Die Zhaozhou-Brücke, auch Anji-Brücke genannt, ist die älteste und zugleich am besten erhaltene Segmentbogenbrücke Chinas. Errichtet vor fast 1.400 Jahren, gilt sie als Meisterstück der chinesischen Architekturgeschichte.
Um den Bau der Brücke rankt sich eine Legende: Der legendäre Baumeister Lu Ban soll sie innerhalb einer einzigen Nacht erbaut haben. Die Einwohner waren davon so begeistert, dass sie das Ereignis ausgelassen feierten. Die Feierlichkeiten erregten im Himmel die Aufmerksamkeit von zwei Unsterblichen, Zhang Guolao und Chai Wangye. Sie stiegen vom Himmel herab und waren gleichfalls schwer beeindruckt. Allerdings wollten sie prüfen, ob die Brücke wirklich so stabil war, wie sie zu sein schien. Also überquerten sie, der eine auf einem Esel reitend, der andere einen Schubkarren schiebend, die Brücke. Und nutzten ihre magischen Kräfte. Zhang Guolao legte Sonne, Mond und Sterne in die Körbe auf dem Rücken des Esels. Und Chai Wangye lud die berühmten fünf Gebirge auf seinen Schubkarren. Als sich die beiden dem Scheitelpunkt nährten, begann die Brücke zu wanken. Lu Ban sprang schnell in den Fluss, um sie abzustützen. Überlieferungen zufolge stammen daher auch die tiefen Radspuren auf der Brücke, die man bis heute sehen kann.
Der wahre Erbauer der Zhaozhou-Brücke aber war Li Chun. Er errichtete die 51 Meter lange und 9,6 Meter breite Brücke während der Sui-Dynastie, zwischen 595 und 605 n.Chr. In mehr als 1.400 Jahren hat sie zehn Überschwemmungen, acht Kriege und mehrere Erdbeben überstanden. Der 87-jährige Architekt Luo Zhewen war Mitglied einer von der Regierung geleiteten Expertengruppe zur Erforschung der Brücke. Eine Szene hat der alte Herr auch nach nahezu 60 Jahren immer noch frisch in Erinnerung.
„Es war Winter im Jahr 1952. Unsere Forschungsgruppe, organisiert vom Amt für Kulturdenkmäler des Kulturministeriums, bestand aus über 20 Leuten. Als wir die Brücke sahen, waren wir alle begeistert und erstaunt. „Wow, großartig!" Ich konnte sie nur aus vollem Herzen bewundern."
Vor dem Bau der Zhaozhou-Brücke waren alle Brückenbogen halbkreisförmig. Li Chun führte den sichelförmigen Brückenbogen in den chinesischen Brückenbau ein. Hätte er die Zhaozhou-Brücke in Form eines Halbkreises gebaut, so wäre sie 20 Meter hoch geworden. Dies ist jedoch viel zu hoch für die tagtägliche Nutzung und Instandhaltung. Durch die Sichelform spannt sich die Brücke nun mit einer Höhe von nur sieben Metern über den Fluss. Zhang Zhiping, eine Expertin für antike Bauten beim chinesischen Forschungsinstitut für Kulturdenkmäler, weiß mehr:
„Früher waren viele in- und ausländische Architekten der Ansicht, dass die Zhaozhou-Brücke doch halbkreisförmig gewesen sein muss. Die Brücke, die man heute sieht, sei bloß ein kleiner Teil davon gewesen. Man dachte, dass sich unter dem Flussbett weitere Teile der Brücke befänden. Durch Ausgrabungen und Vermessungen konnte dies jedoch schnell widerlegt werden."
Mit vier kleineren Bögen über dem Hauptbogen der Brücke, zwei links und zwei rechts, hat Li Chun einen weiteren Durchbruch im Brückenbau erzielt. Dank der kleineren Bögen konnte die Durchflussmenge erhöht und bei Überschwemmungen der Druck auf die Brücke vermindert werden. Wissenschaftliche Untersuchungen haben ergeben, dass durch Li Chuns Design die Gefahr einer Deformation des Hauptbogens gesenkt und die maximale Belastungskapazität sowie die Stabilität der Brücke erhöht werden konnten.
1991 erklärte die Amerikanische Studiengesellschaft der Bauingenieure die Zhaozhou-Brücke zum 12. Meilenstein in der Geschichte des internationalen Bauingenieurwesens. Luo Zhewen erklärt uns, was sie so wertvoll macht.
„Kulturdenkmäler verfügen über drei Werte, einen historischen, einen künstlerischen und einen wissenschaftlichen. Manche Denkmäler weisen einen oder zwei dieser Aspekte auf. Aber die Zhaozhou-Brücke ist in allen dreien wertvoll, und zwar auf Weltklasseniveau."