Eine Frau des Biedermeier beschließt, Schriftstellerin zu werden und eigens Geld zu verdienen. Zehn lange Jahre dauerte es, bis sie Verleger Heinrich Brockhaus schreibt: Es läuft blendend! Autorin: Susanne Tölke
"Soll ein Weib wohl Bücher schreiben,
oder soll sie´s lassen bleiben?
Schreiben soll sie früh und spät,
wenn es für die Armut geht,
wenn sie sonst was Schlecht´res tät,
aber schreiben soll sie nie
wenn durch ihre Phantasie
leidet die Ökonomie!"
Das war die Meinung des Biedermeier zu solch unweiblichen Tätigkeiten wie dem Verfassen von Büchern. Wenn die Ökonomie leidet, wenn das Essen nicht rechtzeitig auf den Tisch kommt, wenn zu Hause nicht alles blitzblank ist, dann gibt es keine Entschuldigung mehr für den schriftstellernden Blaustrumpf. Die wichtigste Aufgabe im Leben der Frau ist es schließlich, Haus und Heim zu pflegen, damit der heimkehrende Gatte sich wohlfühlt.
Mutter am Herd ist was wert …
"Ein jeder auf die Hausfrau blickt,
die hübsch und fleißig näht und strickt.
Wer nichts gelernt und faul gewesen,
verdirbt die Zeit mit Bücherlesen."
Wenn man diese Kalendersprüche aus der Zeit des Vormärz liest, kann man erst ermessen, was es damals für eine Frau bedeutete, ihren Lebensunterhalt als Schriftstellerin zu verdienen. Fanny Lewald, am 24. März 1811 in Königsberg geboren, ging dieses Risiko ein. Schon als Kind war sie nicht so, wie damals kleine Mädchen sein sollten: "Als ich bei Abschluss der Grundschule mein Zeugnis bekam, sagte der Lehrer zu mir: Fanny, Dein Kopf hätte besser zu einem Jungen gepasst! Aber wenn Du eine brave Frau wirst, ist es auch gut! Was für eine schreckliche Bemerkung! "
Ein anderes Schlüsselerlebnis war die Sturheit des Vaters, der sie partout mit einem reiferen gutsituierten Herrn verheiraten wollte:
"Wie überlästig muss ich in unserem Hause sein, wenn der Vater mich zwingen will, unglücklich zu werden, nur um mich nicht mehr versorgen zu müssen!"
Alter egal, wenn gut versorgt
Zu diesem Zeitpunkt beschloss sie, Schriftstellerin zu werden und sich selbst zu ernähren. Zehn lange Jahre dauerte es, bis sie einen Verleger fand. Heinrich Brockhaus brachte zunächst Erzählungen, dann die Romane "Clementine" und "Jenny" heraus. Sie verkauften sich so gut, dass Fanny mit 34 endlich eine eigene Wohnung in Berlin beziehen konnte. Mit 40 hatte sie einen festen Platz in der literarischen Szene erobert: "Mein gutes Fräulein", schrieb Heinrich Brockhaus, "es läuft blendend. Bei uns muss ein guter Roman von Ihnen drei andere schlechte von anderen Autoren mittragen. "Dabei waren Fannys Bücher beileibe keine Gartenlaube-Literatur: Sie schilderte unglückliche Ehen, die aus Pflicht oder Konvention geschlossen worden waren, und kritisierte die gesetzliche Benachteiligung der Frau. Sie schrieb über die Lage der Dienstboten und der Arbeiter und interessierte sich Politik. 1848 fuhr sie nach Paris, um die Revolution mitzuerleben. Sie lebte unabhängig wie ein Mann, und als sie 1855 den nicht sehr erfolgreichen Schriftsteller Adolf Stahr heiratete, war sie es, die einen Ehevertrag forderte. Natürlich liebte sie ihren Gatten über alles, aber der Arme hatte sich ihretwegen von Weib und fünf Kindern getrennt und brachte naturgemäß nur wenig mit in die Ehe. Deshalb bekundete Fanny vor dem Notar: "Zwar finde ich in der Unterordnung unter meinen verehrten Mann und in meinem häuslichen und mütterlichen Berufe mein größtes Glück, doch werde ich mein selbst erarbeitetes Vermögen auch weiterhin selbst behalten und verwalten" - ein ziemlich revolutionärer Satz in jener Zeit.
Dass sie dann doch im Alter bei der Gartenlaube landete, weil die so gute Honorare zahlte, wer wollte es ihr verdenken?