Nicht nur die Mauer fiel an einem 9. November. Die Pogromnacht der Nazis und der Hitlerputsch vom 9. November disqualifizieren das Datum als offiziellen Feiertag. Autorin: Susanne Tölke
Als am 9. November 1989 die Mauer fiel, war klar, dass Deutschland in Zukunft einen neuen Nationalfeiertag brauchen würde. Nur - der 9. November konnte es nicht sein. Am 9. November 1938 fand die Pogromnacht statt, in der die SS alle Synagogen nieder brannte und die jüdischen Geschäfte verwüstete. Hitler selbst stellte damals den Bezug zum 9. November 1923 her, dem Tag seines missglückten Putschversuchs, bei dem 16 Mitglieder der NSDAP ums Leben kamen. Der erste Schuss war allerdings aus den Reihen der Demonstranten gekommen und tötete einen Polizisten. Daraufhin schoss die Polizei zurück. Der Marsch auf die Münchner Feldherrnhalle ist bekannt, weniger bekannt ist hingegen der Ablauf der Gerichtsverhandlung.
Propaganda von der Anklagebank
Der Münchner Rechtsanwalt Otto Gritschneder stöberte im Bayerischen Hauptstaatsarchiv die alten Akten auf und entdeckte erstaunliche Einzelheiten: Adolf Hitler, der mit neun anderen Putschisten auf der Anklagebank saß, durfte gleich am ersten Verhandlungstag vier Stunden lang reden. Er nutzte sie, um die Weimarer Demokratie und ihre führenden Politiker zu verunglimpfen, ohne dass der Staatsanwalt ihn zur Ordnung gerufen hätte. So lief es auch in den folgenden 23 Tagen der Verhandlung. Die Presse begleitete Hitlers Hasstiraden zum großen Teil ganz unkritisch, oft auch mit Sympathie. Natürlich erkannte der Angeklagte die einmalige Gelegenheit, seine Meinung öffentlich zu machen. Im Schlusswort, das ihm am letzten Tag erteilt wurde, drehte er den Spieß um: Nicht er stand wegen Hochverrats vor Gericht, sondern Reichspräsident Ebert und Ministerpräsident Scheidemann hätten Hochverrat am Volk begangen.
Der Österreicher, der "Deutschlands größter Sohn" sein wollte
Aus den Protokollen geht hervor, dass das Gericht ganz offensichtlich Sympathie für Hitler empfand.
Er durfte stundenlang schwadronieren, ohne dass der Richter ihn je unterbrochen hätte. Auch die vielen Heilrufe aus dem Publikum wurden nie gerügt. Die Urteilsbegründung geriet sogar zur Lobeshymne:
"Das Gericht ist zu der Überzeugung gelangt, dass die Angeklagten bei ihrem Tun von rein vaterländischem Geiste und dem edelsten selbstlosen Willen geleitet waren." Bei soviel vaterländischer Gesinnung mochte das Gericht den Österreicher Hitler nicht ausweisen, wie es das Gesetz eigentlich vorschrieb. Man ließ sich folgendes einfallen:
"Hitler ist Deutsch-Österreicher. Er betrachtet sich als Deutscher. Auf einen Mann, der so deutsch denkt und fühlt, der freiwillig im deutschen Heer Kriegsdienst geleistet und sich durch Tapferkeit vor dem Feinde hohe Kriegsauszeichnungen erworben hat, kann der Paragraph 9 des Republikschutzgesetzes keine Anwendung finden. "Einer immerhin stimmte für die Ausweisung: Der Zweite Staatsanwalt Hans Ehard, der nach dem Krieg mehrmals Bayerischer Ministerpräsident wurde. Aber eine Stimme war zu wenig. Und so konnte Adolf Hitler in die Festung Landsberg ziehen und das Buch "Mein Kampf" schreiben. Nach der Machtergreifung wurde über seiner Zelle eine Bronzetafel angebracht. "Hier hielt ein korruptes System Deutschlands größten Sohn neun Monate gefangen wegen seines Marsches am 9. November 1923."