Das BE – einer der bekanntesten Bühnen Berlins, berühmt geworden durch die Stücke seines Gründers Bertolt Brecht, groß geworden durch die starke Frau an dessen Seite: Helene Weigel. Autorin: Justina Schreiber
Sich ums Auto kümmern. Termine koordinieren. Bei den Behörden Anträge stellen. Nachhaken. Reisen planen. Mit der Familie über fünf Staaten in die USA emigrieren. Und nach dem Krieg wieder zurück mit der ganzen Bagage. Unterkünfte finden. Wohnungen einrichten. Umzüge organisieren. Und überall dafür sorgen, dass er ungestört arbeiten kann. Ohne Geld auskommen. Kränkungen schlucken. Beziehungen pflegen und spielen lassen. Die Ausbildung der Kinder einschließlich Stiefsohn im Auge behalten. Das Leid der Welt nicht vergessen. Care-Pakete packen. Kochen, und zwar für alle. Auch für seine jeweiligen "Mitarbeiterinnen". Apropos: Deren Ansprüche eindämmen, besser noch: zurückweisen. Gläser, Tassen, Teller spülen. Über die Verbesserung der Welt nachdenken. Sich mit einem Schlafplatz in der Küche begnügen. Nicht am eigenen Selbstwert zweifeln. Und und und… Zigarettenpausen einlegen.
Helenes Berliner Ensemble
Zweifellos konnte die To-do-Liste dieser engagierten Hausfrau mit der eines Managers konkurrieren. Vor allem logistisch machte ihr keiner was vor. Das wusste auch ihr Mann. Allerdings überließ er ihr die Aufgabe, im Sowjetsektor Berlins eine Bühnentruppe aufzubauen und zu leiten, außerdem so gern, weil er selbst leider gar keine Lust auf den ganzen Orga-Kram hatte. "Das kannst du", sagte Brecht zu Helene Weigel. Und sie sagte: "Na, schön." Als das Berliner Ensemble am 01. September 1949 seine Arbeit aufnahm, war er denn auch gar nicht anwesend, sondern bei den Salzburger Festspielen beziehungsweise in Sachen österreichischer Pass unterwegs. Von wegen also: Brecht, der Theaterleiter. Denn wer suchte die Schauspieler zusammen? Wer besorgte ihnen Ausweise, Wohnungen und Möbel in der zerbombten Stadt? Wer setzte sich mit dem Intendanten des Deutschen Theaters auseinander, bei dem die Gruppe für fünf Jahre Unterschlupf fand, bevor sie ins Theater am Schiffbauerdamm einziehen konnte? Wer ließ ein Bürogebäude mit einer Probebühne ausbauen? Wer also stampfte das wichtigste Schauspielhaus der Nachkriegszeit förmlich aus dem Nichts?
Im Sinne des Erfinders
Nun, es soll hier nicht weiter in die Leier vom Frauenausbeuter Bertolt Brecht eingestimmt werden. Erstens hatte auch er ziemlich viel Stress mit "seinem" Berliner Ensemble, da die SED-Führung (übrigens vergeblich) versuchte, den international renommierten Dramatiker und Regisseur auf die Partei-Linie einzuschwören. Und zweitens: wann bekommt schon eine 49-jährige Frau nach langer, in diesem Fall durch das Exil in der Nazizeit erzwungener Familienphase eine solche berufliche Chance? Möglich, dass er, der notorische Fremdgeher, etwas gut machen wollte. Aber unterm Strich zählte doch, dass das Ehepaar politisch am selben Strang zog. "Wir waren nicht das, was sie wollten, aber sie wollten auch nicht verlieren, was sie mit uns hatten", sagte Helene Weigel, die für 22 Spielzeiten nicht nur mit vollem Einsatz die Intendantin der Truppe gab, sondern – nicht nur nebenbei - als nun wieder gefeierte Schauspielerin dafür sorgte, dass das epische Theater auch nach Brechts Tod im Sinne des Erfinders fortlebte. Noch kurz bevor sie selbst mit knapp 71 Jahren starb, spielte sie, von Lungenkrebsmetastasen gepeinigt, seine Mutter Courage. Eine abgearbeitete Frau mit herben Gesichtszügen, hinter sich den berühmten Karren, an dem die Töpfe baumeln. Mit fester Stimme verweist sie die Menschheit ein letztes Mal auf das, was es vorrangig zu tun gilt.
"Es wird der Tag, doch wann er wird
Hängt ab von mein und deinem Tun
Drum wer mit uns noch nicht marschieret
Der mach sich auf die Socken nun!"