In dem ersten Jahre der Vermählung seiner Tochter Manbane hatte Astyages einen Traum: es war ihm, als wenn aus dem Schoße seiner Tochter ein Weinstock wüchse, welcher sich über ganz Asien ausbreitete. Nachdem er auch diesen Traum den Traumdeutern vorgelegt, ließ er seine Tochter, welche der Geburt nahe war, aus Persien zu sich kommen und genau bewachen, indem er das Kind, welches sie gebären würde, aus dem Wege zu räumen beschlossen hatte. Denn die Traumdeuter unter den Magiern verkündigten, daß der Sohn seiner Tochter an seiner Statt die Herrschaft erlangen würde. Dieses suchte Astyages zu verhüten; daher ließ er, als Cyrus geboren wurde, den Harpagus, einen von seinen vertrauten Bedienten und den getreuesten unter den Medern, welchem er alles anvertraute, rufen und sagte zu ihm: Mein Harpagus, das Geschäft, welches ich dir auftrage, verrichte ja nicht saumselig; hintergehe mich nicht; erwähle keinen andern, damit du nicht künftig selbst dir einen Nachteil zuziehst. Nimm den Knaben, welchen Mandane geboren hat, trage ihn in dein Haus und bringe ihn um; hernach begrabe ihn, wie du willst. Er antwortete: Du hast zwar, o König, an diesem Manne niemals etwas dir Mißfälliges wahrgenommen; doch werden wir uns hüten, jemals deine Befehle zu überschreiten. Willst du, daß diese Sache so geschehen soll, so muß ich meinen Dienst sorgfältig dabei erweisen.
Auf diese Antwort empfing Harpagus das Knäbchen in einem Totenkleide und ging weinend nach seinem Hause; er erzählte seiner Gemahlin alles, was Astyages mit ihm gesprochen hatte. Sie sagte zu ihm: Was bist du denn willens zu tun? Nicht, antwortete er, was mir der König befohlen hat; wenn er auch unsinnig werden und noch ärger wüten sollte, als er jetzt wütet, werde ich doch seinem Willen nicht folgen und mich zu dieser Mordtat gebrauchen lassen; anderer Ursachen, die mich davon abhalten, nicht zu gedenken, ist der Knabe mein Anverwandter, und Astyages ist schon alt und hat keinen männlichen Erben. Kommt nun nach seinem Tode die Regierung an seine Tochter, was habe ich anders als die größte Gefahr zu erwarten? Um meiner Sicherheit willen muß das Kind sterben; aber es muß einer von des Astyages' Leuten und nicht einer von den meinigen sein Mörder werden.
Nach dieser Unterredung schickt er gleich einen Boten an den Kuhhirten des Astyages, von dem ihm bekannt war, daß er die Hut auf Triften und Bergen habe, welche am meisten mit wilden Tieren angefüllt wären, deswegen er in dieser Sache am besten zu gebrauchen sei. Sein Name war Mitradates. Er lebte mit einer Weibsperson, die neben ihm diente, als mit einer Ehefrau; sie hieß nach der griechischen Sprache Kyno, das ist Hündin, nach der medischen Spako: denn einen Hund nennen die Meder Spaka. Der Fuß des Gebirges aber, wo dieser Hirte das Rindvieh hütete, ist auf der Mitternachtsseite von Ekbatana und gegen das Schwarze Meer zu. Denn auf dieser Seite ist Medien, gegen die Sappierer zu, sehr gebirgig und hoch und mit Wäldern bedeckt, das andere medische Land aber ganz eben. Als der Kuhhirte dem Befehl gemäß unverzüglich ankam, sagte Harpagus zu ihm: Astyages befiehlt dir, dieses Kind zu nehmen und es auf den einsamsten Berg zu bringen, daß es daselbst auf das geschwindeste umkomme. Er hat mir zugleich befohlen, dir zu sagen, wenn du es nicht umbringen, sondern auf einige Weise erhalten würdest, so wolle er dich des ärgsten Todes sterben lassen: mir ist anbefohlen, das weggelegte Kind zu sehen.
Nach angehörtem Befehle nahm der Hirte das Kind, ging seinen Weg zurück und kam in seiner Hütte an. Die Frau, welche den ganzen Tag in der Geburt gearbeitet hatte, ward eben zu gutem Glück entbunden, als der Hirte in die Stadt gegangen war. Sie waren beide füreinander in Sorgen: er bekümmerte sich wegen der Geburt der Frau; die Frau aber, weil Harpagus wider Gewohnheit ihren Mann hatte rufen lassen. Als er aber zurück und zu ihr kam und sie ihn unverhofft sah, fragte sie ihn zuerst, warum ihn Harpagus so schleunig habe kommen lassen. Er sagte: Liebe Frau, als ich in die Stadt kam, sah und hörte ich, was ich lieber nicht möchte gesehen haben, und wünschte, daß es unserm Herrn nicht widerfahren möchte. Das ganze Haus des Harpagus erschallte von Heulen und Schreien; ich wurde bestürzt und ging hinein. Sobald ich hineingekommen, sehe ich ein Knäbchen liegen, welches zappelt und schreit und mit Gold und einem bunten Kleide geschmückt ist. Als mich Harpagus sah, befahl er mir, das Kind unverzüglich zu nehmen, wegzutragen und es auf einen Berg wegzulegen, der wegen der wilden Tiere am unsichersten wäre; er sagte dabei, Astyages trage mir dieses auf und drohe mir alles Unglück, wenn ich den Befehl nicht vollzöge. Ich nahm das Kind, trug es fort in der Meinung, es gehöre einem von den Hausgenossen; niemals hätte ich gedacht, daß es von solchem Geschlechte sei. Ich erstaunte aber, da ich sah, daß es mit Gold und Kleidern geschmückt sei, und ich überdies das Geheule in dem Hause des Harpagus wahrnahm. Unterwegs erfahre ich die ganze Sache von einem Diener, welcher mich aus der Stadt begleitete und mir das Kind in die Hand gegeben hatte; daß nämlich das Kind ein Sohn der Mandane, der Tochter des Astyages, und des Kambyses sei, und daß Astyages befohlen habe, dasselbe umzubringen. Siehe hier ist es.
Wie er dieses sagte, deckte er das Kind auf und zeigte es. Als sie das Kind sah, welches groß und schön war, weinte sie, umfaßte die Knie ihres Mannes und bat inständig, das Kind durchaus nicht wegzusetzen. Er sagte, es stehe nicht bei ihm, anders zu handeln, denn es würden Kundschafter aus des Harpagus Hause kommen und darauf lauern; er würde aber schmählich sterben, wenn er den Befehl nicht vollzöge. Wie sie nun den Mann nicht bewegen konnte, tat sie zum andern diese Vorstellung: Wenn ich dich nicht bewegen kann, ihn nicht wegzusetzen, und notwendig ist, daß man sehe, er sei ausgesetzt worden, so will ich dir diesen Vorschlag tun: ich habe auch ein Kind geboren, aber ein totes Kind; dieses trage fort und setze es weg. Das Kind aber von der Tochter des Astyages wollen wir als unser eigenes erziehen. So wird man dich nicht ertappen, daß du deinen Herrn hintergangen, und wir werden uns selbst nicht übel raten. Denn das tote Kind wird ein königliches Begräbnis erlangen, und das erhaltene wird sein Leben nicht verlieren.
Dem Hirten schien die Frau recht wohl nach den Umständen zu reden, und er tat gleich, was sie für gut befand. Den Knaben, welchen er gebracht hatte, ihn zu töten, übergibt er seiner Frau; seinen toten aber legt er in das Gefäß, in welchem er den andern gebracht halte. Er legte ihm den ganzen Schmuck des andern an, trug ihn auf den einsamsten Berg und legte ihn daselbst hin. Den dritten Tag aber nach der Aussetzung des Kindes ging der Hirte in die Stadt, ließ aber einen seiner Hirtenknechte zum Wächter desselben zurück. Er kam in des Harpagus Haus und sagte, daß er bereit sei, den toten Leib des Kindes zu zeigen, Harpagus schickte die getreusten von seinen Trabanten, ließ durch dieselben zusehen und des Hirten Kind begraben. Dieses wurde begraben, das andre aber, welches nach diesem Cyrus genannt worden, nahm das Weib des Hirten, zog es auf und gab ihm einen ganz andern Namen als den Namen Cyrus.
Als der Knabe zehn Jahre alt war, machte ihn folgende Begebenheit bekannt. Er spielte in dem Dorfe, wo die Herden standen: er spielte mit andern seines Alters auf dem Wege, und die spielenden Knaben erwählten zu ihrem Könige eben diesen, welcher dem Namen nach des Hirten Sohn war. Er verordnete, daß einige unter denselben Häuser bauen, andre aber Trabanten sein sollten. Einer mußte das Auge des Königs sein; einem andern aber gab er das Amt, Bericht von allem abzustatten, und trug also einem jeden ein Geschäft auf. Einer aber von den mitspielenden Knaben, welcher ein Sohn des Artembares, eines angesehenen Webers, war, tat nicht, was ihm von dem Cyrus aufgelegt war; daher befahl dieser den Knaben, ihn zu greifen. Da ihm die Knaben gehorchten, strich ihn Cyrus sehr hart mit der Peitsche. Sobald als er losgelassen war, bezeigte er einen großen Unwillen über dieses Verfahren, welches ihm sehr unanständig wäre. Er kam in die Stadt und beklagte sich bei seinem Vater mit Schmerzen über das, was ihm von dem Cyrus widerfahren sei. Er nannte ihn aber nicht Cyrus (denn diesen Namen hatte er noch nicht), sondern des Hirten des Astyages Sohn. Artembares ging in vollem Zorne zu dem Astyages, führte den Sohn mit sich und sagte, man sei feindselig mit ihm umgegangen. So werden wir, sprach er, o König, von deinem Knechte, dem Sohne des Hirten gemißhandelt. Dabei er ihm denn die Schultern seines Sohnes zeigte.
Als Astyages dieses gehört und gesehen, wollte er den Knaben, um der Ehre des Artembares willen, strafen und ließ deswegen den Hirten und den Knaben zu sich rufen. Nachdem sie beide angekommen, sah Astyages den Cyrus an und sagte: Hast du dich als der Sohn eines solchen Mannes unterstanden, mit dem Sohne eines Mannes, der bei mir in dem höchsten Ansehn steht, so unbillig und hart umzugehen? Er versetzte: Ja, Herr, das habe ich mit Recht getan. Denn die Knaben aus dem Dorfe, unter welchen auch dieser war, machten mich im Spiele zu ihrem Könige; denn ich schien ihnen hierzu am geschicktesten zu sein. Die andern Knaben vollzogen meine Verordnungen; dieser aber war ungehorsam und kehrte sich nicht an mich, deswegen empfing er sein Recht. Bin ich nun darum einiger Strafe wert, so bin ich hier bereit dazu.
Als der Knabe dieses sagte, meinte ihn Astyages zu kennen: es kam ihm vor, als wenn er ihm in der Gesichtsbildung ähnlich wäre, seine Gebärden und Stellung schienen ihm zu freimütig zu sein, die Zeit der Aussetzung aber mit dem Alter des Knaben übereinzustimmen. Er wurde darüber bestürzt und schwieg eine Zeitlang stille. Da er sich kaum wieder etwas gefaßt hatte, sagte er (weil er den Artembares fort haben wollte, damit er den Hirten allein ausforschen könnte): Artembares, ich will schon machen, daß dein Sohn nicht weiter soll zu klagen haben. Den Artembares ließ er also von sich, den Cyrus aber führten die Diener auf Befehl des Astyages hinein. Den Hirten, welcher ganz allein zurückgeblieben, fragte Astyages, wo er den Knaben bekommen und wer ihm denselben gegeben hätte. Er gibt zur Antwort: er sei von ihm gezeugt, und die ihn geboren, sei noch bei ihm. Astyages aber sagt: er rate sich nicht wohl und habe Lust, sich in große Not zu stürzen. Zugleich gibt er den Trabanten ein Zeichen, ihn zu greifen. Wie er sich nun in Gefahr sieht, entdeckt er die wahre Beschaffenheit der Sache. Er erzählt sie vom Anfange bis zum Ende nach der Wahrheit und bittet demütig um Vergebung. Nachdem der Hirt die Wahrheit entdeckt hatte, machte Astyages um seinetwillen nicht viel Wesens mehr. Aber mit dem Harpagus war er sehr übel zufrieden und ließ ihn durch die Trabanten rufen. Als er kam, fragte ihn Astyages: Auf was für Weise hast du, Harpagus, das Kind, welches meine Tochter zur Welt brachte, und das ich dir übergab, hingerichtet? Weil Harpagus sieht, daß der Hirt zugegen ist, sucht er sich nicht mit einer Unwahrheit zu behelfen, damit er nicht gefangen und derselben überführt werde; sondern er erteilt diese Antwort: Mein König, nachdem ich das Knäbchen empfangen hatte, ging ich mit mir zu Rate, wie ich deinem Sinn gemäß handeln und bei dir ohne Schuld sein und mich weder an dir, noch deiner Tochter vergehen möchte. Ich fing es so an: ich lasse diesen Hirten kommen und übergebe ihm das Kind mit dem Vorgeben, es sei dein Befehl, dasselbe umzubringen. Ich log mit diesen Worten nicht: denn du hattest es befohlen. Ich übergebe es ihm also auf diese Weise und befehle ihm, es auf einen unbewohnten Berg zu setzen und so lange dabei zu bleiben und achtzuhaben, bis es gestorben sei. Ich bedrohte ihn dabei mit der härtesten Strafe, wenn er nicht dieses alles genau vollstreckte. Als nun dieser alles, wie es ihm befohlen worden, getan und das Kind gestorben war, schickte ich die getreuesten Beschnittenen, ließ durch dieselben zusehen und das Kind begraben. So ist es, o König, mit der Sache ergangen, und das ist die Todesart des Kindes.
Harpagus ließ dabei seinen Unwillen deutlich merken. Astyages aber verbarg den Zorn, welchen er dieser Sache wegen gegen ihn hegte, und erzählte die Sache, wie er sie von dem Hirten gehört hatte, dem Harpagus. Nach dieser wiederholten Erzählung ging er so weit, daß er sagte, der Knabe sei noch am Leben, und es sei gut, daß die Sache so gegangen sei. Denn, sprach er, ich bekümmerte mich sehr über das, was dem Knaben widerfahren, und es war mir empfindlich, daß ich bei meiner Tochter deswegen im Verdacht stand. Da sich nun das Spiel so glücklich umgekehrt hat, so schicke mir für das erste deinen Sohn zu diesem neuen Ankömmling: fürs andere, weil ich für die Erhaltung des Prinzen den Göttern, welchen diese Ehre gebührt, ein Dankopfer bringen will; so stelle dich bei mir zu der Mahlzeit ein.
Harpagus warf sich zu den Füßen des Königs nieder und schätzte sich sehr glücklich, daß sein Verbrechen als ein Wohlverhalten angerechnet und er wegen des glücklichen Ausganges zu der Mahlzeit eingeladen würde. In diesen vergnügten Gedanken geht er nach Hause und schickt unverzüglich seinen einzigen Sohn, welcher höchstens dreizehn Jahre alt war, fort mit dem Befehl, nach dem königlichen Schlosse zu gehen und alles zu tun, was ihm Astyages befehlen werde. Er selbst erzählte voller Freuden seiner Gemahlin, was ihm begegnet sei. Als aber der Sohn zu dem Astyages kam, schlachtete er denselben, zerlegte ihn gliederweise und ließ das Fleisch zum Teil braten, zum Teil kochen und hielt es wohlzugerichtet zum Essen bereit. Zu der Zeit des Abendmahls fand sich nebst anderen Gästen auch Harpagus ein. Den anderen Gästen und dem Astyages selbst wurde ein Tisch voll Schöpsenfleisch vorgesetzt, dem Harpagus aber alles von seinem Sohne, den Kopf, die Hände und die Füße ausgenommen. Diese waren besonders in einen Korb gelegt und zugedeckt. Als nun Harpagus von der Speise satt zu sein schien, fragte ihn Astyages, ob ihm die Mahlzeit wohl geschmeckt habe; und nach der Versicherung, sie habe ihm sehr wohl geschmeckt, brachten die, welchen es anbefohlen war, den bedeckten Kopf und die Hände und Füße des Knaben; sie traten zu dem Harpagus und befahlen ihm aufzudecken und zu nehmen, was ihm beliebte, Harpagus gehorcht, deckt auf und sieht den Überrest seines Sohnes. Bei diesem Anblick wird er nicht bestürzt und bleibt bei sich selbst. Astyages aber fragte ihn, ob er wüßte, von welchem Wildbret er gegessen habe. Er sagte ja, und es sei ihm alles, was der König tue, angenehm. Nach dieser Antwort nahm er auch das übrige Fleisch und ging nach Hause, wo er dasselbe, wie ich dafürhalte, zusammen begraben wollte.
Das war die Strafe, mit welcher Astyages, den Harpagus belegte. Wie er aber wegen des Cyrus bei sich zu Rate ging, berief er eben die Magier, welche ihm den Traum ausgelegt hatten. Er fragte sie, wie sie das Gesicht auslegten. Sie antworteten ihm wie zuvor und sagten, der Knabe müsse als König regieren, wenn er am Leben bleibe und nicht vorher stürbe. Der Knabe, versetzte er, ist wirklich da und lebt noch; und da er sich auf dem Lande aufhielt, haben ihn die Knaben aus dem Dorfe zum Könige gemacht. Er aber hat in allen Dingen so gehandelt, als wenn er wirklich ein König wäre. Er bestellte Trabanten, Türhüter, Referenten und andere Bediente und führte eine ordentliche Herrschaft. Was meint ihr nun, wohin dieses alles ziele? Die Magier sagten: Wenn der Knabe noch lebt und hat, ohne vorher darauf zu denken, als König regiert, so mache dir seinetwegen keine Sorgen und sei guten Muts; denn er wird nicht wiederum regieren. Denn einige unserer Weissagungen haben ihren Ausgang in Kleinigkeiten genommen; und was auf Träume folgt, ist oftmals was Geringes. Astyages versetzte darauf: Ich bin selbst, ihr Magier, fast ganz dieser Meinung, nachdem der Knabe den Namen eines Königs geführt, sei der Traum ausgegangen und wegen des Knaben nichts mehr für mich zu befürchten. Doch erteilt mir nach reiflicher Überlegung einen Rat, was für mein Haus und euch selbst das Sicherste sei. Hierauf sprachen die Magier: O König, es liegt uns selbst viel daran, daß dein Reich fest bestehe. Denn es wird sonst ganz verändert, wenn es auf diesen Knaben fällt, der ein Perser ist. Wir Meder werden alsdann Knechte und bei den Persern als Fremde nichts geachtet. Bleibst du aber als unser Landsmann König, so regieren wir zum Teil mit und haben bei dir hohe Ehrenstellen. Also müssen wir allerdings für dich und dein Reich alle Vorsicht gebrauchen. Entdeckten wir also etwas Schädliches, so würden wir es dir frei heraus sagen. Nun aber, da der Traum auf ein Spiel ausgelaufen ist, sind wir selbst unbesorgt und ermahnen dich gleichfalls, unbesorgt zu sein; diesen Knaben aber vor deinen Augen wegzutun und nach Persien zu seinen Eltern zu schicken.
Über diesen Bericht freute sich Astyages; er rief den Cyrus und fagte zu ihm: Mein Sohn, ich habe dir wegen eines unrecht verstandenen Traumes unrecht getan, aber dein Glück hat dich erhalten; nun gehe also fröhlich nach Persien, wohin ich dich will bringen lassen. Du wirst daselbst Vater und Mutter finden, nicht solche, als Mitradates, der Hirte, und als seine Frau ist. Mit diesen Worten schickte Astyages den Cyrus fort.
Als er zurückkam, nahmen ihn seine Eltern auf und nach erlangter Nachricht umarmten sie den herzlich, von dem sie in der gewissen Meinung standen, daß er gleich gestorben sei. Sie erkundigten sich, auf welche Weise er erhalten worden. Er sagte, vordem habe er es nicht gewußt und sei in dem größten Irrtum gewesen, unterwegs aber habe er alle seine Widerwärtigkeit erfahren; er habe geglaubt, er sei der Sohn eines Hirten des Astyages; auf der Reise aber habe er die ganze Sache von denen, die ihn hergebracht, vernommen. Er meldete, daß er von dem Weibe des Hirten erzogen worden und lobte dieselbe ohne Unterlaß. In allen seinen Reden gedachte er der Kyno. Diesen Namen ergriffen die Eltern und brachten, damit die Perser denken sollten, er sei von Gott auf eine besondere Weise erhalten worden, die Rede aus, den ausgesetzten Cyrus habe ein Hund ernährt. Daher ist diese Rede verbreitet worden.
Als aber Cyrus zu einem männlichen Alter gelangte und unter allen seines Alters am tapfersten und beliebtesten war, sandte ihm Harpagus oftmals Geschenke, indem er auf Rache gegen den Astyages gedachte; denn er sah nicht, wie er sich für sich als eine Privatperson an dem Astyages rächen könnte. Weil aber Cyrus erwachsen war, nahm er ihn zum Gehilfen, indem er die Widerwärtigkeiten des Cyrus mit seinen eigenen in Vergleich stellte. Überdies beförderte er sein Vorhaben folgendergestalt: Weil Astyages gestrenge mit den Medern verfuhr, machte sich Harpagus an einen jeden unter den vornehmsten Persern insbesondere und beredete sie, man müsse den Cyrus hervorziehen und den Astyages zu der Niederlegung der Regierung zwingen. Nachdem er diese Anstalten gemacht und alles zu seinen Absichten bereit war, wollte er sein Vorhaben dem Cyrus, welcher in Persien lebte, kundmachen; weil ihm aber dieses schwerfiel, indem die Straßen bewacht wurden, fiel er auf folgenden Anschlag. Er schnitt den Bauch eines Hasen auf, schnitt aber nichts von demselben weg und steckte einen Brief hinein, in welchem er seine Meinung aufgesetzt hatte. Den Bauch des Hasen nähte er wieder zu, gab ihn nebst einem Garn dem getreuesten unter seinen Bedienten, einem Jäger, und schickte ihn so nach Persien mit dem Befehl, wenn er den Hasen dem Cyrus übergäbe, ihm mündlich zu sagen, er solle ihn mit eigenen Händen eröffnen und niemand dabei zugegen sein lassen. Alles dieses wurde ausgerichtet, Cyrus nahm den Hasen und öffnete denselben; er fand den Brief und darinnen diese Worte: Du Sohn des Kambyses, auf dich sehen die Augen der Götter; denn sonst wärst du nicht zu solchem Glücke gelangt; räche dich nun an dem Astyages, deinem Mörder. Denn nach seinem Willen warst du tot, durch die Götter und durch mich lebst du noch. Ich glaube, daß du schon längst alles erfahren hast, wie man mit dir umgegangen sei und was ich darum von dem Astyages gelitten, weil ich dich nicht umgebracht, sondern dem Hirten übergeben habe. Willst du mir nun Gehör geben, so wirst du über das ganze Land, welches Astyages beherrscht, die Herrschaft erlangen. Denn hast du die Perser bewogen, abzufallen, so gehe wider die Meder zu Felde. Nun mag ich von dem Astyages zum Feldherrn wider dich bestellt werden oder ein anderer vornehmer Meder, so wird die Sache nach deinem Wunsche gehen. Denn diese werden zuerst abfallen und ihn zu stürzen suchen. Weil nun alles in Bereitschaft ist, so greif die Sache an und greif sie bald an.
Nach Lesung dieses Briefes überlegte Cyrus, wie er die Perser auf die klügste Weise zum Abfall bewegen möchte. Bei der Überlegung fand er, es sei am besten, auf folgende Art zu verfahren. Er schrieb in einen Brief, was er wollte, und hielt eine Versammlung der Perser. Darauf eröffnete er den Brief, las ihn und sagte: Astyages ernenne ihn zum Heerführer der Perser. Nun, sprach er, befehle ich euch, daß ein jeder mit einer Sichel erscheinen soll. Dieses war der Befehl des Cyrus. Es sind aber viele Stämme der Perser; die aber, welche Cyrus versammelte und welche er beredete abzufallen, waren folgende, von welchen die anderen alle herkommen: nämlich die Arteater, die Perser, die Pasargader, die Meraphier, die Masier. Unter diesen sind die Pasargader die vornehmsten, unter welchen auch der Stamm der Achämeniden ist, von welchem die persischen Könige abstammen. Andere Perser sind die Panthelaer, Derusiäer, Germanier, und zwar sind alle diese Ackerleute; die anderen aber treiben die Viehzucht, nämlich die Daer, Marder, Dropiker, Sagarter.
Als sich diese insgesamt mit dem, was ihnen befohlen war, versammelt hatten, befahl ihnen Cyrus, eine dornige Gegend in Persien, welche sich auf achtzehn bis zwanzig Stadien erstreckte, in einem Tage auszuroden. Nach vollbrachter Arbeit bestellte er sie, auf den folgenden Tag rein und geputzt zu erscheinen. Unterdessen ließ Cyrus alle Ziegen, Schafe und Rinder seines Vaters zusammentreiben, schlachten und zurichten, um das Kriegsvolk zu bewirten, wozu auch Wein und andere Speisen angeschafft waren. Den folgenden Tag kamen die Perser an, er befahl denselben, sich auf einer Wiese zu lagern und gab ihnen ein Gastmahl. Als sie von demselben aufstanden, fragte sie Cyrus, ob ihnen der vorige oder gegenwärtige Tag besser gefiele? Sie antworteten, es sei zwischen beiden ein großer Unterschied: der vorige Tag habe ihnen lauter Mühe, der gegenwärtige aber lauter Vergnügen gemacht. Bei diesen Worten nahm Cyrus Anlaß, die ganze Sache zu entdecken. Ihr tapferen Perser, sagte er, so steht es mit euch: Wollt ihr mir folgen, so habt ihr dieses und tausendfältig anderes Vergnügen zu erwarten, ohne einige knechtische Arbeit zu verrichten: wollt ihr nicht, so müßt ihr unzählige Arbeit und Mühseligkeit, wie an dem gestrigen Tage, ertragen. Folget mir also und laßt euch zu freien Leuten machen. Denn es scheint, daß ich durch eine göttliche Schickung dazu geboren sei, euch dieses Glück in die Hände zu geben; und ich halte euch für Männer, die so wenig im Kriege als in anderen Dingen schlechter als die Meder sind. Fallet demnach bei diesen Umständen ohne Anstand von dem Astyages ab.
Die Perser, welchen schon längst die Herrschaft der Meder beschwerlich gewesen, ließen sich gern in die Freiheit setzen, da sie einen Anführer bekamen. Astyages aber schickte auf die Nachricht von den Unternehmungen des Cyrus an denselben und ließ ihn zu sich fordern. Cyrus befahl den Abgeordneten, dem Astyages zu berichten, er würde eher zu ihm kommen, als er es verlangte. Hierauf bewaffnete Astyages alle Meder und machte, als wenn er von Gott mit Blindheit geschlagen wäre, den Harpagus zum Feldherrn über dieselben; indem er vergaß, was er an dem Harpagus getan hatte. Als nun die Meder mit den Persern in ein Treffen gerieten, fochten zwar einige, welche von den Absichten des Heerführers nicht unterrichtet waren, andere aber gingen zu den Persern über; die meisten aber hatten keine Lust zu fechten und begaben sich auf die Flucht.
Astyages bekam von dieser schändlichen Zerstreuung der medischen Armee gar bald Nachricht und sagte mit Drohungen gegen den Cyrus: Es soll dennoch dem Cyrus nicht gelingen. Darauf kreuzigte er erst die Traumdeuter unter den Magiern, welche ihm geraten hatten, den Cyrus fortzulassen. Nachdem bewaffnete er alle Meder, die in der Stadt zurückgeblieben waren, junge Leute und alte Männer; er führt sie aus und liefert den Persern ein Treffen, wird aber überwunden, selbst gefangen und verliert alle Mannschaft, die er ausgeführt hatte.
Zu dem gefangenen Astyages kam Harpagus und frohlockte über sein Unglück; er griff ihn mit den schmählichsten und empfindlichsten Worten an und gedachte unter anderen der Mahlzeit, bei welcher er ihm das Fleisch seines Sohnes zu essen gegeben habe, und sagte ihm, daß er um deswillen das Königreich mit der Knechtschaft vertauscht habe. Astyages sah ihn an und fragte ihn dagegen: Ob er das Unternehmen des Cyrus als sein Werk erkenne? Harpagus sagte ja, er habe deswegen an ihn geschrieben und ihm sei das Werk mit Recht zuzuschreiben. Astyages aber bewies ihm, er sei der unbesonnenste und unbilligste unter den Menschen: der unbesonnenste, indem er hätte können König werden, wenn er die Sache für sich selbst hätte angefangen, und habe doch einem anderen die Gewalt in die Hände gegeben; der unbilligste, weil er um der Mahlzeit willen die Meder in die Knechtschaft brächte: hätte ja ein anderer die königliche Herrschaft notwendig haben sollen und er selbst sie nicht verlangt, so wäre es doch billiger gewesen, einem Meder als einem Perser diese Würde zu geben; nun wären die Meder, ohne Schuld an der Sache zu haben, aus Herren Knechte, die Perser aber, welche Knechte der Meder gewesen, Herren geworden.