnte Fahrradtouren und bandelte mit Adele Sandrock an, damit Schnitzler sie los wurde. Im Gegensatz zu den Kollegen aus dem großbürgerlichem Milieu musste Salten aber von Schreibarbeit leben. Als Journalist - seine Berichte über Skandale am Wiener Hof machten ihn berühmt – und als Roman- und Bühnenautor. Bis heute gilt der jüdisch-stämmige Salten als der Verfasser der fiktiven erotischen Erinnerungen einer Wiener Prostituierten namens Josefine Mutzenbacher!
Ein Reh-Hirsch
Dass es ein Riesenfehler war, die Rechte am millionenschweren Bambi-Stoff an Hollywood zu verkaufen, bedauerte er bis zu seinem Tod in der Schweiz 1945.
Übrigens, am Rande: Bambi ist schuld am im deutschen Sprachraum weit verbreiteten Irrglauben, dass das Reh die Frau vom Hirsch sei. Weil es nämlich in Amerika keine Rehe gibt, wurde aus dem Rehbock Bambi im Film kurzerhand ein junger Hirsch.