Für die Reihe „Frauen und Sport“ treffen sich Studentinnen aus der Ukraine, Kirgistan und Slowenien in der Redaktion der Augsburger Allgemeinen Zeitung mit Andrea Bogenreuther, einer ehemaligen Studentin der Universität Augsburg, die heute als Sportredakteurin für die Zeitung arbeitet. Im Gespräch spricht Frau Bogenreuther über ihren Weg in den Journalismus und die Öffnung der Sportberichterstattung hin zu weiblichen Redakteurinnen. Außerdem verrät sie, was guten Sportjournalismus eigentlich ausmacht.
Interviewerin: Im Internationalen Sommerkurs 2011 beschäftigen wir uns mit dem Thema
"Frauen und Sport", und auf der neugierigen Seite haben wir heute: Olga aus
der Ukraine – Zhyldyz aus Kirgistan – Sasa aus Slowenien – und Andreja aus
Slowenien, und unsere Gesprächspartnerin ist Andrea Bogenreuther,
Sportredakteurin der Augsburger Allgemeinen Zeitung. Guten Tag!
A. Bogenreuther: Hallo, Grüß Gott.
Interviewerin: Sie haben erwähnt, dass sie gerade hier angekommen sind, was erwartet sie
heute?
A. Bogenreuther: Jetzt ist es 14 Uhr, da beginnt traditionell der Spätdienst in unserer
Sportredaktion. Normalerweise arbeiten wir täglich von 11 bis 19, 19:30 Uhr,
weil die Zeitung eben abends produziert wird. Wir haben aber auch in der
Sportredaktion jeden Tag einen Kollegen, der den Spätdienst machen muss.
Wenn abends noch Sportereignisse sind haben wir so die Möglichkeit, die
Zeitung bis 23 Uhr zu aktualisieren, und das macht dann jeweils der Spätdienst.
Interviewerin: Sie haben gesagt, sie arbeiten schon 15 Jahre als Sportjournalistin. Wie sind sie
eigentlich dazu gekommen?
A. Bogenreuther: Also ich habe in Augsburg Germanistik, Politik und Kommunikationswissenschaft auf Magister studiert und habe aber währenddessen schon immer
für die Zeitung gearbeitet als freie Mitarbeiterin und bei Radio rt.1. Mir war
eigentlich während des Studiums schon klar, dass ich in den Bereich des
Journalismus gehen möchte. Ich habe mich dann hier bei der Augsburger
Allgemeinen um ein Volontariat beworben. Volontariat nennt man die
zweijährige Ausbildung zum Redakteur. Die hab ich dann durchlaufen und mir
hat der Sport immer wahnsinnig gut gefallen. Danach ist die Stelle hier
freigeworden. Mein Chef wollte mich als Frau in der Sportredaktion, weil bis
dahin fast ausschließlich Männer waren und bin ihm bis jetzt geblieben, 15
Jahre lang.
Interviewerin: Sie sind jetzt Sportredakteurin, und in der Sportredaktion arbeiten vor allem
üblicherweise Männer. Wie sieht heutzutage eigentlich die Sportredaktion der
Augsburger Allgemeinen aus?
A. Bogenreuther: Wir haben zwei Sekretärinnen, zehn männliche Kollegen und mich. Und es hat
sich aber schon sehr verändert, mittlerweile ist es normal – es haben sich alle
dran gewöhnt, dass auch mal eine Frau ans Telefon geht. Im ersten Jahr in der
Sportredaktion kam ein Anruf vom Fußball-Verband und ich hatte ihn in der
Leitung. Der Mann hat dann gefragt: "Ist der Herr Schwankert da?" - "Nein, der
hat frei." - "Ja, ist niemand da?" Und da hab ich gesagt: "Doch. Ich!" Ja, aber das
war so. Also einer Frau konnte man damals nicht sagen, worum es geht. Jetzt
muss man sagen, ist es viel breiter akzeptiert. Die rufen an und viele wollen
mittlerweile mit mir sprechen, da hat sich viel geändert. Ich hab’s jetzt eben
auch bei verschiedenen Terminen gesehen, es sind immer Frauen, es wird
normaler. Wobei - wir haben das Verhältnis 10:1 (lacht).
Interviewerin: War es schwer, Autorität unter ihren Männerkollegen zu gewinnen?
A. Bogenreuther: Gar nicht. Ich habe da nie ein Problem, im Gegenteil. Ich war in einer
Mädchenschule, ich kenne das andere Extrem. Man muss lernen, dass Kritik
ganz deutlich und klar einem entgegengedonnert wird, und dann ist es bei den
Männern auch ausgesprochen und erledigt. Bei den Frauen kommt's nach zehn
Jahren nochmal aufs Tablett. Das sind die Jungs nicht. Das funktioniert super
und ich mag meine Kollegen wirklich alle sehr, sehr gern und komme gut mit
ihnen aus.
Interviewerin: In vielen Bereichen haben die Frauen und die Männer verschiedene Ansichten
zur Arbeit. Schreiben sie vielleicht anders über Sport, als ihre Männerkollegen?
A. Bogenreuther: Darüber hab ich schon viel nachgedacht, und ich glaube nicht. Weil warum soll
ich anders schreiben als ein Mann? Beim Fußball oder Schwimmen oder Reiten,
es geht um die gleiche Sache, ich habe den gleichen Wortschatz. Also auch bei
mir ist Abseits Abseits und die Fakten sind alle gleich. Ich drücke mich so aus,
wie es die Situation erfordert. Vielleicht führe ich anders die Gespräche,
vielleicht sieht man als Frau Sachen anders. Aber der Wortschatz und die Art
des Schreibens von Sportberichten glaub ich unterscheidet sich nicht sehr. Die
Rangehensweise eher.
Interviewerin: Kolumnen zum Beispiel, die sind subjektiver.
A. Bogenreuther: Ja, die sind sehr sehr subjektiv, wobei man im Sport immer sehen muss, dass bei
uns die klassische Nachricht - wer, was, wann, wo - (die) will im Sport kaum
jemand lesen. Die wäre für Sportberichterstattung zu langweilig. Wenn wir
Artikel schreiben, sind die meistens mit subjektivem Einschlag. Die Fans, die
wollen ja Stimmung, Emotionen bei so einem Fußballspiel, das muss man ja
alles rüberbringen: Was hat dort stattgefunden, wie sind die aufeinander
losgegangen? Also der Sportbericht hat da so ein bisschen (ein) eigenständiges
Genre. Man muss alles Wichtige drin haben, aber er darf jetzt nicht so nüchtern
sein - da muss schon ein bisschen Pfeffer drin sein.
Interviewerin: Über welchen Sport schreiben sie am meisten, und über welchen am liebsten?
A. Bogenreuther: Also am meisten, das ist wahrscheinlich wie in jeder Sportredaktion: Immer und
überall Fußball. Es sind halt immer die Sportarten, die in Augsburg gerade ganz
groß gespielt werden. Jetzt mit dem Bundesliga-Aufstieg des FCA natürlich steht
Fußball sehr sehr weit oben, dicht gefolgt vom Eishockey. Meine Schwerpunkte,
das wär jetzt Reitsport und Golfen, erstmal weil mir die beiden Sportarten,
dadurch, dass ich sie selber betreibe, sehr nahe liegen. Und zum anderen weil
die anderen Kollegen da jetzt nicht so interessiert sind. Generell gilt bei uns:
Jeder muss alles machen. Wenn meine Kollegen im Urlaub sind: Ich mache
Fußball, Basketball, Volleyball, Schwimmen, Leichtathletik, zur Not
Unterwasserrugby. Es gibt die ausgefallensten Sportarten!
Interviewerin: Wenn sie schon gerade Fußball erwähnt haben: Einer ihrer Kollegen hat sie als
eine Fußballexpertin in einer Kolumne bezeichnet. Wir denken, wenn man über
Sport schreibt, muss man auch im Sport gut sein. Haben sie selbst schon Fußball
gespielt oder...?
A. Bogenreuther: Das ist immer so eine schwierige Sache. Schauen sie sich mal an, wie viele
Journalisten über Frau Merkel schreiben, und keiner war Bundeskanzler. Also
ich muss nicht immer darüber, worüber ich schreibe, das machen oder können.
Meiner Meinung nach ist es wichtig, für diese Menschen, über die wir
schreiben, Verständnis und Interesse zu haben. Und uns dann annähern an die
Geschichte, die wir erzählen wollen. Man guckt sich an: Wie groß ist die
Konkurrenz usw., um das einordnen zu können als Journalist. Das ist ganz
wichtig. Und da muss man ich nicht jede Sportart gekonnt haben. Natürlich ist
es hilfreich - also ich habe Golfen mit aus dem Grund angefangen, dass ich die
Berichterstattung darüber machen musste. Wenn man jetzt aber diesen
Golfsport nicht so wirklich betreibt, hat man keine Ahnung, wie man diese
ganzen vielen Begrifflichkeiten im Deutschen auch wirklich erklären soll. Ich
habe einige Sportarten gemacht: Volleyball, Reiten, Schwimmen, Joggen,
Laufen, was man so tut. Ich bin relativ sportlich.
Interviewerin: Fußball - haben sie das mal trainiert?
A. Bogenreuther: Nein, Fußball hab ich nie gespielt.
Interviewerin: Wie ist es dann dazu gekommen, eine Fußball-Expertin (zu werden)? Das ist in
(der) Männerwelt ein Kompliment!
A. Bogenreuther: Ähm, ja, freut mich auch. Aber das zeigt auch, wie ich von den Kollegen
akzeptiert werde. Beim Fuji-Cup in Augsburg wo (der) FC Bayern mal da war,
habe ich es mit meiner Freundin bis in die Kabine geschafft. Also ich war schon
immer sehr begeisterter Fan, (hab) Fußball angeschaut, und jetzt ist es beruflich
fundiert das Ganze.
Interviewerin: In Augsburg fanden auch Spiele der Frauen-Fußball-Weltmeisterschaft statt.
Kann man Frauenfußball mit dem Männerfußball vergleichen?
A. Bogenreuther: Kann man männliche Leichtathletik mit weiblicher vergleichen? Jedes hat seine
Daseinsberechtigung und es wird immer nur im Fußball diskutiert. Niemand
würde bei einer Sprinterin sagen: "Die läuft nicht so schnell wie ein Mann". Aber
die Frage kommt beim Fußball immer. Lasst die doch einfach spielen und
akzeptiert es so, wie es ist. Es wird nie so schnell werden wie bei den Männern -
aber das ist ja auch nicht der Anspruch. Es ist einfach halt ein Fußballspiel von
Frauen, und das soll es sein. Und es hat viele Fans. Ich hab schon sehr sehr viel
schlechtere Zweitliga-Fußballspiele der Männer gesehen als das ein oder andere
Spiel bei der Frauenweltmeisterschaft.
Interviewerin: Viele Artikel sind auf das Aussehen von Sportlerinnen konzentriert. Ist das fair
gegenüber ihren Sportleistungen?
A. Bogenreuther: Das man optisch das in die Waagschale wirft, was man hat, dagegen hab ich
eigentlich gar nichts. Ich schau jetzt bei einem gut aussehenden Fußballer auch
nicht weg. Warum sollen die Mädels nicht so auftreten. Wir haben Mädchen die
sehr viel Wert auf ihr Äußeres legen, aber wir haben auch Fußballerinen, denen
ist es so was von egal. Wenn sie Spaß dran haben, mein Gott. Das zeigt ja nur,
wie vielfältig die jungen Frauen sind, die Sport treiben. Und ich mein, ein
schöner Hingucker: Wir sind doch alles visuelle Menschen. Wenn ich eine
Zeitung aufschlage und ich habe ein riesengroßes Titelbild, mei, mit einer
hübschen Optik, ist doch klar, dass die anzieht. Sex sells! Das wird immer so
bleiben und wie weit jeder gehen will, muss jeder für sich entscheiden.
Interviewerin: Aber einige Artikel waren sehr auf das Aussehen konzentriert – und sie haben
nichts über die Sportleistungen geschrieben.
A. Bogenreuther: Ja, aber gehen wir jetzt doch mal die Weltmeisterschaft durch: Am Anfang, um
die Aufmerksamkeit für dieses Turnier zu erregen, ja, da hat sich geb ich zu alles
so ein bisschen auch auf die Optik (konzentriert), da war der Sport nicht so
wichtig. Aber im Laufe des Turniers ist es wahnsinnig gekippt, und es hat sich
alles eigentlich aufs Sportliche konzentriert - und vor allem am Schluss, als sie
ausgeschieden sind.
Interviewerin: Dann können wir sagen, dass am Ende (nur) die Resultate zählen?
A. Bogenreuther: Richtig, richtig, am Schluss. Man kann Spannung aufbauen und Interesse und
diese tollen Fotos und alles - aber im Sport am Schluss wird die sportliche
Leistung bewertet. Und das war ganz klar bei dieser Weltmeisterschaft auch so.
Interviewerin: Sie haben geschrieben: "Die größten Aufreger waren die Schiedsrichterinnen.
Sie sollten zumindest merken, wann Fußball Handball wird." Sind sie der
Meinung, dass z. B. die Männer-Schiedsrichter ihre Arbeit besser leisten
könnten?
A. Bogenreuther: Ja, ich denke, Frauenfußball hat eine relativ starke Professionalisierung
erfahren. Die Mannschaften sind schon konditionell, taktisch, technisch einen
Riesenschritt weiter als die Schiedsrichterinnen. Entweder zu wenig Schulungen,zu wenig Kondition, zu wenig Lehrgänge usw. Über zweieinhalb Sekunden hatte
die Spielerin den Ball in der Hand. Und wenn eine Schiedsrichterin auf diesem
Spielfeld das Spiel verfolgt, dann müsste ich das sehen. Dann darf man mal
schreiben, dass hier Aufholjagd geboten ist bei den Schiedsrichterinnen.
Interviewerin: Das war ein Interview zum Thema "Frauen im Sport" mit Andrea Bogenreuther,
Sportredakteurin der Augsburger Allgemeinen Zeitung. Wir möchten uns bei
ihnen dafür bedanken, dass sie so viel Zeit für uns gefunden haben. Vielen
Dank!
A. Bogenreuther: Gern.