Nach wenigen Tagen langte Schlupps in einer Stadt an, die er noch nie gesehen, fuhr durch Gassen und Straßen mit hochgegiebelten Häusern, spitzen, steilen Kirchtürmen, bog über brunnendurchrauschte Plätze und verwunderte sich schier, wie viel Pracht und Herrlichkeit es gab. Dann kehrte er mit seiner Kutsche in einem Wirtshaus ein, wo der Wirt ihn sorgsam musterte.
»Was habt Ihr an mir zu sehen, guter Freund?« fragte Schlupps. »Verzeiht Herr,« gab der Wirt zur Antwort, »wenn ich Euch neugierig scheine; aber kann mir’s nicht erklären, wie jemand, der das Aussehen eines Herrn hat, [84]so armselig gewandet sein kann; überlegte deshalb, woher der Herr wohl angereist käme.«
»Da habt Ihr recht,« erwiderte Schlupps, dem es jetzt auffiel, wie ganz anders er aussah, denn die Bürger, die in der Wirtsstube saßen. »Wißt, ich bin weit herum gekommen in entlegenen Gegenden, wo man nicht alles zu kaufen vermag, wie bei Euch. Deshalb bin ich hierher gefahren, um alles anzuschaffen, was mir nottut und kann Euren Rat wohl brauchen. Wollt Ihr mir jetzt mein Zimmer zeigen?« Und als der Wirt ihn dahin führte, zog er rasch seine Geldsäcke heraus und sprach: »Sagt mir, Herr Wirt, ist mein Zimmer ganz sicher vor Dieben? Denn wißt, ich habe viel Geld bei mir und muß mich auf Euch verlassen können.« Damit warf er die Beutel auf den Tisch, daß es dröhnte.
Der Wirt versicherte ein Mal über das andere, daß seine Truhen und Türen feste Schlösser hätten und empfahl sich mit vielen Verneigungen. Der Fremde mit der großen Geldkatze erschien ihm auf einmal nicht mehr ärmlich gekleidet, sondern nur ein wenig absonderlich. Das machte, daß der goldene Grund durch die abgeschabten Stellen des Anzuges hindurch leuchtete. Er nahm sich vor, den Gast sehr liebevoll zu verpflegen, damit der einen großen Teil seines Geldes bei ihm verzehre.
Andern Tages fragte Schlupps seinen Hausherrn nach einem Schneider und wurde zu einem gewiesen, der gar berühmt sei und sein Handwerk gut verstehe. »Meister,« sagte der Fremde, als er eintrat, »richtet Euch nicht nach [85]dem Kleide, das ich anhabe. Wenn man unerkannt in der Welt herum kommen will, muß man ein schlichtes Aussehen haben. Dann betrachten die Menschen uns als ihresgleichen und fassen Zutrauen zu uns. Habt Ihr eines oder zwei Kleider, wie sie mir passen und wohl anstehen würden, so zeigt sie mir.«
Der Schneider schloß aus dieser Rede, daß er einen vornehmen Herrn vor sich habe, der sich einmal unbekannt unter den Menschen bewegen wolle, wie große Herren zuweilen solche Launen überfallen. Meinen sie doch im tiefsten Herzen, daß die Menge schon spüren werde, wer vor ihnen steht, verwundern sich oft sehr, daß keiner fühlt und weiß, wer sie in Wahrheit sind. Das kommt daher, daß sie im schlichten Kleide oft weniger Verstand haben, als in dem prächtigen Anzug, den sie sonst gewohnt sind. In dem besseren Gewande klingt jedes Wort heller und klüger und findet auch mehr Beachtung als bei einem schlichten Bauers- oder Bürgersmann.
So glaubte der Schneider, der neue Kunde habe das Einfachsein über und wolle jetzt so daher kommen, wie es sich für seinen Stand schicke und sprach darum: »Ihr kommt zu gelegener Zeit, Herr. Ein junger Graf hatte bei mir zwei Kleider bestellt, eines für jeden Tag aus braunem Tuch, sauber und schön gemacht, und eines für Feste, aus dunkelrotem Sammet mit Barett und Feder. Er gab mir den Stoff dazu, den er weit her aus Italien hatte kommen lassen. Da schickte ihn des Kaisers Majestät mit einem Auftrag fort, hin zum türkischen Sultan in wichtiger Botschaft, [86]und so schnell mußte die Reise vor sich gehen, daß mein Herr Junker die Kleider nicht abwarten konnte.« »Muß ihm sehr arg gewesen sein,« wandte Schlupps ein. »War nicht so schlimm für ihn. Bedeutete es doch ein ehrenvolles Amt, und des Kaisers Gnaden hatten ihn hinlänglich mit Geld versehen, daß er sich anderen Ortes kaufen konnte, was sein Herz begehrte. So ließ er mich rufen und sagte: ›Meister, ihr habt mich immer gut bedient und wenn ich Euch nicht zahlen konnte, nie gemahnt und gedrängt; auch manchmal die Kreide auf der Schuldtafel gespart. So behaltet die Stoffe. Ich schenke sie Euch. Könnt sie wohl gelegentlich verwerten. Weil aber die Kleider schon nach seinem Maß zugeschnitten waren, machte ich sie fertig. Er ist Eures Wuchses, und es könnte sein, daß Euch beide Gewänder passen. Wollt einmal probieren.‹«
Und siehe da! Sie saßen wie angegossen, und Schlupps beschloß, sie zu kaufen, da der Meister einen mäßigen Preis dafür forderte. »Kommt bald wieder, Herr,« bat der Schneider. »Und verzeiht, wohin soll ich Euch Euer altes Gewand und das Sammetkleid senden, da Ihr das braune gleich anzieht?« »Sendet es in das Gasthaus zum goldenen Lamm,« sprach Schlupps, »und laßt sagen, es sei für Junker Pfiffig.«
Er zahlte seine Rechnung und ging fort. Der Meister sah ihm staunend nach, wie er dahin schritt, den Kopf hoch, daß er über alle Menschen hinwegschauen konnte und den Gang gar leicht, als sei er gewohnt, zu tanzen statt zu schreiten. [87]»Muß etwas ganz besonderes sein,« dachte der Nadelkünstler. »Vielleicht ein Königssohn und der Name Pfiffig war angenommen. Gibt es doch Menschen, denen sieht man trotz allem das Königsein an, die mögen sich verstellen wie sie wollen. Einmal bricht es hervor und dann staunen alle, daß sie den für einen gewöhnlichen Menschen und ihresgleichen gehalten haben, der doch so hoch über ihnen steht.« Und der Meister fädelte seine Nadel ein, kletterte auf seinen Tisch und überlegte weiter; denn das Handwerk, das er betrieb, machte ihn gar nachdenklich und sinnig. Kam er doch mit vielerlei Leuten zusammen, hatte gelernt, das Kleid vom Menschen zu scheiden und wußte wohl, daß, wenn es außen oft gleißte und glänzte, der Grund nicht immer feines Linnen war, sondern grob Gewebe mit Knoten, Fehlschlägen und Webfehlern.
Junker Pfiffig aber ging langsam durch die Gassen und sah mit offenen Augen alles wohl an. Er trat bei einem Barbier ein, ließ sich von dem Schaumschläger Bart und Kopfhaar zurecht stutzen und wunderte sich selbst, als er in dem Spiegel sah, wie wohlgestaltet er war. Das schwarze Gelock, das auf seine Stirn fiel, glänzte vom Bürsten und Striegeln, und es schien ihm, als ähnele er dem Bilde, das der fremde Maler ihm geschenkt hatte.
»Kommt bald wieder, Junker,« sagte der Barbier, als er ihm die Tür öffnete. »Seid Ihr hier fremd, so rate ich Euch, unser Rathaus zu besuchen, das gar schön gebaut und weit berühmt ist. Heut ist Gerichtstag. Da darf jeder hineingehen und zusehen.« »Das will ich tun. Seid [88]bedankt für Euren Rat,« nickte der Junker Pfiffig höflich. Es kam ihm vor, als habe er mit dem andern Kleid einen anderen Menschen angezogen, denn er hatte Freude an allem, was schön war. Fühlte er sich in jedem Kleide heimisch und bei sich, so schien ihm das neue Gewand wie ein Haus, das eigens für ihn gebaut und gefertigt war. Er schritt hinüber zu dem Stadthause mit den vielen Türmchen und spitzbogigen Hallen. Da sah er in der Tür eine Frau stehen, die ihre rechte Hand vor die Augen hielt und heimlich Tränen abwischte. »Was fehlt Euch, gute Frau?« sagte er und seine Stimme klang so gewinnend, daß die Verzagte Mut faßte und leise zu erzählen anhub: »Ach Herr, vielleicht könnt Ihr mir helfen. Ihr scheint gar vornehm und mächtig. Ich habe einen Prozeß mit meinem Nachbar, dem Grundbauer, um einen Acker, den einzigen, den ich besitze. Der Nachbar behauptet, daß mein Mann ihm auf dem Totenbette den Acker verkauft hätte für die Beerdigungskosten. Wie mein Hans gestorben war, kam der Grundbauer zu mir, sagte: er wolle für das Begräbnis Sorge tragen und alles so machen, wie es bei armen Häuslersleuten Sitte wäre. Ich vermeinte, er täte es aus Nächstenliebe und um Gottes Willen, dankte ihm sehr und lobte ihn vor den Leuten, ob seines guten Herzens, und jetzt macht er es mir so. Glaubt mir, Herr, mein Hans ist nie eine Minute allein gewesen, als es zum Sterben kam und der Handel abgeschlossen sein soll.«
»Aber der Richter muß Euch doch Euer Recht geben,« ereiferte sich Schlupps. »Ach, das ist es gerade. Jetzt weist [89]der Bauer eine Schrift auf, und drei Kreuze stehen darunter. Kommt mit herein, seht, wie es zugeht. Unsereins darf nichts sagen, sonst kommt er wegen Verläumdung in den Turm.«
»Geht nur hinein, gute Frau. Ich werde schon kommen; aber tut nicht, als ob Ihr mich kennt.«
Als nun die Verhandlungen begannen, sah Junker Pfiffig auf dem Richterstuhl einen Mann sitzen, mit großer Perücke, eine Brille auf der Nase, daß man die Augen nicht sah; um den Mund hatte er zwei tiefe Falten, die sich ausnahmen, als habe der Teufel sie mit seinem Pfluge gefurcht und Bosheit und Tücke hineingesäet. Seine Hand war lang, die Finger so spitz wie Krallen.
Er winkte und der Bauer hub an zu erzählen, wie der Handel sich zugetragen, den er, während Margret in der Küche war, mit dem Hans abgeschlossen haben wollte. Dabei klimperte der dicke, schwere Mann immer mit der Geldkatze, die er umgeschnallt hatte, und sah den Richter schmunzelnd an. Da spitzte er die Ohren, denn wenn er sich auf Flöten und Geigen auch gar wenig verstand, so klang die Musik des Bauern ihm doch lieblich in die Ohren.
Dann frug er Margret barsch, was sie zu sagen habe und gebot ihr, sich kurz zu fassen und sich zu hüten, den Grundbauern einer unlautern Tat zu beschuldigen; denn das bliebe nicht ungeahndet. Dann frug er auch, ob sie Zeugen für ihre Erzählung habe. Die arme Frau sah erschreckt um sich. Da fiel ihr Blick auf den Junker im braunen Gewande, der unweit auf einer Bank saß und ihr heimlich zunickte. [90]Sie faßte Mut, erzählte, wie alles gewesen und schloß mit der Bitte, ihr zu ihrem Rechte zu helfen.
Der Richter sann eine Weile nach und sprach dann: »Ich will mir den Fall überlegen. Kommt heute Abend bei Sonnenuntergang wieder her. Tragt mir Eure Gründe noch einmal vor. Wer die gewichtigsten hat, soll Recht bekommen.« Damit entließ er beide. Der Bauer lachte zufrieden vor sich hin; denn er hatte den Richter wohl verstanden und hielt in der Hand einen Beutel mit Silbermünzen. Als der Richter das Zimmer verließ, trat der Grundbauer auf ihn zu, reichte ihm den Beutel und sprach: »Gestrenger Herr, Gründe so schwer wie diese wird die Margret wohl nicht haben.« Er sah aber nicht, wie ein Junker in braunem Gewande langsam vorbeischritt und dem Handel zusah.
»Meister, verkauft mir die Schnalle,« sagte Schlupps. »Hab meine Freude an Sachen, die besonders kunstfertig gearbeitet sind. Sie zeigen, daß, wer sie gemacht hat, mehr kann, als viele seines Faches.«
Das schmeichelte dem Schlosser. Sie wurden bald handelseinig; Schlupps erstand die Schnalle und eine kleine Feile um ein Billiges und ging vergnügt in sein Gasthaus, wo ihn die arme Margret erwartete. Junker Pfiffig schloß sich in sein Gemach ein, nahm mehrere Goldstücke, feilte an den Rändern Gold ab, daß die Münzen so zackig aussahen, als hätten die Ratten daran genagt, und rührte die Goldabfälle zu einem dicken Brei an. Mit dem rieb er die Spange ein, putzte und glättete sie, daß sie aussah wie pures Gold und herrlich schimmerte. Dann wickelte er sie in ein klein seiden Tüchlein, legte zwei abgefeilte Goldstücke, die er durchlocht hatte, obenauf, rief die Frau und unterwies sie, was sie zu tun habe.
Als nun der Richter gegen Sonnenuntergang durch den weiten Hallengang wieder in den Saal treten wollte, wo [94]der Bauer schon wartete und seines Spruches sicher war, löste sich eine Gestalt von der Eingangstür los, ging demütig auf den gestrengen Herrn zu und sagte leise: »Verzeiht, Herr Richter. Ich habe einen gar gewichtigen Grund, den ich Euch verkünden muß. Von einer Ahne erbte ich ein schweres güldenes Amulett, wie es wohl einer vornehmen Frau, aber nicht mir gebührt. Würde ich es verkaufen, so könnte man denken, ich wäre auf unrechte Art dazu gekommen. Vielleicht daß es Eurer Eheliebsten oder Eurer Jungfer Tochter wohl anstünde, und zwei durchlöcherte Goldmünzen sind auch dabei, die man wohl zu Ohrengeschmeide verwenden kann.«
Dabei lüftete sie das kreuzweise gebundene Tüchlein und ließ den Richter hineinblicken, sodaß der rote Schein der Abendsonne, der durch die buntgemalten Scheiben spielte, auf das Geschmeide fiel, daß es rotgelb flimmerte.
»Gute Frau,« sagte der Richter, »einem vernünftigen Grunde verschließe ich nie mein Ohr. Ihr habt wohl getan, Euch an mich zu wenden. Seid unbesorgt, Ihr sollt Euer Recht haben.« Damit ergriff er das Tüchlein, wog es in der Hand, sehr erfreut ob seiner Schwere, und ging würdevollen Schrittes in den Saal, wo ihn der Bauer erwartete. Doch wie erschrak der, als der gestrenge Herr ihn anschrie und ihn ausschalt, daß er eine arme Witwe bedrücken wolle. Jetzt sei ihm die Erleuchtung gekommen, daß alle seine Angaben leichtfertig und ungerecht gewesen, und er verurteilte ihn, der Margret den Acker zurückzugeben und ihr auf der Stelle zwanzig Silbergulden zu zahlen.
[95]Der Bauer wußte nicht wie ihm geschah, fluchte innerlich, mußte aber wohl oder übel gehorchen und hatte außer dem Schrecken noch den Spott zu tragen. Denn es waren gar viele Zuhörer im Saale, die dafür Sorge trugen, daß der Richterspruch bekannt wurde. Hatte der Bauer doch viele Feinde, die ihm grollten, weil er sie oft betrogen hatte. So mußte er beschämt abziehen und das Silbergeld an den Richter war auch verloren.
Die Margret suchte den Ritter, um ihm zu danken; aber er war nicht aufzufinden und so konnte sie nur im Stillen für ihn beten.
Ihr Beschützer war in den Ratskeller gegangen, wo die vornehmen Bürger beim Wein saßen und Rede austauschten über die Zeitläufte, den Übermut der Geringen, die es den Herren gleich tun wollten und was dergleichen erbauliche Gespräche mehr waren. Als der Junker im braunen Gewand hereintrat, richteten sich aller Blicke auf ihn; denn ein Fremder war immer gern gesehen, und die ritterliche Erscheinung ließ vermuten, daß man einen vornehmen Mann vor sich habe. Der Richter, der allein in einer Fensternische saß, winkte den Wirt herbei und hieß ihn, den Fremden an seinen Tisch zu weisen; denn er war gar zu neugierig, was der am Orte wolle.
Mit höflicher Verneigung nahm Schlupps den angebotenen Stuhl an und sagte auf die Frage des gestrengen Herrn, was ihn herführe: »Verzeiht, Herr Richter, daß ich Euch nicht Auskunft geben kann, wie ich es wohl möchte. Eine wichtige Aufgabe zwingt mich aber zur Geheimhaltung. [96]Nur so viel laßt Euch sagen, daß ich einem hohen Herrn diene, in dessen Auftrag ich die Lande durchreise. Mein Fürst ist noch unbeweibt und – – da hätte ich beinahe zuviel gesagt. Das kommt davon, wenn man einem Herrn gegenübersitzt, dessen scharfer Blick alles durchschaut. Da läuft die Red über, wie der Bach im Frühjahr über die Wiesen.«
»Habt Ihr einen Auftrag an unseren vieledlen, hochmögenden Grafen von Trutzenstein?« fragte der Richter und glaubte, den Fremden so auf geschickte Art auszuholen. »Allerdings,« sagte sein Gegenüber zögernd, »für den Herrn Grafen – – –.« »Das dachte ich mir,« fiel ihm der Richter in die Rede. »Denn morgen ist ja bei dem Herrn Grafen ein großes Fest zu Ehren seiner Tochter, die jetzt volljährig ist und sich einen Gatten aus erlauchtem Geschlecht wählen soll. Gewiß kommt Ihr auch hin?« »Geraten, Herr Richter!« sagte der Fremde. »Ich sehe schon, Euch kann man nichts verbergen. Da wird es gewiß einen herrlichen Anblick geben. All die geputzten Jungfräuleins mit ihrer Pracht und ihrem Geschmeide!«
»Das will ich meinen!« rief der Richter stolz. »Öffnet nur die Augen weit, um zu sehen, was unsere Frauen vermögen. Hab auch eine Tochter, die ich morgen hingeleite; denn es sollen die Gespielinnen mit der Grafentochter zugleich verlobt werden, und der Herr Graf will ihnen die Gatten aussuchen und für ihre Ausstattung Sorge tragen, wie es der Brauch vorschreibt. Hab meiner Tochter heute [97]ein golden Geschmeide angeschafft, daß sie daherkomme, wie es ihrem Stande geziemt.«
»Das ist löblich, Herr Richter. Ein wohlgelungen Bild bedarf auch eines würdigen Rahmens. Das sagte ich auch zu meinem hohen Herrn, als er mir sein Bild mitgab.« »Verzeiht,« meinte jetzt der Richter. »Ist Euer Herr ein Graf?« »Ein Fürst ist er,« sagte der Junker feierlich und lüftete seine Kappe. »Er ist der Königssohn von Golconda. Sein Reich ist das herrlichste was Ihr Euch denken könnt. Da ist nichts öde und kalt. Wohin das Auge blickt, seht Ihr üppige Felder, grüne Haine, Wiesen und Blumen. Immer strahlt eine goldene Sonne herunter. Die Vögel singen schöner denn in andern Ländern; die Blumen duften würziger, die Frauen sind wie Feen, zart und lieblich, und doch darf der Prinz keine von ihnen heiraten. Es ist ein uralt Gesetz, daß seine Gemahlin aus fernen Landen stammen muß. Da er aber sein Reich nicht verlassen darf, schickte er mich auf die Brautfahrt, damit ich mich umsehe nach einer Gemahlin, die seiner würdig sei. Nicht Stand, nicht Reichtum sind entscheidend – –.« Plötzlich unterbrach er sich wie erschreckt. »Jetzt habe ich dem Herrn doch verraten, was ein Geheimnis bleiben sollte. Ich bitte, sagt keinem, was mich herführt, bis ich es selbst enthülle.«
»Seid unbesorgt,« nickte der Richter. »Will das Anvertraute wohl hüten. Unweit von hier ist des Grafen Schloß, könnt es zu Pferde in einer halben Stunde erreichen. Doch [98]verzeiht, wie soll ich Euch nennen, wenn ich Euch wiedersehe, da ich den Namen nicht verstanden habe?«
»Nennt mich Ritter von Bauernmark. Bin von uraltem Geschlecht, das schon manchem Herrn geholfen hat, sein Reich zu schützen und zu halten.«
»Gehabt Euch wohl, Herr Ritter. Auf Wiedersehen!« Damit reichte der gestrenge Herr dem Fremden die Hand und verließ ihn, froh, seinem Eheweib eine angenehme Kunde zu bringen. Denn seine Frau wollte immer gern hoch hinaus, und ein Prinz wäre ihr als Eidam gerade recht gewesen. Sie war sehr eitel auf ihre Tochter und meinte, jeder müsse von ihr so eingenommen sein, wie sie als Mutter von ihr war. Da sie aber kein gutes Herz hatte, so gewöhnte sie auch die Tochter an ein selbstisch Wesen und die beiden Frauen trugen mit die Schuld daran, daß der Richter die Armen bedrückte und das Recht verkaufte, statt es, wie der liebe Herrgott das Sonnenlicht, über Arme und Reiche gleich leuchten zu lassen.