1. Ehre Vater und Mutter.
Was der Vater will,
Was die Mutter spricht,
Das befolge still.
Warum? frage nicht!
Anon.
2. Des Kindes Spiel.
Vögel, die nicht singen,
Glocken, die nicht klingen,
Pferde, die nicht springen,
Pistolen, die nicht krachen,
Kinder, die nicht lachen —
Wer hat Freud' an solchen Sachen?
Blumauer.
3. Vergiß mein nicht.
Es blüht ein schönes Blümchen
Auf unsrer grünen Au',
Sein Aug' ist wie der Himmel
So heiter und so blau.
Es weiß nicht viel zu reden,
Und alles, was es spricht,
Ist immer nur dasselbe,
Ist nur: »Vergiß mein nicht!«
Hoffmann.
4. Du bist wie eine Blume.
Du bist wie eine Blume,
So hold und schön und rein;
Ich schau' dich an, und Wehmut
Schleicht mir ins Herz hinein.
Mir ist, als ob ich die Hände
Aufs Haupt dir legen sollt',
Betend, daß Gott dich erhalte
So rein und schön und hold.
Heine.
5. Kind und Buch.
Komm' her einmal, du liebes Buch;
Sie sagen immer, du bist so klug.
Mein Vater und Mutter, die wollen gerne,
Daß ich was Gutes von dir lerne;
Drum will ich dich halten an mein Ohr;
Nun sag' mir all deine Sachen vor.
Was ist denn das für ein Eigensinn,
Und siehst du nicht, daß ich eilig bin?
Möchte gern spielen und springen herum,
Und du bleibst immer so stumm und dumm?
Geh', garstiges Buch, du ärgerst mich,
Dort in die Ecke werf' ich dich.
Hey.
6. Pflücke Rosen, wenn sie blüh'n.
Pflücke Rosen, wenn sie blüh'n,
Morgen ist nicht heut'.
Keine Stunde laß' entflieh'n.
Flüchtig ist die Zeit.
Leb' der Freude! sieh', es ist
Heut' Gelegenheit.
Weißt du, wo du morgen bist?
Flüchtig ist die Zeit.
Aufschub einer guten That
Hat schon oft gereu't.
Fröhlich leben ist mein Rat.
Flüchtig ist die Zeit.
Langbein.
7. Der Schöpfer.
Wer hat die Blumen nur erdacht,
Wer hat sie so schön gemacht,
Gelb und rot und weiß und blau,
Daß ich meine Lust dran schau'?
Wer hat im Garten und im Feld
Sie so auf einmal hingestellt?
Erst war's doch so hart und kahl,
Blüht nun alles auf einmal.
Wer ist's, der ihnen allen schafft
In den Wurzeln frischen Saft,
Gießt den Morgentau hinein,
Schickt den hellen Sonnenschein?
Wer ist's, der sie alle ließ
Duften noch so schön und süß,
Daß die Menschen, groß und klein,
Sich in ihren Herzen freu'n?
Wer das ist und wer das kann
Und nicht müde wird daran?
Das ist Gott in seiner Kraft,
Der die lieben Blumen schafft.
Hey.
8. Vom Auge.
Es sind zwei kleine Fensterlein
In einem großen Haus,
Da schaut die ganze Welt hinein,
Die ganze Welt heraus.
Ein Maler sitzet immer dort,
Kennt seine Kunst genau,
Malt alle Dinge fort und fort
Weiß, schwarz, rot, grün und blau.
Dies malt er eckig, jenes rund,
Lang, kurz, wie's ihm beliebt.
Wer nennet all' die Farben und
Die Formen, die er giebt?
Ein Zaub'rer ist's, ich sag' es kühn,
Denn alles, was der Schoß
Der Erde faßt, das malt er hin
Aufs Fleckchen linsengroß.
Auch was der Hausherr denkt und fleht,
Malt er ans Fenster an,
Daß jeder, der vorüber geht,
Es deutlich sehen kann.
Und freut der Herr vom Hause sich,
Und nimmt der Schmerz ihn ein,
So zeigen öfters Perlen sich
An beiden Fensterlein.
Ist schönes Wetter, gute Zeit,
Da sind sie hell und lieb,
Doch wenn es stürmet, fröstelt, schneit,
Da werden sie gar trüb.
Und geht der Hausherr einst zur Ruh',
Nicht braucht er dann ein Licht;
Da schlägt der Tod die Laden zu,
Und ach! das Fenster — bricht.
Castelli.
9. Die wandelnde Glocke.
Es war ein Kind, das wollte nie
Zur Kirche sich bequemen,
Und Sonntags fand es stets ein Wie,
Den Weg ins Feld zu nehmen.
Die Mutter sprach: Die Glocke tönt,
Und so ist dir's befohlen,
Und hast du dich nicht hingewöhnt,
Sie kommt und wird dich holen.
Das Kind es denkt: Die Glocke hängt
Da droben auf dem Stuhle.
Schon hat's den Weg ins Feld gelenkt,
Als lief' es aus der Schule.
Die Glocke, Glocke tönt nicht mehr,
Die Mutter hat gefackelt.
Doch welch ein Schrecken hinterher!
Die Glocke kommt gewackelt.
Sie wackelt schnell, man glaubt es kaum;
Das arme Kind im Schrecken
Es läuft, es kommt, als wie im Traum',
Die Glocke wird es decken.
Doch nimmt es richtig seinen Husch,
Und mit gewandter Schnelle
Eilt es durch Anger, Feld und Busch
Zur Kirche, zur Kapelle.
Und jeden Sonn- und Feiertag
Gedenkt es an den Schaden,
Läßt durch den ersten Glockenschlag
Nicht in Person sich laden.
Goethe.