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Estnische Märchen:15. Der närrische Ochsenverkauf.

时间:2022-04-25来源:互联网 字体:[ | | ]  进入德语论坛
(单词翻译:双击或拖选) 标签: Estnische Märchen
Ein Bauer hatte drei Söhne: die beiden älteren waren klug genug, der dritte aber etwas schwer von Begriffen. Vor seinem Tode traf der Vater die Anordnung, daß die älteren Söhne mit einander den Bauerhof übernehmen und ihren jüngeren Bruder ernähren sollten, da dieser nicht viel Hoffnung gab, daß er sich selber würde ernähren können; der Vater sprach ihm daher auch kein größeres Erbtheil zu als einen jungen Pflugstier. Da nun aber der Besitzer desselben nichts zu pflügen hatte, so nahmen die älteren Brüder wechselweise der eine heute, der andere morgen, den Stier ihres jüngeren Bruders zum Pflügen. Es läßt sich denken, daß bei solchem täglichen Pflügen kein Ochs gedeiht, zumal wenn die Peitsche dem Pflüger und der Ochs einem Andern gehört. Da kommt eines Tages zufällig ein Fremder, sieht die Geschichte mit dem Ochsen und setzt dem jüngeren Bruder einen Floh[44] in's Ohr, indem er sagt: »Meinst du, daß der Ochs vor dem Pfluge gedeiht, wenn du ihn täglich fremden Händen überlässest? Sei kein Thor, nimm lieber deinen Ochsen, verkaufe ihn auf dem Markte und stecke das Geld in die Tasche, dann weißt du was du hast.« Der junge Mann sah ein, daß der Bauer Recht habe, nahm seinen Brüdern den Ochsen weg, fütterte ihn bis zum Herbst, band ihm dann einen Halfter an seinen Hörnern fest und machte sich auf, den Markt zu besuchen. Sein Weg führte durch einen großen Wald und ein schneidender Wind blies in die Wipfel, daß sie unaufhörlich hin und her schaukelten. Zwei dicht beisammen stehende Bäume streiften einander beim Hin- und Herschwanken und verursachten von Zeit zu Zeit ein Gequiek. Der Besitzer des Ochsens horcht auf, wieder trifft ein Quiek! sein Ohr, da fragt er: »Was? — fragst du nach meinem Ochsen?« Quiek! tönt es vom Wipfel her zurück. Der Mann sagt: »Der Ochs ist mir feil; willst du den geforderten Preis zahlen, so nimm ihn.«[S 119] Quiek! schallte es wieder von oben herab. Der Mann fragt weiter: »Willst du funfzig Rubel geben? so sind wir Handels einig!« Quiek! ist wieder die Antwort. »Gut,« sagt der Mann, »so sei es denn, willst du das Geld gleich zahlen?« — Die Windstöße hörten jetzt eine Weile auf, und darum blieb der Wald ruhig. »Oder vielleicht nach einem Jahre?« Quiek! erscholl zur Antwort. »Ganz wohl« spricht der Mann, »ich kann warten.« »Aber du Alter mußt Bürgschaft leisten, damit ich nicht um das Meinige komme,« so spricht er zu einem hohen Baumstumpf, der in seiner Nähe stand, »willst du?« Quiek! schallt es zur Antwort. »Mag es denn sein,« — spricht der Mann — »unser Handel ist abgemacht, heute über's Jahr komme ich, mein Geld zu heben, und du, Alterchen, gelobst mir dafür zu stehen, daß ich nicht um das Meinige komme!« Wiederum: Quiek! Der Mann bindet den verkauften Ochsen an den Stamm einer Kiefer, da er den Baum für den Käufer hält und kehrt dann nach Hause zurück. Die Brüder fragen, wo er den Ochsen gelassen hat. Er erwidert: »Ich habe den Ochsen für funfzig Rubel an einen Bauer verkauft.« Wo das Geld sei? »Das Geld wird mir heute über's Jahr ausgezahlt, so haben wir es abgemacht,« antwortet der jüngere Bruder. »Gewiß hast du dich von einem Schelm betrügen lassen, und wirst nicht einmal den Schwanz deines Ochsen wiedersehen, geschweige denn das Geld,« sagten die Brüder. Der jüngste aber entgegnet: »Das hat gar keine Gefahr. Es ist ein fester Handel und ich habe einen wackeren Bürgen, der aus eigener Tasche zahlt, wenn sich der Käufer weigern sollte. Das ist aber nicht zu befürchten, es sind beide ehrenwerthe Männer, sie haben keinen Kopeken herunter gehandelt, sondern ohne weiteres meinen Preis zugestanden.« Namen und Wohnort des Käufers und des Bürgen erfuhren jedoch die Brüder nicht und deßhalb besorgten sie nach wie vor, daß ein ruchloser Galgenstrick nebst seinem Helfershelfer ihren blödsinnigen Bruder betrogen habe. Dieser aber blieb dabei, daß er zur rechten Zeit sein Geld erhalten werde.
 
Nach Verlauf eines Jahres genau an dem Tage wo er vorigen Herbst seinen Ochsen verkauft hatte, macht er sich auf, um den Kaufpreis in Empfang zu nehmen. Die Luft war ruhig und konnte die Wipfel im Walde nicht in Bewegung bringen, darum war auch nirgends Gebrause noch Gequieke zu hören. Er geht weiter und findet den Ort, wo er voriges Jahr den Ochsen verkaufte, wieder — auch Käufer und Bürge standen auf demselben Flecke, aber der Ochs war nicht mehr zu sehen; vielleicht war er geschlachtet oder an einen Dritten verkauft. Der Mann fragt bei der Kiefer an: »Willst du mir jetzt meinen Ochsen[S 120] bezahlen?« Die Kiefer läßt keine Silbe verlauten, auch auf die zweite und dritte Anfrage nicht. »Warte, Brüderchen!« ruft der Mann — »ich will dir den Mund öffnen!« rafft einen tüchtigen Prügel vom Boden und läßt damit solche Hiebe auf den Stamm der Kiefer regnen, daß der ganze Wald von dem Klatschen wiederhallt. Sieh da! der Bösewicht erträgt den Schmerz, sagt nichts und bezahlt auch nicht. »Auch gut« spricht der Mann. — »Der Bürge muß mir für die Schuld aufkommen und das Geld für den Ochsen hergeben.« »Du siehst, Alter, daß der Hund von Käufer nicht zahlen will, also mußt du mich laut Abmachung bezahlen. Gieb mir entweder den Ochsen wieder oder funfzig Rubel. Nun, was zauderst du noch? Der Mund war schneller im Versprechen als die Hand im Bezahlen!« — Der Stumpf konnte natürlich weder schwarz noch weiß reden, aber das setzte den Verkäufer in Feuer und Flammen. »Oho! ihr Bösewichter!« rief er zornig — »ich sehe, ihr seid beide Schurken!« So schimpfend schlug er auf den Stumpf los. Plötzlich stürzt der alte morsche Stumpf unter seinen wuchtigen Streichen krachend zu Boden. Aber, o Wunder! unter den Wurzeln kommt ein großer Geldtopf zum Vorschein, bis zum Rande mit Silbergeld angefüllt, das hier vor Alters, wer weiß wann, war vergraben worden. »Da seh' einer die Spitzbüberei«! ruft der Mann. »Der Käufer war ein Ehrenmann, der dir das Geld einhändigte und du wolltest es verleugnen und für dich behalten! Na, dafür hast du jetzt den gebührenden Lohn, da ich dich zu Boden geschlagen habe.« — Dann spricht er zur Kiefer: »Nimm's nicht übel, braver Mann, daß ich dir ohne Grund eine Tracht voll Prügel aufgeladen habe, aber du hast selbst die meiste Schuld, warum thatest du nicht zur rechten Zeit den Mund auf und sagtest mir, daß du ihm das Geld gabst, der uns jetzt Beide betrügen wollte.« Dann nahm er den Geldtopf auf die Schulter und machte sich auf den Heimweg. Die schwere Last zwang ihn, öfters auszuruhen. Unterwegs begegnet ihm der Prediger, der fragt: »Was trägst du so Schweres auf dem Nacken?« Der Mann erwidert: »Vorigen Herbst verkaufte ich einen Ochsen, der Kaufpreis ist mir heute ausgezahlt worden.« Darauf erzählt er umständlich, wie der Bürge ihn habe betrügen wollen, weßhalb er ihn auch zu Boden geschlagen habe. Der Prediger, der ihn als blödsinnig kannte, merkt bald wie die Sache mit dem Gelde eigentlich zugegangen ist, zugleich aber denkt er: hat der ein unverhofftes Glück gehabt, so kann er mir auch einen und den anderen Rubel verehren. »Gieb mir auch eine Handvoll von deinem Reichthum, Brüderchen, so hast du leichter zu tragen.« Der Mann wirft ihm[S 121] eine Handvoll hin: »Da, nimm!« Da sagt der Prediger: »Gieb mir noch eine für meine Frau,« der Mann giebt sie, ebenso auch für die beiden Töchter, jeglicher ihr Theil. Da die Sache so glatt geht, denkt der Prediger, er könne auch für seinen Sohn betteln. »Unersättlicher Geizhals« ruft der Mann mit dem Gelde — »was lügst du? Du hast ja gar keinen Sohn! Meinst du vielleicht mir ebenso mitzuspielen wie der schuftige Bürge? Warte, ich will dir zeigen, wie man Betrügern lohnt!« Mit diesen Worten schlägt er dem Prediger mit dem Geldtopf dermaßen vor den Kopf, daß der Topf zerbricht und der Prediger todt hinfällt. Unser Freund nimmt seinen Quersack von der Schulter, sammelt das Geld vom Boden auf und thut auch das hinein, welches er dem Prediger gegeben hatte; dann geht er nach Haus. Groß war am Abend das Erstaunen der älteren Brüder, als der von ihnen verspottete Ochsenverkäufer mit einem schweren Geldsack in's Zimmer trat, der lauter gutes Silber enthielt. Da erzählte er ihnen seine Begegnisse, und wie er erst den schurkischen Bürgen und danach den lügenhaften Prediger zu Boden geschlagen. Der letztere Fall weckte in den Brüdern die Besorgniß, daß sie mit verantwortlich gemacht werden könnten, sie gingen darum selbander fort, und brachten in der Dunkelheit des Predigers Leichnam heimlich nach Hause, wo sie ihn verbargen, um ihn bei erster Gelegenheit in aller Stille zu bestatten, damit die Leute der Sache nicht auf die Spur kommen und ihnen die That zuschreiben könnten. Aber ihr jüngster Bruder hatte ihren Gängen nachgespürt und den Ort entdeckt, wo sie den Prediger hingelegt hatten.
 
Als nun Frau und Töchter des Predigers sahen, daß derselbe spurlos verschwunden war, fürchteten sie, der alte Bursche (Teufel) möchte ihn geholt haben und wollten doch ein solches Gerücht nicht aufkommen lassen. — Sie sagten also, der Prediger sei ganz plötzlich verschieden, rüsteten einen prächtigen Begräbnißschmaus und legten statt des Todten Steine und Stroh in den Sarg. Die älteren Brüder, welche gemerkt hatten, daß der jüngste den todten Prediger hinter ihrem Rücken aufgefunden hatte, gruben in der Nacht ein Loch und legten den Todten hinein. Da aber dennoch zu befürchten war, daß ihres einfältigen Bruders Mund unnützes Zeug über sie schwatzen werde, so entschlossen sie sich einen Bock zu schlachten, der an derselben Stelle geborgen wurde, wo vorher der Todte gelegen hatte. Der Bock wurde mit einem weißen Leintuch bedeckt, dabei aber der Kopf dergestalt gelegt, daß der Bart ein wenig herausguckte.
 
Beide älteren Brüder waren zum Begräbniß des Predigers ge[S 122]laden, während der jüngste allein zu Hause blieb. Die Langeweile machte das Männlein verdrießlich: war er denn etwa schlechter als die anderen, daß er nicht zum Gastmahl geladen worden? Dann dachte er: haben sie mich nicht gebeten, so will ich ungebeten hingehen und ihnen zeigen, daß ich noch mehr Recht habe Theil zu nehmen als die Andern, weil ich ja doch die Veranlassung zu dem Gastmahl bin.
 
Als sich die Gäste nun eben um den Tisch setzten, trat er ein, und sagte: »Na, was soll denn das bedeuten? Ihr eßt und trinkt hier, mich aber vergeßt ihr einzuladen, der ich doch von Rechtswegen des Mahles Meister bin? Oder habt ihr vielleicht, oder haben meine Brüder den Prediger todt geschlagen? Keineswegs: denn ich versetzte ihm mit dem Geldtopfe einen Schlag an den Kopf für seine schamlose Habgier, da er mir durch Lügen mehr Geld abzwacken wollte als ihm ziemte. Erst gab ich ihm Geld, dann erhielt er für seine Frau und seine beiden Töchter je eine Handvoll für die vier, da wollte er auch noch für seinen Sohn haben. Ihr wißt aber so gut wie ich, daß so ein Sohn gar nicht vorhanden ist? Für diese unverschämte Lüge schlug ich ihm an den Kopf, obgleich ich nicht die Absicht hatte ihn todt zu schlagen, sondern nur für seine Habgier und Lüge zu züchtigen. Als meine Brüder ihn später nach Hause schafften, war er schon längst todt.«
 
So sprach der Blödsinnige der drei Brüder auf dem Leichenschmaus des Predigers. Obgleich nun die Leute wußten, daß er schwachköpfig war und daß man auf seine Reden nicht viel geben könne, so hielten es doch Einige für gut, die Sache näher zu prüfen. Die Brüder stellten Alles in Abrede und straften ihres Bruders Reden Lügen. Dennoch begab man sich an den Ort, wo des Predigers Leichnam angeblich versteckt war, um nachzusehen. Der jüngste Bruder ging selber als Führer mit und zwar dahin, wo, wie er wußte, die Brüder den Todten versteckt hatten. Als man dort angekommen war, fand sich in der That ein todter in ein weißes Leintuch gehüllter Körper, dessen weißer Bart unter der Hülle hervorragte. Da rief der Führer ganz vergnügt: »Nun seht ihr jetzt? Sie haben den Alten schon mit dem Laken zugedeckt, aber der Bart guckt doch heraus. Nehmt das Laken fort, so werdet ihr den Prediger finden, den ich zu Boden schlug und werdet inne werden, daß mir von Rechtswegen der erste Platz an der Gasttafel gebührt!« Man zog die Decke vom Todten weg und fand einen — geschlachteten Bock, dem Hörner und Bart noch nicht abgeschnitten waren. Jetzt merkten die Männer, daß der[S 123] Narr sie — mit oder ohne Absicht — angeführt hatte, gingen zum Leichenschmause zurück und das Gerede vom Todtschlag verstummte. So kam es, daß die Sache mit dem im Wald gefundenen Schatz wie auch mit der Tödtung des Predigers bis auf den heutigen Tag nicht aufgeklärt worden ist. 
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