Zum notwenigen Übel auf Reisen zählen Besuche im Waschcenter. Schließlich fliege ich nicht Tausende von Meilen, um mich vergnügt vor eine Waschtrommel zu setzen. Allerdings habe ich bei meinem letzten USA Urlaub dazugelernt: Es kommt auf das Publikum an!
Nachdem sämtliche sauberen Unterhosen und T-Shirts verbraucht waren, hatten mein Mann und ich keine Wahl. Bewaffnet mit zwei Tüten Schmutzwäsche machten wir uns auf die Suche nach einer "Loundry". Am Pacific Beach von San Diego, einer der Surferhochburgen, gibt es sie wie Sand am Meer und kurz nach Sonnenuntergang standen wir vor einer Waschmaschine. Im Rauschen der Trommeln suchten wir uns die sympathischste aus und machten uns an die Arbeit. Hatte ich mich in den Tagen davor immer über nervige Vierteldollars aufgeregt, war ich jetzt dankbar für jeden, den ich in meinem Portemonnaie fand. Waschmaschinen lieben Vierteldollars und schlucken Unmengen davon. Mein Vorrat reichte für eine Maschine Weißwäsche inklusive Waschmittel. So tauschte ich Silberdollars gegen Soda und fütterte den Automaten mit Kleingeld. Norbert stand fasziniert vor der Riesentrommel und beaufsichtigte unseren Waschvorgang, als die Show begann:
Durch den Hintereingang tänzelte der Enkel von Fred Astaire im lässigen Surf-Outfit in den Salon, im Schlepptau seine Gespielen: Ein Double von ihm und die weibliche Nebenrolle, ein Mädchen mit asiatischem Einschlag, ebenfalls im Surf-Outfit. Als Requisiten hatten sie drei Körbe Schmutzwäsche dabei. Wir versäumten ihren Auftritt mit Applaus zu belohnen und so gingen sie in die Offensive: Fredis Enkel begrüßte meinen Mann wie einen alten Freund, fragte ihn, wo er her käme und kannte natürlich "good old Germany". Mir schmiss er quer durch den Salon freundliche Blicke zu und tänzelte leichtfüßig von einer Trommel zur nächsten, um zu sehen, wo der mitgebrachte Berg Wäsche hineinpasste. Die beiden Nebendarsteller - nicht minder freundlich - probierten mehrere Varianten zur Befüllung: Alles in eine Maschine - ging nicht, zu viel Wäsche! Alles in zwei Maschinen - ging nicht, zu viel Wäsche! Die Hälfte in eine XXL-Maschine, den Rest auf zwei normale Trommeln verteilt - kam gerade so hin, obwohl die XXL nicht gerade betriebsfreundlich gefüllt war. Es quoll noch der eine oder andere Fetzen Stoff aus der Maschine - aber darum konnte sich Fredi nicht mehr kümmern - das war Aufgabe seiner Statisten. Garniert wurde diese Aktion von allen Dreien mit flatternden Spaßetitüden und tänzelnden Bewegungen. Wir, das Publikum, wurden in das Schauspiel durch Blicke und Zurufe in das Geschehen mit eingebunden.
Konkurrenz hatten die Drei lediglich durch den Fernseher in der oberen Ecke des Salons. Hier wurden die tollsten Wellen des Tages gezeigt. Neben mir hatte ein weiterer Akteur mit seinem Fahrrad Platz genommen und starrte fasziniert auf den Bildschirm. Er stöhnte bei jedem Sturz, der auf der Mattscheibe gezeigt wurde. Die kleinen Punkte, die dort auf den Wellen zu sehen waren, kannte er wahrscheinlich alle persönlich. Vielleicht war er auch selber dort zu sehen, und ich erkannte ihn nur nicht. Jedenfalls berichtete er mir ausführlich, wie schmerzhaft es sei, wenn man so zu Fall käme, wie gerade im Fernsehen gezeigt. Er wies auf einige Stellen an seinem Körper hin, die wohl schon schlimme Verletzungen erlitten hatten. Ich bemühte mich durch mitfühlendes "Ahh!" und "Ooh!" zu signalisieren, dass ich seine Blessuren würdigte.
Jedenfalls konzentrierten wir uns voll auf die Wellen, während Waschgang von meinem Gatten bewacht wurde. Mein neuer Surf-Freund hatte vorsichtshalber gar keine mitgebracht. Insofern kamen keine störenden Faktoren hinzu. Lediglich "Fred and friends" machten Konkurrenz mit ihren Life-Auftritten. Es wäre schade gewesen, wenn wir nach Beendigung unseres Weiß-Wäscheganges diesen Ort hätten verlassen müssen. Also entschloss ich mich kurzerhand, ein paar Dollarscheine zu wechseln, um auch noch die Buntwäsche zu waschen. Wo bekommt man schließlich für so wenig Geld soviel Entertainment geboten?
Es war unser Glück, denn hätten wir uns anders entschieden, wäre uns der zweite Akt des Life-Dramas entgangen. Surf-Fredi packte seine gewaschene Wäsche aus und wurde plötzlich vom Sunnyboy zum Despoten, als er aus dem untersten Teil der Trommel den zusammengewaschenen Rest seines Rucksackes hervorzog - wer hatte den dort hinein getan? Ich war mir sicher, dass er ihn selber in die Maschine gepackt hatte - aber er beschloss kurzerhand, dass sein Asia-girl dafür verantwortlich war, schnauzte sie an und zeigte sich äußerst genervt. Anscheinend kannte sie es nicht anders und nahm die Schelte klaglos hin. Phänomenal! Ich vergaß die Surfer im Fernsehen und widmete mich dem überschäumenden Wellengang im Waschsalon. Fasziniert beobachteten wir die schauspielerischen Leistungen der Akteure. Mein Fernseh-Surfer hatte genug Surfer gesehen, schnappte sich sein Fahrrad und machte sich wieder auf den Weg. Unser zweiter Wäschegang hatte sich trocken getümmelt und wir packten unsere saubere Wäsche ein. Gerne hätten wir die Fortsetzung der Life-Soap-Opera erlebt - doch der Rest unseres Urlaubes erforderte keinen dritten Wäschegang - schade…