Ein Jogger fand die Frau, als er seinen morgendlichen Parklauf absolvierte-, sagte der Polizeibeamte zum Hauptkommissar Virtanen, der sich gerade eine neue Zigarette anzündete. Dieser nickte.
-Ist er das?-
Er zeigte auf einen Mann, der in einem Trainingsanzug neben einem Polizeiwagen stand. Man sah ihm an, dass er so schnell wieder nach Hause wollte.
-Ja-, gab der noch junge Beamte, der jetzt auch gerne eine Zigarette geraucht hätte, zur Antwort. Hauptkommissar Virtanen warf einen kurzen Blick zu den Männern der Spurensicherung und zum Polizeiarzt, der auch gerade dazugekommen war und wandte sich dann an seinen Assistenten Pentti Aho.
-Fahren Sie schon ins Präsidium und überprüfen Sie die Papiere der Frau. Ja, Nina Hartonen. Vielleicht ein Freudenmädchen. Ich gehe zu unserem Jogger, dem es wohl auch schon zu lange wird.- Sein Schädel brummte immer noch, trotz des Aspirins, das er genommen hatte.
Er hatte bis spät nach Mitternacht den Geburtstag seines Bruders gefeiert und wie er nach Haus gekommen war, wusste er immer noch nicht. Als ihn heute früh das Telefon weckte, lag er angekleidet auf seinem Bett.
Der morgendliche Parkläufer war schon ein älterer Herr, mit schütterem blonden Haar und einem Bauchansatz, den er wohl herunterlaufen wollte. Er blickte erwartungsvoll auf den Kommissar.
-Ich bin Hauptkommissar Virtanen-, stellte sich dieser vor.
-Und Sie haben also die Frau gefunden.-
Er zog aus seiner Manteltasche einen kleinen Notizblock. Er lächelte.
-Falls Sie sonst etwas bemerkt haben. Und wie ist Ihr Name?- Dieser schluckte.
-Erkki Johansson. Ja, als ich an dem Gebüsch vorbeilief, sah ich zwei Füße hervorragen. Ich dachte zuerst, da läge ein Betrunkener und wollte schon weiterlaufen. Sie wissen ja, hier im Sibeliuspark schläft so mancher seinen Rausch aus.- ´Gesprächig scheint er ja zu sein´, dachte der Hauptkommissar.
- Und dann haben Sie trotzdem nachgeschaut.- Der Mann vor ihm fühlte sich unbehaglich.
-Ja. Irgendwie hatte ich solch ein Gefühl, dass...- Virtanen nickte.
-Verstehe. Und sonst ist Ihnen nichts aufgefallen? Irgendetwas gesehen.?
Und die Leiche haben Sie nicht angefasst?- Der Mann schüttelte seinen Kopf.
-Natürlich nicht!-
Virtanen zog aus seiner Brieftasche eine Karte.
-Hier ist die Adresse des Präsidiums. Kommen Sie morgen früh um neun Uhr dorthin. Dann werden wir noch ein richtiges Protokoll aufnehmen. Reine
Formalität.-
Er lächelte.
-Na, Sie können gehen.-
Der Andere schien sichtlich erleichtert.
-Ja, bis morgen.-
Virtanen nickte und ging zum Polizeiarzt, der neben der Leiche stand und sich einige Notizen machte.
-Nun, Doktor. Können Sie schon etwas Bestimmtes sagen.- Der Polizeiarzt, Pentti Salonen, ein kleines rundes lebhaftes Männchen, dessen rote Nase auf einen Weinliebhaber schliessen liess, zuckte die Schultern.
-Kein Sexualdelikt. Vielleicht ein Versuchter. Doch ihre Kleider sind nicht zerrissen. Auch keine Kampfspuren. Oder ein Überfall aus noch nicht ersichtlichen Gründen. Denn sie wurde nicht beraubt. Sehen sie, die Wunde am Kopf? Sie hat auch zum Tod geführt. Mit aller Gewalt ist er gegen diesen Baum hier geschlagen worden. Ausgerutscht kann die Frau nicht sein. Dann hätte sie höchstens eine Gehirnerschütterung erlitten. Denn hier liegt ein Schädelbruch vor. - Virtanen blickte in das Gesicht der Frau herunter. Den Papieren nach, war sie knapp über dreißig.
-Und wie lange ist sie tot?
Der Polizeiarzt zuckte die Schultern.
-Jetzt im Moment kann ich es nicht genau sagen. Doch so drei Stunden. Oder auch vier.- Virtanen blickte auf seine Uhr. Es war jetzt kurz vor halb acht.
-Also so zwischen drei und vier Uhr.-
Er wandte sich an den Leiter der Spurensicherung.
-Und was habt ihr?-
Der Leiter der Gruppe, Harry Holmén hob wie bedauernd seine Hände.
-Nicht viel. Doch immerhin Abdrücke von Schuhen hier gleich am Baum.- Virtanen nickte.
-Na, ist wenigstens etwas. Um vier Uhr ist Lagebesprechung.- Bevor er zum Präsidium fuhr, hielt er noch an einer Apotheke und kaufte ein Schachtel Aspirin.
Die tägliche Nachtmittagsbesprechung brachte zunächst auch nicht viel.
Außer dass Nina Hartonen in der Tat ein Freudenmädchen gewesen war. In ihrer Handtasche fand man ein Notizbuch mit verschieden männlichen Adressen. Und dann hatte man das Foto mit den Abdrücken der Schuhe.
-Na, dann an die Arbeit, Jungens. Und mal sehen, wer von den Herren am ehesten nervös wird-, munterte Virtanen die Anderen auf.
-Bleiben Sie noch hier-?
fragte Aho, als die anderen schon gegangen waren.
Virtanen nickte.
-Ich muss über etwas nachdenken.-
Als Aho den Raum verlassen hatte, nahm Virtanen das Foto mit den Schuhabdrücken in die Hand. Es schienen italienische Schuhe zu sein. Morgen würde man mehr wissen. Er stand auf und trat ans Fenster und blickte auf den Hof. Für einen Augenblick stand er so da. Plötzlich durchzuckte es ihn. Er ging, als hätte man ihn getrieben zum Tisch, setzte sich und zog seine Schuhe aus. Auch er trug italienisch. Er nahm das Foto zur Hand. Angespannt verglich er die Schuhsohlen seiner Schuhe, mit denen des Fotos. Sie stimmten überein. Und winzige Spuren von brauner Erde, waren in den Rillen zu sehen.
Dieselbe braune Erde, wie im Park.
Er atmete schwer und in seinem Kopf begann es zu hämmern. Langsam erhob er sich und ging wieder zum Fenster.
´Wo war ich in der Nacht, als ich meinen Bruder verließ?´ Für den Bruchteil einer Sekunde stand ein vages Bild vor seinem geistigen Auge, dass sofort wieder verschwand.
´An irgendetwas muss ich mich doch erinnern.´ Nein, so sehr er sich anstrengte. Die Stunden waren aus seinem Gedächtnis verschwunden. Doch es gab ein Foto, ein verräterisches Foto, welches dieselben Abdrücke aufwies, wie seine Schuhe. Er stand da wie gelähmt. Und konnte sich nicht entscheiden.
Gegen Abend kam nochmals Aho ins Büro zurück.
-Na-, sagte er erstaunt.
-Sie sind immer noch hier.-
Virtanen erhob sich schwer.
-Fühle mich nicht wohl. Werde jetzt nach Hause gehen. Und was habt ihr herausgefunden?-
Aho strahlte.
-Habe einige- er hob das Notizbuch des Freudenmädchens triumphierend in die Höhe,
- für morgen aufs Präsidium bestellt. Fühlen sich alle nicht wohl in ihrer Haut. Hab ein gutes Gefühl.- Virtanen klopfte Aho auf die Schultern.
-Ja. ich werde nach Hause gehen. Hab immer noch die verdammte Kopfschmerzen.-*