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Drei Studierende unterschiedlicher Herkunft – eine Japanerin, ein Bayer und ein Sachse – entdecken bei einem gemeinsamen Frühstück in einer Bäckerei den Dialektreichtum Deutschlands und erfahren Wissenswertes speziell zum Sächsischen, Bayrischen und Schwäbischen.
(Voxpops:) „Fränkisch, Plattdeutsch, Bayrisch… und Schwäbisch finde ich putzig“ – „Ich hör‘ mir
ja immer mal wieder mal auch ein bisschen das Sächsische an, diese Mundartkomiker,
die es da so gibt. Das gefällt mir schon. Aber ganz genauso auch das Bayrische“ – „Ja
mei‘, es ist halt sehr Regionen bedingt, also wir sprechen in Niederbayern anders als
in Schwaben jetzt zum Beispiel. Servus macht‘s es guat, ma‘ siehgt si‘!“ („Tschüs,
macht’s gut, man sieht sich!“)
Erzähler: Augsburg, 8 Uhr. Kayo, Thomas und Rony haben sich am Europaplatz in der Nähe der Uni verabredet. Sie wollen vor der Vorlesung noch gemeinsam frühstücken. Kayo
kommt aus Japan, Thomas aus Bayern und Rony aus Dresden.
Kayo: Guten Morgen!
Thomas: Servus! Und, alles klar?
Rony: Morgen! Ja, alles bestens.
O-Ton: Es gibt im Gebiet nördlich von Bayern und Baden-Württemberg – also im
mitteldeutschen Raum – die Präferenz als Begrüßungsformel „Guten Tag“ zu sagen,
während wir hier im süddeutschen Bereich – in Bayern und in Schwaben und auch
noch in Österreich – eher Formen wie „Grüß Gott“ oder im persönlichen Bereich
auch „Servus“ haben.
Thomas: Also los, auf zum Bäcker!
Bäcker: Grüß Gott, was darf‘s denn sein?
Kayo: Eine Breze bitte
Bäcker: Jawohl! 45 Cent bitte. Bei Ihnen?
Rony: Ein Brätschen (Brötchen) bitte.
Bäcker: Was wollen S‘?
Rony: Ein Brätschen (Brötchen)?
Bäcker: Tut mir Leid, so was ham mer ned. (So etwas haben wir nicht)!
Rony: Aber das ist doch eines!
Thomas: Aah, a (eine) Semmel moanscht (meinst du)!
Bäcker: Sagen S‘ des (das) halt gleich. Bitteschön.
Thomas: Für mich bitte einen Krapfen.
Bäcker: Gern. Schauen S‘, des (das) versteh‘ i (ich). Bitte schön.
Rony: Das ist doch kein Krapfen...
Bäcker: Macht einen Euro bitte. Der nächste bitte.
Thomas: Da ist ein freier Tisch.
Kayo: Und ich dachte, nur ich habe Probleme Deutsch zu verstehen... Aber ihr versteht
euch ja anscheinend gegenseitig nicht! Habt ihr manchmal mehrere Begriffe für
dieselbe Sache?
Thomas: Du weißt doch, Deutschland hat 16 Bundesländer und da gibt es dann eben viele
Regionen mit verschiedenen Dialekten. Deswegen haben wir für dieselben Sachen oft
verschiedene Wörter. Zu einem Brötchen zum Beispiel sage ich „Semmel“ und Rony
sagt „Brötchen“.
Rony: Und was du da gerade isst, Thomas, das ist bei mir zu Hause kein „Krapfen“, sondern
ein „Pfannkuchen“.
Thomas: Was? Pfannenkuchen sind ja wohl wieder was ganz anderes. Wie der Name
„Pfannenkuchen“ schon sagt, macht man die in der Pfanne mit Eiern und Mehl.
Rony: So was heißt bei uns Eierkuchen...
O-Ton: Fälle wie die Unterscheidung zwischen „Krapfen“, „Berliner“ und
„Pfannkuchen“ werden mittlerweile auch dokumentiert. Sprachatlanten gibt es
schon seit Jahrzehnten auch für Dialekte.
Kayo: Ist das kompliziert... Oh Gott, jetzt muss ich auch noch alle deutschen Dialekte lernen,
oder?
Thomas: Naja, wir verstehen unsere verschiedenen Dialekte selbst nicht immer gegenseitig. Es
reicht erst mal, wenn du Hochdeutsch sprechen und verstehen kannst.
Kayo: Ich bin aus Japan direkt nach Augsburg gekommen und habe deshalb noch keinen
anderen außer dir einen ostdeutschen Dialekt sprechen hören. Rony, erzähl doch mal,
etwas über deinen Dialekt.
Rony: Wie du weißt, komme ich aus Dresden. Das ist in Sachsen und deshalb spreche ich
sächsisch. Wir sprechen alle Wörter sehr weich aus und verkürzen sie. Wir sagen zum
Beispiel nicht “haben wir” und “sind wir” sondern “hammer” und “simmer”.
Kayo: „Hammer“ und „simmer“?
Rony: Haha, du darfst den Mund nicht so weit öffnen!
Kayo: „Hammer“ und „simmer“.
Rony: Außerdem sprechen wir das „a“ mehr als „o“ und das „o“ wird zu „u“. Wir sagen also
nicht „Arbeit“, sondern „Orbeit“.
Thomas: Bayrisch ist doch viel schöner! Im Bayrischen wird aus EI OA und EU wird zu EI. Wir
sagen für „Ich weiß!“ „I woaß“, für „ich heiße“ „i hoaß“. Außerdem wird aus IE IA.
Zum Beispiel für „neu“ sagen wir „nei“ und für „lieb“ „liab“. Wir verwenden auch –
wie in vielen Dialekten – keinen Genitiv, also sagen wir: „am Freind sei Vatta“.
Kayo: Wie bitte?
Thomas: „Dem Freund sein Vater“, also im Genitiv: „der Vater des Freundes“
Kayo: Das ist ja lustig! O-Ton: Eine Besonderheit im bayrischen Dialekt – oder man muss eigentlich sagen: in den
meisten bayrischen Dialekten, weil es gibt da wieder unterschiedliche – ist, dass es
hier Diphthonge gibt, die es in anderen Dialekten nicht gibt. Das ist vor allem
„ua“ und „ia“ wie zum Beispiel in dem Wort „Kuah“ oder in „liab“, die im
Hochdeutschen „Kuh“ und „lieb“ heißen. Das sind jetzt keine Diphthonge, die in
diesem Dialekt neu entstanden sind, sondern das sind Diphthonge, die im Mittelalter
schon da waren und sich hier erhalten haben, und in anderen Dialekten oder auch im
Hochdeutschen nicht erhalten haben. Da wurden die einfachen Laute wie „lieb“ und
„Kuh“ daraus, also „i“ und „u“.
Kayo: Erzähl weiter, was gibt es noch?
Thomas: Hm… Die Umlaute „ä“ und „ö“ werden selten gesprochen. Wir sagen nicht “müde”
und „müssen“, sondern „miad“ und „miassen“.
Kayo: In der Bibliothek habe ich mal gehört: „Do gibt‘s koa ander‘s Buach nimma.“
Thomas: Doppelte Verneinung ist typisch für das Bayrische. Das heißt wörtlich übersetzt: „Da
gibt es kein anderes Buch nicht mehr.“ Das „nicht“ braucht man eigentlich nicht, aber
trotzdem sagt man es.
Kayo: Ach so! Was gibt es denn sonst noch für bekannte deutsche Dialekte?
Rony: Oh, da gibt es einige! Zum Beispiel sagen die Berliner, wenn sie von etwas keine
Ahnung haben: „Nüscht Jenauet weeß man nich“ („Nichts Genaues weiß man nicht.“),
und auf Hessisch beschwert man sich mit: „Des find isch ferschterlisch!“ („Das finde
ich fürchterlich!“)
Kayo: Und welchen Dialekt spricht der Bäcker?
Bäcker: Des isch Schwäbisch. Augschburg liegt doch in Schwaba. Aber fei net mit ‘m
Schwäbisch aus Bada-Würterberg verwechsla. Kannsch saga was willsch, Schwäbisch
isch eifach schee! (Das ist Schwäbisch. Augsburg liegt doch in Schwaben – aber fei
nicht mit dem Schwäbisch aus Baden-Württemberg verwechseln! Du kannst sagen
was du willst, Schwäbisch ist einfach schön.)
Thomas: Also Kayo, wie du vom Bäcker so schön hörst, werden im Schwäbischen die
Verbendungen statt „en“ wie „a” ausgesprochen, also statt sagen “saga”, und das
“st” ist immer ein “sch”. Also heißt es statt „willst“ und
„kannst“ „willsch“ und „kannsch”. Das „ö“ spricht man meist als „e“. Also statt
„schön“ „schee“ und statt „blöd“ „bled“. O-Ton: Im Schwäbischen ist es so, dass vor allen Konsonanten ein „s“ immer als
„sch“ ausgesprochen wird. Der Schwabe sagt nicht „das Fest“ sondern „das
Fescht“. Das ist eigentlich im ganzen schwäbischen Raum so, auch in der Schweiz,
also dann eine große Region die diese Besonderheit aufweist. Man könnte auch
sagen, es ist Teil der Regionalsprache. Es gibt natürlich aber auch immer dann solche
lautlichen Erscheinungen, die geographisch sehr begrenzt sind, die vielleicht nur in
einem Ort auftreten. Das sind dann wirklich Sachen, die einen Dialekt ausmachen: Ein
Dialekt im eigentlichen Sinne ist immer was geographisch sehr Begrenztes. Wenn sie
„sch“ vor Konsonant haben, dann ist das möglicherweise auch Teil einer
Umgangssprache, einer regionalen Umgangssprache, die eine geographisch größere
Verbreitung hat.
Rony: Ja Ja, Ihr mit eurem Schwäbisch und Bayrisch… So, genug gefrühstückt, jetzt müssen
wir los, sonst kommen wir zu spät zur Vorlesung.
Erzähler: Ihr seht: Deutsche Dialekte sind so vielfältig wie Deutschland selbst. Die Bewohner
manch verschiedener Regionen verstehen sich untereinander kaum. Oft gibt es
unterschiedliche Namen für das Gleiche und auch die Aussprache unterscheidet sich.
O-Ton: Ein Projekt das die regionalen Umgangssprachen nicht nur hier im süddeutschen
Raum sondern generell im deutschen Gesamtgebiet dokumentiert, ist der
sogenannte „Atlas zur deutschen Alltagssprache“, der vom Lehrstuhl für deutsche
Sprachwissenschaft in der Universität Augsburg gemacht wird, den man auch auf den
Internetseiten der Universität Augsburg unter deutscher Sprachwissenschaft
einsehen kann und an dem man auch selber aktiv teilnehmen kann. Man kann da
selbst Angaben zu seinem eigenen Gebrauch der regionalen Umgangssprache
machen und diese Daten werden dann im Laufe des Jahres ausgewertet. In den
früheren Runden, sind unter anderem auch Karten entstanden, die gerade eben die
regionalen Verteilungen von einzelnen Wörtern wie „Berliner“, „Krapfen“ auch
dokumentieren und darstellen.
Erzähler: Zum Glück haben alle Deutschen aber auch noch eine gemeinsame Sprache: das Hochdeutsch.