Gemeinnütziger Verbraucherschutz - vertrauenswürdiger als Polizei und Rotes Kreuz. Autor: Herbert Becker
Die superbequeme, dauerhaft punktelastische und im Kern absolut formstabile Sieben-Zonen-Kaltschaum-Matratze - Marke sagen wir nicht - hat ein "Sehr Gut" bekommen. Desgleichen der in den Hochlandlagen Mittelamerikas angebaute italienische Espresso-Kaffee mit dem vollem Aroma und dem leicht nussigen Geschmack. Die ungiftige, geruchlose Klebefalle für Lebensmittelmotten ist nur mit "gut" bewertet worden, aber immerhin.
Von "sehr gut" bis "mangelhaft"
Selbstverständlich, dass jeder Hersteller das "Sehr gut" oder "Gut", mit dem die Stiftung Warentest eines seiner Produkt auszeichnet, gern auf die Verpackung druckt. Damit macht er aber nicht nur Reklame für sich selber, sondern er trägt auch zur Bekanntheit der Stiftung bei. Die ist deshalb auf Werbung angewiesen, weil sie sich in erster Linie durch den Verkauf ihrer beiden Zeitschriften "test" und "Finanztest" finanziert. Zwar schießt ihr der Bund etwas zu, das aber lediglich als Ausgleich dafür, dass sie in ihren Publikationen auf Werbeanzeigen verzichten muss. Sie soll auf jeden Fall unabhängig bleiben.
Außer "sehr gut" und "gut" kann die Stiftung noch die Bewertungen "befriedigend", "ausreichend" und "mangelhaft" vergeben - ganz ähnlich wie ein Lehrer. Und weil die Stiftung diese Noten verteilen kann, kommt ihr eine Stellung zu, die ein wenig an die des Nobelpreiskomitees erinnert. Sie kann gewähren und versagen, und ein jeder hofft, Gnade zu finden vor dem Gremium. Schließlich ist es in der Öffentlichkeit so angesehen, dass die negative Beurteilung eines Produktes für dessen Hersteller einen schweren Schlag bedeuten kann - wenn nicht den Todesstoß.
Wirtschaftswunderkind
Ein kleiner, aber wesentlicher Unterschied zum Nobelpreiskomitee besteht allerdings: Dessen Entscheidungen sind absolut unanfechtbar.
Dagegen, dass die Tester ein Produkt mit "mangelhaft" bewerten, wird immer wieder einmal geklagt. Aber gerade die Klagen sind es, die der Stiftung mitunter die größte Medienresonanz verschaffen. Unvergessen ist der Fall der "Hautnah Face Cream“, die von einer bekannten Schauspielerin - Namen nennen wir wiederum keinen - vermarktet wurde und die in den Gesichter der Testpersonen Jucken, Brennen und rote Flecken hervorrief. Die Klage der Herstellerfirma gegen das schlechte Testergebnis hatte keinen Erfolg; überhaupt bekam die Stiftung Warentest in allen bisherigen juristischen Auseinandersetzungen dieser Art Recht. Sie muss ihre Tests neutral, objektiv, mit Sachkunde und Sorgfalt durchführen, aber welche Prüfmethoden sie dabei anwendet, bleibt ihr überlassen. Dass sie mit anderen Methoden andere Resultate hätte erzielen können, ist kein Argument.
Die Stiftung Warentest ist ein Kind des Wirtschaftswunders. Als das Warenangebot in Deutschland allmählich unübersichtlich wurde, sollte sie dem Verbraucher helfen, sich zurecht zu finden. Am 16. Dezember 1964 nahm sie ihre Arbeit auf, und seitdem hat sie Tausende von Dienstleistungen und Zehntausende von Produkten geprüft.