Inhalt
Eine Gruppe Austauschstudierender aus Shandong (China) führt Interviews zum Thema Bildung. Diesmal sind sie an höchster Stelle zu Gast - nämlich bei Herrn Hanusch, dem (inzwischen ehemaligen) Vizepräsidenten der Uni Augsburg. Bei diesem Gespräch werden internationalen Beziehungen der Uni Augsburg zu anderen Universitäten thematisiert. Unsere Gäste aus China fragen unter anderem nach den Vorteilen dieser Beziehungen für die Universität Augsburg. Außerdem wollen sie von Herrn Hanusch, der ein Experte asiatischer Kulturen ist, wissen, wo die Unterschiede zwischen deutschen und asiatischen Studierenden liegen.
Interviewer: Hallo, wir sind Austauschstudierende aus China. Für unsere Projektgruppe führen wir
verschiedene Interviews zum Thema Bildung. Heute sind wir zu Gast bei Prof. Dr.
Hanusch, dem Vizepräsidenten der Universität Augsburg. Mit ihm sprechen wir über
seine Arbeit und die Aufgabenfelder als Vizepräsident einer Universität, wie auch
seinen Einschätzungen zu aktuellen Themen.
Welche Tätigkeiten üben sie täglich aus als Vizepräsident?
Herr Hanusch: Ich bin verantwortlich für zwei Bereiche dieser Universität. Das ist zum einen der
Bereich internationale Beziehungen. Der umfasst sowohl die Lehre, wie auch die
Forschung. Also die Kooperationen mit verschiedenen Universitäten auf der ganzen
Welt, also auch mit chinesischen Universitäten oder ihrer Universität in Jinan, der
Shandong-Universität. Und der andere Bereich, für den ich verantwortlich bin, ist der
Bereich Forschung und wissenschaftlicher Nachwuchs. Das ist also auch ein sehr
wichtiger Bereich an einer Universität, weil die Universitäten ja nicht nur in der Lehre
aktiv sind, sondern eben auch in der Forschung.
Interviewer: Welche Kooperationen hat die Universität Augsburg mit den Universitäten Chinas?
Herr Hanusch: Wir haben vor allem mit der Shandong-Universität eine sehr intensive Beziehung, das
zeigt auch ihre Präsenz hier. Wie sind dabei auch noch zu eruieren, in weit wir das
ausdehnen können. Mit der Universität Jinan sind wir im Gespräch in einem Bereich,
der sich auch anbietet und der nicht so viel mit der Studentenausbildung zu tun hat,
sondern mit der Erwachsenenbildung, also „Executive Programmes“ für Leute, die
schon im Beruf stehen und dann vor allem in der Ökonomie oder im ManagementBereich eine zusätzliche Ausbildung haben wollen. Da ist ein Projekt, das sehr
vielversprechend sein könnte, wo sowohl unsere Universität, als auch eine
amerikanische Universität und die Universität Jinan dann zusammenarbeiten würden.
Interviewer: Was sind die Hauptvoraussetzungen, wenn zwei Universitäten miteinander eine
Partnerschaft bilden wollen?
Herr Hanusch: Sie müssen zu einander passen, in gewisser Weise, was das Spektrum der Fakultäten
anlangt; vielleicht auch was die Größe anlangt; vielleicht auch was die regionale oder
zentrale Bedeutung anlangt. Vor allem sind – glaube ich wichtig– auch persönliche
Beziehungen, die zwischen Dozenten oder Professoren bestehen und auf denen man aufbauen kann. Das ist ganz unterschiedlich: Zu manchen Universitäten sind es mehr
die Naturwissenschaften, die hier dominant sind. Bei anderen Universitäten mehr die
Sprachwissenschaften, wo eben Kollegen dann Beziehungen aufgebaut haben. Dann
ist es wieder Management und Ökonomie oder Jura, wie jetzt auch in die
Universitäten in die Türkei oder nach Russland, wo vor allem die juristische Fakultät
sehr aktiv ist im Ausbau solcher Beziehungen.
Interviewer: Über 10% der Studentinnen und Studenten kommen aus dem Ausland. Wie
beurteilen Sie diese Konstellation?
Herr Hanusch: Ich würde sagen: Das ist eigentlich normal. Wenn sie sich die Zahlen der deutschen
Universitäten, also hier in Bayern ansehen, dann sind 10% Anteil von ausländischen
Studenten etwas, was sie wahrscheinlich an anderen Universitäten auch finden. Wir
bemühen uns natürlich diese Zahl zu erhöhen, aber das hängt von vielen Faktoren ab.
Gruppengrößen aus verschieden Ländern wandeln sich auch im Zeitablauf. Wir
hatten also jetzt immer eine starke Gruppe aus China hier gehabt, aber natürlich
auch aus den osteuropäischen Ländern, die früher zur Russischen Föderation
gehörten oder die eben im Warschauer Pakt zusammengefasst waren, die eben dann
versucht haben ihre Studenten nach Deutschland zu schicken. Das Problem immer ist,
dass in dem jeweiligen Land ein Interesse für die deutsche Sprache da sein muss – für
die deutsche Kultur und die deutsche Sprache. Und wenn das nicht der Fall ist, dann
wird es natürlich auch schwierig Studenten aus dem jeweiligen Land zu abtrahieren.
Das trifft insbesondere für Länder zu, in denen Englisch die dominante Sprache ist.
Dazu zählen die skandinavischen Länder, aber natürlich auch Großbritannien selbst.
Interviewer: Als Vizepräsident von dieser Universität, ich glaube, dass sie Experte in Studenten
von verschiedenen Ländern sind. Vielleicht wissen sie den Unterschied zwischen
asiatischen Studenten und deutschen Studenten? Können sie uns etwas davon
erzählen?
Herr Hanusch: Ich habe eigentlich nur Studenten sozusagen als Schüler; als junge Leute vor mir, die
mir zuhören und das wissen wollen, was ich ihnen erzähle und da muss ich sagen,
dass das Interesse eigentlich überall groß ist. Wenn man die richtigen Themen hat
und in den Seminaren die Studenten dann auch zur Mitarbeit überzeugen kann, dann
sind – glaube ich – wenig große Unterschiede da. Was vielleicht einen Unterschied
macht, ist die Beherrschung der deutschen Sprache. Da gibt es schon auch
Unterschiede. Bulgaren oder Ungarn usw. sind sehr sprachbegabt und auch
interessiert an der deutschen Sprache und dadurch auch fähig sich fließend im
Deutschen auszudrücken. Das macht auch einen Unterschied, aber sonst glaub ich,
dass jeder Student, der ins Ausland geht und sich dort beweisen will und beweisen
kann, von seiner Grundveranlagung schon so orientiert ist, dass er sehr zielbewusst
und mit großer Energie und Effizienz an die Aufgaben, die ihm gestellt werden, dann
auch herangeht.
Interviewer: Ich weiß schon, dass die Studenten und Studentinnen in der Universität einen
größeren Schwerpunkt auf Theorie als Praxis legen. Wie bekommen die Studenten
mehr praktische Erfahrungen?
Herr Hanusch: Es gibt zwei verschiedene Ansichten, was Aufgabe der Universität sein soll. Die alte
Ansicht war, die Universität ist eine Institution, an der man das lernen sollte, was
man sonst im Leben nicht lernen kann – in anderen Institutionen. Das heißt sie sollte
ihnen Wissen und eine Art des Denkens beibringen, das sie befähigt in der Praxis
dann Probleme lösen zu können, oder sich in der Praxis grundsätzlich
zurechtzufinden. Bei dieser Ansicht ist man der Meinung, dass es nicht so sehr darauf
ankommt, die Studenten auf ganz bestimmte praktische Tätigkeiten in ganz
bestimmten Firmen oder ganz bestimmten Branchen vorzubereiten, wie es bei einem
Ingenieursstudium unter Umständen der Fall ist. Wir haben diese angewandten
Bereiche ja nicht. Das wären vor allem die Medizin oder die Ingenieurswissenschaft.
Diese sind bei uns ja nicht als Fakultät vertreten. Es gibt eine andere Meinung, die
auch stark vertreten wird von der Industrie und auch der Wirtschaft. Diese sagen, die
Universität sollte ausbilden für den Beruf und speziell wenn die Leute aus der
Universität dann herausgehen, sollten sie fähig sein einen ganz bestimmten Beruf in
der Praxis zu ergreifen. Das ist also die andere Ansicht. Wie Sie vielleicht wissen,
haben wir noch eine Besonderheit in Deutschland: Die Unterscheidung zwischen den
Universitäten und den Fachhochschulen. Die Fachhochschulen, die fast den Status
auch einer Universität haben –als „applied universities“ - die bilden stärker für die
Praxis aus. Wenn sie also stark praxisorientiert arbeiten wollen - stark praxisorientiert
- müssen sie an eine Fachhochschule gehen. Diese bilden allerdings auch aus in
Fächern, die stark praxisorientiert sind: In den Ingenieurswissenschaften, im
Bauwesen oder in solchen Bereichen, wo man sich dann eben schon während der
Ausbildung und durch praktische Tätigkeiten bei Firmen all das aneignen kann, was
man in einem Beruf dann auch benötigt und vor allem das als Berufsanfänger dann
auch sofort umsetzen kann. Bei den Universitäten versuchen wir heute, das verstärkt
auszugleichen, indem wir Praktikantenplätze anbieten und das in manchen
Studiengängen dann auch als Pflicht verlangen, dass man ein halbjähriges Praktikum
macht. Oder sich im Ausland dann ein halbes Jahr aufhält um hier den Bezug zur
praktischen, zur wirtschaftlichen, Realität zu vertiefen.
Interviewer: Haben Sie besonders interessante Erlebnisse während Ihrer Arbeit?
Herr Hanusch: Unsere, meine Arbeit ist eine theoretisch Arbeit – also eine Arbeit mit Bleistift und
Papier oder mit Computer - und eine geistige Arbeit, in der man Ideen hat, aufgreift,
versucht zu verwerten, zu applizieren auf Probleme, die sich heute ergeben aus der
konkreten Welt und dann Fragestellungen abzuleiten, die andere noch nicht
beantwortet haben. Da ist für jeden geistig Schaffenden der größte Genuss, wenn er
irgendeine Idee hat, die neu ist. Wenn er das Gefühl hat, er hat etwas gedacht, was
andere vor ihm noch nicht gedacht haben.
Interviewer: Das ist alles was wir wissen möchten. Vielen Dank für dieses Interview.
Herr Hanusch: Ja, gut. Dankeschön!