1
Das Wichtigste war der Zeitplan. Ein perfekter Zeitplan. Ein perfekter Mord.
2
"Sven, ich möchte, dass du am Mittwochmorgen um 07:00 Uhr in meine Praxis kommst. Noch vor der Arbeit. Ich öffne für Dich etwas früher. Wir werden dann ein CTG - eine Cardiotokographie - durchführen, um deine Herzfrequenz aufzuzeichnen. Das ist eine Standarduntersuchung, die ich all meinen Patienten ab 40 empfehle"
3
Sein Blick war bereits bis zu den sanften Rundungen ihrer Hüften hinunter gewandert. während seine rechte Hand zart dem Verlauf ihres nackten Rückens folgte. Sie räkelte sich leicht in den weichen Kissen und lächelte ihn versonnen an.
"Wann wirst Du es ihm sagen, Cora?" fragte Sven und blickte ihr dabei fest in ihre großen Haselnussaugen.
"Bitte, gib mir noch etwas Zeit, ich muss noch einige Dinge mit dem Notar besprechen. Wenn alles gut läuft, bekommt Karl keinen Cent. Bisher ahnt er bestimmt nichts, er ist viel zu sehr mir seiner Praxis beschäftigt".
"Ist das nicht verrückt? Wir wohnen hier Tür an Tür und während Dein Mann zur Praxis fährt, musst Du nur über den Flur huschen um im Bett Deines Liebhabers zu landen?" lächelte Sven.
"Du Schuft" hauchte Cora, während Sie sich ganz auf den Rücken drehte und ihn erwartungsvoll anblickte.
4
Karl streichelte fast sanft über den Lauf der Pistole. Er war zufrieden. Gleiches Kaliber, gleiches Baujahr, eine perfektes Duplikat seiner kleinkalibrigen Sportwaffe.
Er legte das Duplikat in die Tragetasche und versteckte seine eigentliche Sportwaffe in der Nachttisch-Konsole. Selbst wenn seine Frau sie finden sollte, würde sie keinen Verdacht schöpfen.
5
Sven hatte an diesem Dienstag Abend Aufsicht auf dem Schießstand. Als Übungsleiter gehörte das zu seinen Aufgaben.
"Verdammt, wieder rechts oben", schimpfte Karl. "Sven, kannst Du mal einige Schüsse mit der Waffe abgeben. Liegt's an mir, oder muss ich die Pistole neu kalibrieren?".
Sven runzelte kurz die Augenbrauen, erklärte sich dann aber bereit, mit der aufgelegten Waffe einige Schüsse zur Probe abzugeben.
Über die elektrische Seilzuganlage holte er anschließend die Präzisionsscheibe zu sich: alle drei Schüsse waren relativ zentral nahe der 10.
Karl lächelte. "Tja, dann werd ich wohl doch erst mal einen Schluck Zielwasser trinken". Vorsichtig legte Karl die Waffe zurück in die Tragetasche.
6
Mittwochmorgen
6:30 Uhr.
Sie war mit ihm aufgestanden, aber sie hatten beim Frühstück kein Wort miteinander gewechselt. Er hatte sich absichtlich in die Zeitung vertieft, wo er seinen Gedanken nachhing.
Karl warft Cora einen letzten Blick zu, während er die Wohnungstür hinter sich zuzog
Wie immer, steigt Karl in den Aufzug und fährt zur Tiefgarage. Dort steht sein 3-er Coupe.
Aber heute führt seine Fahrt nur um den nächsten Häuserblock. Er parkt sein Auto auf einem großen Supermarktparkplatz, der um diese Zeit völlig verwaist ist. Schnellen Schrittes begibt er sich zurück zu seiner Wohnanlage.
06:40 Uhr
Als Sven sich in seinen braunen Ford Mustang setzt, um zur Praxis seines Arztes und Schützenbruders Karl zu fahren, ist ihm etwas mulmig zu Mute. Ob Karl doch etwas von seiner Affäre mit Cora gemerkt hatte?
Aber Sven schüttelt den Gedanken wieder von sich. Er startet den Wagen und fädelt sich schließlich in den einsetzenden Berufsverkehr ein.
06:50 Uhr
Dachte Cora wirklich, er sei so blöd und hatte nichts gemerkt? Sie war so unvorsichtig und hatte von ihrem Telefon seine Nummer gewählt und sie hatte sogar den Schlüssel von Svens Wohnung an ihrem Schlüsselbund. Es war ein leichtes, einen Nachschlüssel herzustellen.
Jetzt öffnete Karl vorsichtig die Tür zu Svens Wohnung.
Langsam trat er ein. Er ging zum Telefon und wählte ihre Nummer.
Cora griff zum Hörer und hielt ihn an ihr Ohr. Aber am anderen Ende der Leitung war es still. "Hallo, wer ist da?" Keine Antwort. Cora schaute auf das Display.
Das war doch die Nummer von Sven …
Sie trat auf den Flur hinaus und schaute zur Wohnungstür von Sven. Die Tür war nur angelehnt.
Langsam trat sie herein. "Sven?!" "Sven, bist Du da?". Sie ging weiter zur Schlafzimmertür. War das eine seiner Überraschungen?
Als sie in das Schlafzimmer eintrat, war das letzte was sie sah, das Mündungsfeuer einer Pistole.
Karl schaute auf die Tote. Aber er empfand kein Mitleid.
Um 07:15 Uhr kam die Putzfrau. Wie jeden Mittwoch, ging sie zur erst in die Wohnung von Sven.
07:30 Uhr
Perfekt. Er war in der Praxis. Noch vor seiner Assistentin Simone. Sie traf um 07:45 Uhr ein. Karl begrüßte sie mit einem Lächeln.
"Alles klar Chef, war ihr 7:00 Uhr-Termin schon da?"
"Nein", hat sich wohl verspätet, bemerkte Karl.
Vor seinem geistigen Auge stellte sich Karl vor, wie Sven um 07:00 Uhr an einer verschlossenen Praxistür gestanden hatte und nach einiger Zeit des Wartens wieder umgekehrt war. Kein Alibi mein Lieber. Die Polizei wird die Leiche in Deinem Schlafzimmer finden. Die Waffe in Deinem Kleiderschrank. Die Schmauchspuren der Waffe an Deinen Händen und an Deiner Kleidung.
Perfekter Zeitplan. Perfekter Mord.
7
Laut Polizeibericht überquerte Martha B. um 06:50 Uhr Ecke Blumenaustraße / Nelkenweg den Fußgängerüberweg, obwohl die Ampel rot war.
Beim Versuch auszuweichen, knallte der braune Mustang in eine Reihe parkender Autos. Der Fahrer, Sven G. wurde nur leicht verletzt.