Preußische Unternehmer eröffneten 1830 den Vergnügungspark "Tivoli" in Wien. Hauptattraktion waren Rutschen mit Fahrtwindgarantie und mit musikalischer Untermalung vom Walzerkönig. Autorin: Christiane Neukirch
In der Therme Erding wurde kürzlich eine Wasserrutsche für Frauen gesperrt. Der Grund: der Mensch beschleunigt auf der steilen Abfahrt so stark, dass er mit Hochgeschwindigkeit aufs Wasserbecken prallt. Bei ungenügender Körperspannung trifft das Wasser schon mal mit voller Wucht die empfindlichsten Stellen. Das endete für einige weibliche Benutzer im Krankenhaus.
Rutschvergnügen…
Rutschen waren bis weit ins 19. Jahrhundert das Mittel der Wahl, um sich dem Geschwindigkeitsrausch hinzugeben. Motorisierte Verkehrsmittel gab es nicht; und die ersten dampfgetriebenen Eisenbahnen brachten es um 1830 auf eine maximale Reisegeschwindigkeit von 30 km/h. Zum Vergleich: die Erdinger Rutsche ermöglicht Tempo 72.
Wie rasant die Moskauer und Petersburger Bevölkerung im 17. Jahrhundert rutschend unterwegs war, ist nicht überliefert. Bekannt ist, dass dort damals erste Rutschbahnen in Betrieb waren. Eisige Berghänge herunterzurodeln war im frostreichen Russland ein beliebtes Wintervergnügen. Die Großstädter behalfen sich mangels Bergen mit Holzgerüsten am Stadtrand. Die künstlichen Hänge wurden mit Wasser übergossen, das zu Eis gefror. Auf strohgepolsterten Eisblöcken sitzend glitten die Fahrgäste darauf zu Tal. Anfang des 19. Jahrhunderts kamen die Franzosen auf den Geschmack und installierten die ersten Rutschen in Paris. Damit man auch ohne Eis und Schnee seinen Spaß haben konnte, bauten sie Wägen mit Rädern, die auf Schienen talwärts rollten. Das Jahrhundert der Vergnügungsparks brach an.
…im Dreivierteltakt
Zwei Unternehmer aus Preußen hatten die Idee, einen solchen vor den Toren Wiens zu bauen. "Tivoli" nannten sie ihn, nach Pariser Vorbild übrigens – die Franzosen wiederum hatten sich vom italienischen Ort gleichen Namens inspirieren lassen, weil der für seine herrliche Aussicht und Gartenlandschaft berühmt war. Im Wiener Tivoli-Park gab es neben einer Gartenanlage samt klassizistischen Gebäuden eine große vierspurige Rutschbahn. Für eine rausch-unterstützende Musik engagierte das Unternehmerduo den amtierenden Star der Unterhaltungsmusik: Johann Strauß (Vater) mit seinem Orchester. Walzer waren hip und wurden für das Tivoli in Serie gefertigt.
Am 5. September 1830 wurde der Park vom Kaiser persönlich eingeweiht. Werbeplakate von damals zeigen ein rutschendes junges Liebespaar, dem der Fahrtwind die Hüte vom Kopf fegt. Leider nahm der Umsatz nicht im selben Maße zu wie das Tempo beim Rutschen. Vier Jahre lang hielt sich das Unternehmen wacker; dann konnten die Einnahmen die steigenden Betriebskosten nicht mehr decken. Das Wiener Tivoli gibt es heute nicht mehr; aber dafür das Pendant in Kopenhagen, auf dessen Berg-und-Talbahn von 1914 man immer noch nach Herzenslust kreischen kann.