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Estnische Märchen:14. Der Glücksrubel.

时间:2022-04-13来源:互联网 字体:[ | | ]  进入德语论坛
(单词翻译:双击或拖选) 标签: Estnische Märchen
Einmal lebte ein wohlhabender Bauersmann, der hatte drei Söhne, von denen die beiden älteren ganz gescheidte Männer waren; nur der jüngste Sohn hatte sich von Kindheit auf etwas einfältig gezeigt, so daß er mit keinerlei Arbeit ordentlich zurecht kommen konnte. Als der Vater auf dem Todbette lag, redete er so zu seinen Söhnen: »Da meine Lebenstage sich, wie ich glaube, zu Ende neigen und ich von dieser Welt abgerufen werde, so sollt ihr die Erbschaft dergestalt theilen, daß die beiden älteren Brüder das Vermögen zu gleichen Theilen erhalten, und wenn sie wollen auch das Ackerland jeder zur Hälfte nehmen. Sollte Einer von Beiden wünschen, allein auf dem Hofe zu bleiben, so muß er dem andern Bruder so viel Geld auszahlen als das halbe Grundstück werth ist. Du, Peter, mein jüngster Sohn, taugst weder zum Hofherrn noch zu Anderer Knecht, darum mußt du auswandern und in der weiten Welt dein Glück versuchen. Deine Taufmutter schenkte am Tauftage einen alten Silberrubel, den[S 107] sie Glücksgeld nannte und dir mitzugeben hieß, wenn du einmal das elterliche Haus verlassen solltest. Sie setzte hinzu: so lange mein Taufsohn den Glücksrubel in der Tasche hat, kann er allenthalben leicht durchkommen, weil Noth und Elend einem Glückskinde nichts anhaben können. Also nimm jetzt die Pathengabe und versuche wie du mit Hülfe derselben durchkommst.« — Am folgenden Tage gab der Vater den Geist auf. Die Söhne drückten ihm die Augen zu und begruben ihn. Da die beiden älteren Brüder noch Junggesellen waren, so blieben sie beisammen auf ihres Vaters Hofe. Sie hängten ihrem jüngeren Bruder einen Brotsack über die Schulter, der für einen Mann mindestens eine Woche lang Nahrung enthielt, und sagten: »Geh jetzt und suche den Glücksweg!« Peter ging pfeifend zur Pforte hinaus und schlug den Weg gen Morgen ein, indem er dachte: wenn die Sonne Morgens aufgeht, so giebt sie mir die Richtung an, so daß ich nicht zu fürchten brauche mich zu verirren. So lange er Vorrath im Brotsack fand, hatte er nicht die geringste Sorge, sondern zog singend und pfeifend dahin und kam immer weiter von Hause. Als er nach einigen Tagen wieder Mahlzeit hielt, fand er, daß der Sack nun leer war, das machte ihm aber weiter keine Noth, da er sich jetzt satt gegessen hatte. Als er am nächsten Morgen erwachte, fuhr er mit der Hand in den Brotsack — allein der war eben so leer wie sein Magen. Mit schwerem Herzen ging er eine Weile weiter, setzte sich dann nieder um zu verschnaufen und überlegte was er jetzt thun solle, um den knurrenden Magen zu beschwichtigen. Der Rubel stack zwar unberührt in seiner Tasche, aber was konnte ihm der hier helfen, wo Niemand in der Nähe war, dem er Brot hätte abkaufen können. Er lehnte das Haupt an einen Stein und streckte den Körper auf den Rasen, in der Hoffnung, daß ihm der Schlaf vielleicht Rath bringe. Als er erwachte, sah er einen fremden alten Mann neben sich sitzen, der einen langen weißen Bart aber nur ein Auge hatte. Dies Auge stand mitten auf der Stirn über der Nase; da wo sonst bei Menschen die Augen stehen, hatte der Alte zwei große Warzen, welche wie die Hörner eines Bocklamms aussahen. Drei große schwarze Hunde, immer einer größer als der andere, lagen dem Alten zu Füßen.
 
Der Alte betrachtete mit seinem einen Auge den Peter genau und fragte dann: »Bauer, hast du nicht Lust mir die Hunde abzukaufen? Ich lasse sie dir wohlfeil.« Peter erwiderte: »Ich habe selber nichts zu brocken noch zu beißen, was soll ich den Hunden geben?« Der Alte lachte und sagte: »Nun, damit würdest du schon[S 108] zurecht kommen. Meine Hunde verlangen nichts von dir, sondern können dir noch obendrein Nahrung schaffen.« »Sind es denn etwa Jagdhunde,« fragte Peter, »die alle Tage Wild fangen und so ihrem Herrn den Braten bringen?« Der Alte erwiderte: »Meine Hunde sind besser als gewöhnliche Jagdhunde. Wenn du die Katze nicht im Sacke kaufen magst, so will ich dir gleich zeigen, welchen Nutzen diese Hunde ihrem Herrn bringen.« Er tippte dann dem kleinsten Hunde mit dem Finger auf den Kopf und befahl: »Lauf-hol-Essen!« Der Hund sprang auf und lief wie der Wind davon, so daß er bald verschwunden war. In weniger als einer halben Stunde kam er zurück, einen Handkorb im Maule. Unaussprechlich groß war Peters Freude, als er den Korb mit den schmackhaftesten Speisen gefüllt fand, Schweinefleisch, frische Fische, Würste und Kuchen. Er aß, daß ihm der Leib zu platzen drohte. Dann sagte der Alte: »Was übrig bleibt, mußt du den Hunden geben, weil der Korb jedesmal geleert werden muß und nicht der kleinste Bissen übrig bleiben darf. Petern that es zwar Leid, den Rest den Hunden zu geben, er wagte aber nicht sich dem Alten zu widersetzen, dem er es doch verdankte, daß er jetzt satt geworden war. Zaghaft sagte er dann: »Den kleinsten Hund da würde ich gern kaufen, wenn ich Geld genug hätte, aber mein Vermögen besteht im Ganzen aus einem Silberrubel; mehr habe ich nicht hinter Leib und Seele. Willst du den Hund um diesen Preis verkaufen, so wollen wir den Handel sogleich abschließen.« Der Alte war mit dem gebotenen Preis zufrieden, fügte aber hinzu: »Man darf diese Hunde niemals voneinander trennen, sonst würde für den Herrn wie für die Hunde Unheil entstehen. Wenn du nicht mehr Geld hast als einen Silberrubel, so verkaufe ich dir dafür den kleinsten Hund und schenke dir die beiden andern dazu. Du wirst mit deinem Kaufe gewiß zufrieden sein. Der erste Hund heißt, wie du gehört hast: Lauf-hol-Essen, der mittlere heißt: Reiß-nieder und der größte: Brich-Eisen! Sollte dir irgend etwas zustoßen, wobei du der Hunde bedürftest, so rufe nur denjenigen bei Namen, dessen Hülfe du gerade brauchst und dein Verlangen wird erfüllt werden. Wie dich der kleinste täglich mit Nahrung versorgt, so werden die beiden andern dich gegen den Feind schützen.« Dann rief er den Hunden zu: »Hier steht euer neuer Herr!« Die Hunde wedelten mit dem Schwanze und leckten Petern die Hand, als wollten sie zu erkennen geben, daß sie die Weisung verstanden hatten. Beim Abschiede berührte des Alten Finger die Stirn Peter's, es durchfuhr ihn plötzlich wie ein Blitz, aber in demselben Augenblicke war auch[S 109] der Alte verschwunden, ob in die Luft zerflossen oder zu Staub verweht, das ist Peter'n niemals klar geworden. — Wunderbarer Weise schien es, als hätte des Alten Finger Petern und Alles was vor ihm lag, mit einem Male verwandelt — denn noch nie war ihm die Welt so schön erschienen wie jetzt, und zugleich war in ihn selbst ein anderer Geist eingezogen. Peter sprach zu sich selbst: »Bisher habe ich wie in einer dichten Nebelhülle gelebt, aus welcher ich heute in die Helle getreten bin.« Die Hunde sahen ihn klug an und wedelten mit den Schwänzen, als wollten sie dadurch andeuten: du hast Recht. Nachdem Peter eine Weile über den wunderbaren Vorfall nachgesonnen hatte, machte er sich auf, um seine Wanderung fortzusetzen. Als er am Abend zufällig in die Tasche griff, fand er seinen Rubel und konnte sich schlechterdings nicht erklären, wie das Geld dahin gekommen sei, weil er genau wußte, daß er den Rubel für den Hund dem Alten gegeben, und daß dieser das Geld vor seinen Augen in die Tasche gesteckt hatte. Wie konnte der Rubel von da zurückkommen? Lauf-hol-Essen hatte laut Befehl die Abendmahlzeit geholt, welche für den Herrn und seine Hunde hinreichte; eben so ging es am andern Morgen. Aber die närrische Geschichte mit dem Gelde wollte Petern nicht aus dem Kopfe, er nahm sich darum vor, der Sache auf den Grund zu kommen. Er tauschte seinen Rock gegen den besseren eines ihm begegnenden Mannes, und gab den Rubel als Aufgeld. Als er eine Meile weiter gegangen war, fand er seinen Rubel wieder in seiner Tasche. Jetzt erst merkte er, wie die Sache mit dem Rubel stand, der immer wieder in seines Herrn Tasche zurück schlüpfte, so oft er auch bei einem Handel ausgegeben wurde. Er kaufte sich nun alle Tage Kleider und sonstige Bedürfnisse, oder auch allerlei Tand, wie das die Reichen thun, gleichwohl blieb sein Pathengeschenk immer in seiner Tasche. Auf welche Weise der Rubel aus fremder Hand da hinein kam, das konnte sich der Besitzer freilich nicht erklären. Aber er dachte vergnügten Sinnes: ich könnte, wenn ich wollte, die ganze Welt durchstreifen, weil es mir nirgends an Nahrung und Geld gebräche.
 
Peter war nun schon eine geraume Zeit von einem Orte zum andern gezogen, als er eines Tages auf einen Wald zuschritt; die Hunde hoben die Nasen schnuppernd in die Höhe und sahen wieder auf ihren Herrn, als wollten sie sagen: hier ist etwas nicht geheuer, sieh dich vor! Peter ging weiter und sah, daß die Hunde immer unruhiger wurden, doch konnte er nichts Befremdliches entdecken. Da hörte er plötzlich von weitem das Geräusch von Rädern, wie wenn[S 110] ein schweres Fuhrwerk Schritt für Schritt heraufkomme. Dann gewahrte er eine Kutsche mit vier schwarzen Pferden und es war als ob sie einen Leichenwagen zögen, denn die Kutsche war mit schwarzen Decken behangen und auch der Kutscher trug schwarze Kleider. Die Pferde ließen Köpfe und Ohren hängen, als empfänden auch sie Trauer. Als Peter in's Kutschenfenster hineinlugte, sah er eine junge bleiche Dame in schwarzen Trauerkleidern allein in der Kutsche sitzen; sie weinte bitterlich und wischte sich von Zeit zu Zeit mit einem feinen weißen Tuche die Thränen von den Wangen. Peter fragte den Kutscher, was die Sache zu bedeuten habe, erhielt aber keine Antwort. Da fuhr Peter ihn heftig an: »Schlingel! willst du die Pferde anhalten und mir antworten? Sonst werde ich dir das Maul aufmachen, daß du reden lernst!« — Als der Kutscher den Mann und seine großen Hunde ansah, meinte er doch, daß hier nicht zu spaßen sei, hielt die Pferde an und berichtete, daß da im Walde ein gräuliches Ungeheuer hause, das halb wie ein ungeheurer Bär und halb wieder wie ein Vogel geformt sei, so daß es ebenso gut auf der Erde einherschreiten, als fliegen könne. Dieses gräuliche Unthier verschlinge ringsum im Königreiche eine große Menge Menschen und Thiere und würde schon längst das Land ganz von lebenden Wesen entblößt haben, wenn ihm nicht jedes Jahr an einem bestimmten Tage eine unschuldige Jungfrau zum Opfer geführt würde, welche das Thier augenblicklich herunterschlinge. Der König lasse zu diesem Behuf aus dem ganzen Reiche alle unschuldigen sechzehnjährigen Mädchen zusammenkommen und unter ihnen das Loos werfen, um zu entscheiden, an welche Unglückliche die Reihe zu sterben komme. Diesmal sei das Todesloos auf die einzige Tochter des Königs gefallen, welche jetzt dem Thiere zum Fraße gebracht werde. Obwohl der König und seine Unterthanen in tiefster Betrübniß seien, so könne Niemand der Sache abhelfen oder ihr eine andere Wendung geben, weil das Gelöbniß erfüllt werden müsse, ohne Rücksicht darauf, ob das Mädchen reich oder arm, hochgeboren oder gering sei.« Peter empfand inniges Mitleid, als er des Kutschers Erzählung vernommen hatte und die tiefe Traurigkeit der unglücklichen Königstochter sah. Er beschloß sogleich, die Jungfrau auf ihrem Todeswege zu begleiten. Da nun die Kutsche Schritt für Schritt weiter fuhr, folgte Peter mit seinen Hunden nach. Als sie endlich an einen hohen Berg kamen, der mitten im Walde stand, hielt der Kutscher die Pferde an und bat die Königstochter, auszusteigen, weil sie nun an die Grenze gekommen seien, welche Leben und Tod scheide. Ohne ein Wort zu[S 111] verlieren, wie ein Lämmlein, stieg die schöne Königstochter aus der Kutsche und ging den Berg hinauf. Peter wollte sofort hinterdrein, aber der Kutscher rief: »Bauer! laß die Narrenspossen bleiben! Du kannst dein Leben eben so gut einbüßen, wie die Jungfrau und die Sache stände darum doch nicht besser.« Peter erwiderte zuversichtlich: »Das ist meine Sache und nicht die deinige!« und schritt kühn vorwärts. Die vom Weinen geschwollenen Augen der Königstochter blickten wie dankend auf ihn und die schwarzen Hunde wedelten fröhlich mit dem Schwanze, als wollten sie sagen: das ist braven Mannes Art! — Sie hatten noch nicht den dritten Theil des Berges erklettert, als plötzlich ein Brausen und Tosen sich erhob, als ob ein schweres Hagelwetter im Anzuge sei. Vom Kamme des Berges herab wälzte sich ein gräßliches Thier, dessen Oberleib bärenartig, aber viel höher war, als das größte Pferd; statt der Haare bedeckten Schuppen den Körper, zwei krumme Hörner standen am Kopfe und zwei lange Flügel am Rücken, fußlange Zähne wie Schweinshauer ragten aus dem Rachen hervor, an Vorder- und Hinterpfoten hatte es lange Klauen. Das gräßliche Raubthier mochte noch einige zwanzig Schritte von der Königstochter entfernt sein, als es seine lange Zunge herausstreckte, mit welcher es wie eine Schlange die Jungfrau erst stechen wollte, bevor es sie verschlang, aber in demselben Augenblicke rief Peter unerschrocken: »Beiß-nieder!« Als das Unthier die Stimme des Mannes hörte, funkelten seine Augen wie Feuer und sein Athem dampfte wie Badstubenbrodem, aber schon war der schwarze Hund, dem Befehle seines Herrn gehorchend, mit Blitzesschnelle herangesprungen und im Kampfe mit dem Ungeheuer begriffen. Sehr gewandt wußte der Hund sich vor des Thieres Rachen und Klauen zu wahren, sprang demselben zwischen den Beinen durch unter den Leib, grub sich mit den Zähnen ein und biß so lange, bis die Eingeweide aus dem Leibe heraushingen und des Hundes Zähne das Herz packten. Da fiel das gräuliche Thier mit der Wucht eines Felsens nieder, daß der ganze Berg unter seiner Last bebte und hauchte nach kurzer Zeit sein böses Leben aus. Der Hund aber, obwohl er zehnmal kleiner war, fraß das Unthier rein auf mit Haut und Haaren, so daß nichts weiter übrig blieb als die beiden Hörner und die vier langen Hauer. Diese Reste hob Peter auf und steckte sie in seinen Sack. Dann eilte er der Königstochter zu Hülfe, welcher Furcht und Schrecken die Besinnung geraubt hatten und die ohnmächtig da lag. Peter holte in seinem Hute aus der nahen Quelle kaltes Wasser und benetzte damit Stirn und Wangen der Jungfrau so lange, bis die Schwäche ver[S 112]ging. Wie aus einem langen Schlafe erwachend, mußte sie sich eine Weile besinnen, was mit ihr geschehen sei, als sie aber das gräßliche Thier nicht mehr vorfand, hielt sie sich für gerettet, fiel vor ihrem Retter auf die Knie und dankte ihm unter Thränen mit liebreichen Worten. Dann bat sie ihn, sich mit ihr in die Kutsche zu setzen und zum Könige zu fahren, um seinen verdienten Lohn zu fordern, der ihm sicher nicht kärglich, sondern königlich würde gereicht werden. Peter dankte für das freundliche Anerbieten und erwiderte dann: »Ich bin noch jung und unerfahren, darum getraue ich mich noch nicht vor dem Könige zu erscheinen. Ich will mich erst noch länger in der Welt umsehen, und wenn der himmlische Vater mir Leben und Gesundheit giebt, da komme ich nach drei Jahren zurück.« So trennten sie sich. Die Königstochter setzte sich in die Kutsche und fuhr zu ihrem Vater zurück; Peter setzte seine Wanderung nach fremden Ländern fort.
 
Dem Kutscher aber kam ein böser Gedanke. Er hatte das Gespräch mit angehört, welches die Königstochter mit Petern geführt hatte und hielt es für gerathen, sich selber für den Retter der Königstochter auszugeben und den großen Lohn einzustreichen. Als sie nun im Waldesdickicht an eine Stelle kamen, wo ein steiler Abhang eine tiefe Schlucht begrenzte, stieg er ab und sagte zur Königstochter: »Euer Erretter ist seine Straße gezogen und wird sicherlich niemals wiederkehren, um von euch und von eurem Vater den Lohn für seine That zu fordern. Ich glaube deshalb, daß es eure Pflicht wäre, mir diesen Lohn zu zahlen, weil ich den jungen Mann gedungen hatte, euch zu helfen, er wäre sonst nicht erschienen. Sagt also eurem Vater, wenn wir heim kommen, daß ich euch aus den Klauen des Unthiers gerettet und das Geschöpf der Hölle erschlagen habe, so daß es Keinem mehr ein Leid zufügen kann: dann wird mir der Lohn ausgezahlt.« Die Königstochter erwiderte: »Das wäre erstens eine offenbare Lüge und zweitens ein schweres Unrecht, wenn der Mann, der den Lohn verdient hat, ihn einbüßte und ein anderer ihn erhielte, der nichts gethan hat. Gott bewahre mich vor einer solchen Sünde!« Der Kutscher runzelte die Stirn und rief zornig: »Wohl, es sei denn, wie ihr selber wollt! Lebendig sollt ihr aus meiner Hand nicht mehr entkommen! Bereitet euch zum Tode!«
 
Die Königstochter fiel vor ihm auf die Knie nieder und bat um Barmherzigkeit, aber das Kieselherz des Bösewichtes kannte kein Erbarmen, vielmehr sagte er mit hartem Tone: »Wählet zwischen zwei Dingen — was ihr für besser haltet: entweder ihr sagt eurem[S 113] Vater, daß ich das Unthier erschlagen habe, oder, wenn ihr diese Lüge nicht hervorbringen wollt, stürze ich euch den Abhang hinunter in die Tiefe, wo euch der Mund auf ewig geschlossen bleibt. Zu Hause sage ich, daß das Unthier euch verschlungen hat, wie alle anderen Jungfrauen vor euch, und damit ist die Sache aus.« Jetzt sah die Königstochter, daß hier weiter keine Hoffnung auf Befreiung war, wenn sie sich dem tückischen Kutscher länger widersetzte, darum versprach sie, ihrem Vater die Lüge vorzutragen, die ihr der Kutscher angegeben hatte, mußte aber erst mit einem schweren Eide betheuern, daß sie diese Lüge auch wirklich als Wahrheit aufrecht erhalten und keiner Seele mit einem Worte verrathen wolle, was sich heute begeben hatte. Starr vor Angst und Schrecken hatte die Königstochter des ruchlosen Mannes Geheiß erfüllt, aber je näher sie dem Vaterhause kam, desto schwerer wurde ihr das Herz. Sie konnte aber ihren Schwur nicht verletzen, sondern mußte den Kutscher als ihren Retter nennen. Grenzenlos war der Einwohnerschaft wie des Königs Freude, als die für todt beweinte Jungfrau lebendig und gesund zurückkam und zugleich die Nachricht brachte, daß das Unthier vernichtet sei und fortan Niemand mehr sich vor demselben zu fürchten brauche. Die Trauerkleider wurden jetzt abgethan und statt ihrer Freudengewänder angelegt. Der König fiel seiner Tochter weinend um den Hals und konnte lange kein Wort hervorbringen; als er endlich die Sprache wiederfand, dankte er dem Retter seiner Tochter und reichte ihm die Hand mit den Worten: »Dank und Preis dir, geehrter Mann! Du hast nicht nur mein einziges Kind aus dem Rachen des Todes befreit, sondern auch das ganze Reich aus des schlimmsten Feindes Gewalt erlöst. Für diese große Wohlthat will ich dich belohnen und dir meinen theuersten Schatz geben; du sollst meines Töchterchens Gemahl und mein Schwiegersohn werden. Da aber meine Tochter noch sehr jung ist, so kann die Hochzeit erst nach Jahresfrist stattfinden.« Darnach wurde der Kutscher auf's prächtigste gekleidet und zum höchsten Range erhoben, wo er denn Tag für Tag in großer Ehre und Herrlichkeit lebte, und seines früheren Standes, da er ein niederer Diener gewesen war, nicht mehr gedachte.
 
Anders ließ sich die Sache mit der Königstochter an, welche heftig erschrack, als sie vernahm, daß der Vater sie selbst dem Retter zum Lohne versprochen. Sie war sehr betrübt und vergoß oft heimlich Thränen. Weil aber ihre Zunge durch einen schweren Eid gebunden war, durfte sie Niemandem erzählen, wie es sich mit ihrer Rettung verhielt, noch weniger aber verlauten lassen, was ihr Herz Nacht und[S 114] Tag quälte, daß sie nämlich nicht ihres geliebten wahren Erretters Lebensgefährtin werden konnte. Als das Jahr vorüber war, brachte sie gleich die Bitte vor, man möge noch ein Jahr mit der Hochzeit warten; das war freilich nicht nach dem Sinne des Bräutigams, er mußte sich aber fügen, da der König seiner Tochter die Bitte gewährte. Als aber nach Ablauf des zweiten Jahres die Tochter abermals mit der Bitte vor den Vater trat, die Frist hinauszuschieben, rief er aus: »Du undankbares Geschöpf! warum willst du diesen wackern Mann nicht heirathen, der dich aus dem Rachen des Unthiers erlöst und mein ganzes Königreich von einer schweren Geißel befreit hat!« Die Tochter war bleich geworden wie der Tod und war dem Vater zu Füßen gefallen: sie sagte nichts weiter als: »O wie glücklich wäre ich jetzt, wenn das Unthier mich heute vor zwei Jahren verschlungen hätte!« Diese, im Tone des Kummers gesprochenen Worte drangen dem Vater wie Feuerpfeile durch's Herz, er hob seine Tochter vom Boden auf, nahm sie auf seine Kniee und sagte: »Noch einmal, liebes Kind, zum letzten Male will ich deiner Bitte Gehör schenken, aber heute über's Jahr kann dich keine Macht länger vor der Hochzeit schützen; weil ich dich mit meinem Königswort deinem Retter zugesagt habe.« Die Tochter dankte für diesen neuen Beweis väterlicher Liebe und hoffte noch immer darauf, daß der theure Jüngling, der sie aus den Klauen des Todes errettet hatte, sein Versprechen halten und nach drei Jahren zurückkehren werde. Viel schneller als sie hoffte und dachte, schwand das dritte Jahr dahin, und ging zu Ende, ohne daß von des fremden Mannes Ankunft etwas verlautet hätte.
 
Die Königstochter wußte im Voraus, daß sie von ihrem Vater keine Verlängerung der Frist mehr erbitten dürfe, darum sah sie ruhig die Vorkehrungen zur Hochzeit mit an, weinte bisweilen in der Stille und flehte zu Gott um Hülfe. In der Nacht vor dem für die Hochzeit festgesetzten Tage träumte ihr, daß ein alter einäugiger Mann mit grauem Barte gekommen war um sie zu trösten. Der Alte hatte gesagt: »sei getrost und unverzagt! Einem höheren Auge kann Unrecht nie verborgen bleiben, wenn es sich auch menschlicher Kunde entzöge.« Beim Erwachen fühlte die Königstochter neue Kraft und Hoffnung im Busen.
 
Nun geschah es, daß an demselben Tage, wo die Hochzeit der Königstochter stattfand und die ganze Stadt deshalb im Festjubel war, daß ein fremder Mann mit drei schwarzen Hunden zum Thore hereinkam. Er erkundigte sich, warum wohl die Leute so sehr vergnügt[S 115] seien und erhielt Bescheid, daß gerade die Hochzeit der Königstochter gefeiert werde und daß sie den Mann heirathe, der sie vor drei Jahren den Zähnen eines gräulichen Unthiers entrissen habe. Der Fremde fragte weiter: »Sagt mir doch, wo dieser Retter ist?« »Nun« — war die Antwort — »wo anders als in des Königs Hause, da der Bräutigam ja immer neben der Braut sitzt.« Da rief der Fremde zornig: »Laßt mich vor den König, ich will ihm klar machen, daß er seine Tochter einem verworfenen Betrüger überliefert. Laßt mich mit dem Könige reden!«
 
Die Wächter an der Pforte des Königshauses glaubten es mit einem Verrückten zu thun zu haben, darum nahmen sie ihn fest, legten ihm Fesseln an Hände und Füße und warfen ihn dann in ein mit eisernen Riegeln wohlverwahrtes Gefängniß, damit die Festfreude nicht durch einen Tollen gestört werde. Jetzt sah Peter ein, daß er die Sache wie ein Hitzkopf angefaßt hatte und bereute seine Leidenschaft, weil die Königstochter nun eines Andern Weib ward, während er im Kerker in Ketten sitzen mußte. Da hört er unter dem Fenster des Gefängnisses ein Kratzen und Hundegeheul und denkt: meine treuen Hunde wollen zu mir, vielleicht kann ich mit ihrer Hülfe befreit werden. Zum Glücke fällt ihm ein, den dritten Hund zu Hülfe zu rufen und kaum hat er »Brich-Eisen!« herausgebracht, so hat auch schon das größte der schwarzen Thiere seine Pfoten an den Eisengittern des Fensters, welche unter der Kraft des Hundes wie altes Bandeisen brechen. Der Hund springt zum Fenster herein, zernagt seines Herrn Hand- und Fußfesseln, als wäre es Heedegarn, und springt dann wieder zum Fenster hinaus, Peter ihm nach. Da ihm so aus der Noth geholfen war, überlegt er was weiter zu thun ist, damit die Königstochter nicht das Opfer eines Frevels werde. Als er jetzt Hunger spürte, rief er den ersten Hund: »Lauf-hol-Essen!« Der Hund lief mit Windeseile und kam bald mit einem Handkorbe zurück; die Speisen darin waren mit einem feinen weißen Taschentuch bedeckt und ein goldener Ring war in den Zipfel des Tuches eingebunden; auf dem Ringe fand Peter den Namen der Königstochter eingegraben, und daraus schöpfte sein Herz wieder neue Hoffnung.
 
Die Sache mit dem Tuche und dem Ringe verhielt sich so. Der König saß mit seinen vornehmen Gästen bei Tafel, ihm zur Rechten seine Tochter und zur linken der Bräutigam, der vormalige Kutscher, welcher heute durch die Trauung Schwiegersohn des Königs werden sollte. Da kommt ein schwarzer Hund, einen leeren Korb im[S 116] Maule, in's Gemach gelaufen, gerade auf den Stuhl der Königstochter los, sieht die Jungfrau mit bittenden Augen an und leckt ihr die Hand, als wollte er sagen: thut ihr mir nicht auch Speise in den Korb? Die Hände der Königstochter geriethen vor Herzensfreude in ein leichtes Zittern, denn sie hatte den schönen Hund augenblicklich als den ihres Erretters wieder erkannt. Sie nahm darum vom Tische Fleisch und Fisch nebst süßem Gebäck und that Alles in den Korb; zugleich zog sie ihren Verlobungsring vom Finger, band ihn in einen Zipfel ihres Tuches und bedeckte dann mit diesem den Korb. Der Hund ging mit dem Korbe davon; die Königstochter aber sagte dem Könige einige Worte heimlich in's Ohr, worauf sich der König von der Tafel erhob, die Tochter bei der Hand nahm und mit ihr in ein abgelegenes Zimmer ging, wohin nach kurzer Zeit auch der Prediger gerufen wurde. Diesen fragte der König, ob ein Eid bindend sei, den ein Mensch in Todesnoth gezwungener Weise geschworen habe, um dadurch sein Leben aus Mörderhand zu retten. Der Prediger erwiderte: »ein abgezwungener Eid, den ein Mensch wider sein besseres Wissen und Wollen schwört, hat weder nach göttlichen noch nach menschlichen Gesetzen Gültigkeit, weil ein solcher Eid eben nichts bedeutet.« Jetzt offenbarte die Königstochter ihr Geheimniß und erzählte ausführlich, was ihr heute vor drei Jahren im Walde begegnet war. Der König befahl einigen Dienern, die Spur des Hundes zu verfolgen und wenn möglich den Herrn desselben ausfindig zu machen. — Diesen Mann sollten sie dann augenblicklich vor den König führen. Nach kurzer Zeit war der Mann gefunden und mit seinen drei Hunden vor den König gebracht. Die Königstochter erkannte sogleich ihren Retter, fiel ihm dankbewegt um den Hals und sagte: »Heute rettet ihr mein Leben zum zweiten Male aus der Gewalt eines bösen Thieres! Tausend und aber tausend Dank für diese Liebe und Wohlthat!«
 
Der König begab sich nun mit seiner Tochter wieder zur Tafel und hieß Petern so lange warten, bis er ihn rufen lasse. An der Tafel warf der König die Frage auf: was für eine Strafe einem Menschen gebühre, der eines Andern wackere That verheimliche und dessen verdienten Lohn sich zueigne? — Der vormalige Kutscher dachte, ich will nun zeigen, was ich für ein tüchtiger Richter bin, und erwiderte auf des Königs Frage: »Ein solcher Uebelthäter verdiente nichts Besseres, als daß ihm ein Mühlstein um den Hals gebunden und er in die Tiefe des Meeres versenkt würde.« Darauf sagte der König: »Sehr wohl, ein solcher Spruch soll denn auch gefällt[S 117] werden!« und befahl den Fremden in den Saal zu rufen. Als nun Peter mit seinen drei schwarzen Hunden eintrat, wurde der Kutscher bleich wie eine getünchte Wand, fiel vor dem Könige auf die Kniee und bat um Gnade. Der König sagte: »Du ruchloser Frevler hast dir selbst das Urtheil gesprochen und sollst nun auch die Strafe erleiden, die du angegeben hast. Damit aber unser schönes Hochzeitsfest deinetwegen nicht gestört werde, sollst du so lange im Gefängniß sitzen, bis die Hochzeit meiner Tochter vorüber ist.« Darauf wurde der Kutscher hinausgeführt, in Ketten gelegt und in's Gefängniß geworfen. Jetzt nahm Peter seine Beweisstücke aus dem Sacke, nämlich des Unthiers Hörner und Hauer, worauf ein lautes Freudengeschrei aus dem Munde der Hochzeitsgäste erscholl. Der König befahl Petern sich neben ihn auf des Kutschers Stuhl zu setzen und ließ ihn noch an demselben Abende als seinen Schwiegersohn mit der Prinzessin trauen. Hauer und Zähne des Unthiers wurden zu ewigem Gedächtniß in die königliche Kirche gebracht.
 
Nach vier Wochen, als die Festlichkeiten beendet waren, erlitt der Kutscher die verdiente Strafe, die er selbst angegeben hatte. Eines Tages aber trat Peter ehrerbietig vor den König und sagte, als niederer Leute Kind sei er jetzt durch ein unerwartetes Glück zum vornehmen Manne geworden, allein er habe daheim noch zwei ältere Brüder und bitte deshalb den König um Erlaubniß, sie kommen zu lassen, damit er nicht allein in Glück und Freude lebe, sondern auch seinen Brüdern das Leben leicht machen könne. Der König willigte ein und ließ auf der Stelle Befehl ergehen, daß Peter's Brüder herkommen sollten. An dem Tage wo die Brüder kamen und Peter sie freundlich empfing, fing der größte der schwarzen Hunde an mit menschlicher Zunge zu reden und sagte: »Jetzt ist unsere Zeit um, sintemal wir so lange bei dir bleiben mußten, bis wir sehen würden, ob du dich in deinem Glücke der Brüder erinnern würdest. Dem himmlischen Vater sei Dank! du hast wie ein rechter Mann in allen Stücken deine Pflicht gethan.« Plötzlich waren die Hunde in Schwäne verwandelt, hoben ihre Flügel und zogen davon. Wohin? das hat bis auf den heutigen Tag Niemand weder gehört noch gesehen.
 
Peter lebte als Königs Eidam in großer Ehre und Pracht, und half seinen Brüdern, so daß sie auch mit der Zeit wohlhabende Leute wurden. Den Glücksrubel schenkte er seines ältesten Bruders erstem Sohne als Pathengeschenk mit den Worten: »Zieht er einst[S 118] als Jüngling von Hause, dann gebt ihm das Pathengeschenk mit auf die Reise, er kann damit ebensogut durch die Welt kommen, wie ich durchgekommen bin und mein Glück gefunden habe. 
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