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Estnische Märchen:13. Wie sieben Schneider in den Türkenkrieg zogen.

时间:2022-04-13来源:互联网 字体:[ | | ]  进入德语论坛
(单词翻译:双击或拖选) 标签: Estnische Märchen
Es lebten einmal in alten Zeiten sieben Schneider, denen das Nadeln zuwider geworden war: sie wollten höher hinaus. Von manchen tapferen Helden hatten sie erzählen hören und dann vernommen, daß im Türkenlande ein großer Krieg angebrochen sei und daß wackere Männer dahin gesucht würden. Bei dieser Nachricht schwoll unseren Männlein der Kamm, sie wollten zu Felde ziehen um sich die Sporen zu verdienen; und redeten darum untereinander wie folgt: »Wir stehen wohl auch unsern Mann! Bislang haben wir friedlich Löcher in's Zeug gestochen, gehen wir jetzt mit stärkerem Spieß des Feindes Leiber zu durchbohren!« Sie ließen sich nun einen langen Lanzenschaft aus dem stärksten Eichenholz machen, dann vom Schmiede ihre sieben Scheeren zusammenschweißen, zu einer Lanzenspitze zurechthämmern und an das Ende des Schafts festklopfen. Ehe sie sich auf den Weg machten, wurde geloost, wer von ihnen Obermann werden und als Führer[40] vorangehen solle. Als das Loos entschieden hatte, stellten sie sich in eine Reihe und nahmen gemein[S 96]schaftlich die schwere Lanze auf ihre Schultern, weil eben Einem die Last zu schwer geworden wäre. Der Erste, der durch's Loos gewählte Hauptmann, der die scharfe Spitze der Lanze trug, wurde Nasenmann genannt, weil seine Nase den Andern den Weg zeigen sollte. Die fünf Folgenden erhielten die Namen: Einkraftmann, Zweikraftmann, Dreikraftmann, Vierkraftmann und Fünfkraftmann, was freilich nicht bedeuten sollte, daß Einer von ihnen die Kraft von drei oder vier Männern gehabt hätte, sondern nur anzeigen, in welcher Reihenfolge sie marschiren müßten, damit gar keine Irrung entstehen könnte. Der Siebente wurde Schwanzmann genannt, weil das hintere Ende des Lanzenschafts auf seiner Schulter lag; die Kraftmänner aber mußten auch noch abwechselnd den Brotsack tragen, der eine ein Drittel des Tages, der andere das zweite Drittel und so weiter bis zum sechsten. Ueberdies hatte Jeder ein Preßeisen in der Tasche, damit nicht auf offenem Felde der starke Wind sie vom Wege fortblasen könnte. Es versteht sich übrigens von selbst, daß die Männer alle eben so klug wie beherzt waren, da sie wohl sonst nicht gewagt hätten, eine so große Sache zu unternehmen, die ihnen auf jedem Schritte den Tod bringen konnte.
 
So zum Kriege gerüstet zogen alle sieben Männer an einem schönen Sommermorgen aus, nahmen zu rechter Zeit Frühstück und Mittagsmahl, ruhten dazwischen im Schatten der Gebüsche aus, eilten dann wieder weiter und wollten, wenn sie Jemandem begegneten, nach dem besten Wege in's Türkenland sich erkundigen. Als sie so über Feld gingen, sah der Nasenmann und sahen auch die Andern einen Bauerhof unweit der Straße, und es wurde sofort beschlossen zwei Männer auf Kundschaft auszuschicken, ob man da nicht noch Mundvorrath für die Reise bekommen könnte. Dreikraftmann und Fünfkraftmann gingen hin um nachzusehen. Als sie zurück kamen, erzählten sie den Andern, daß sie auf dem Hofe nichts weiter gefunden als drei Weiber und einige Kinder, von Männern nirgends eine Spur. Der Nasenmann sagte: »Kriegsleute müssen Muth haben, also gerade auf den Feind los, und wenn er noch so stark ist!« Die Männer stießen ein Freudengeschrei aus und stürmten auf den Bauerhof los. Als die Weiber die sieben Männer und die lange Lanze sahen, erschraken sie wohl im ersten Augenblick, aber ein Mütterchen, das natürlichen Scharfblick besaß, merkte sogleich, was für Männlein die Andringenden wären, und sagte deshalb zu den andern Weibern: »Diese Feinde jagen wir mit dem Besenstiel zum Hofe[S 97] hinaus!« — nahm einen Besenstiel in die Hand, während ein andres Weib eine Mistgabel, ein drittes eine Brotschaufel ergriff und so stellten sie sich vor die Thür, den Feind erwartend. »Halt, Brüderchen!« rief der Nasenmann, die Klugheit muß zuweilen den übermäßigen Muth zügeln, sonst könnte es Unglück geben; wir haben nur eine Waffe, sie aber drei und viele Hunde sind endlich auch des Bären Tod. Kehren wir lieber um.« Die Andern fanden des Hauptmanns Rath lobenswerth und machten sich deshalb so rasch davon, als ob sie Feuer in den Taschen hätten. Als der Schwanzmann nach einiger Zeit es wagte, über die Schulter zurückzublicken, sah er, daß ihnen kein Feind mehr auf der Ferse sei; da hemmte man den Lauf und zog langsam weiter.
 
Am Abend gegen Sonnenuntergang flog ein Mistkäfer über die Kriegsmänner hin; sie hörten das Gesumme seiner Flügel, welches in der Abendstille so fürchterlich klang, daß die Männer schauderten. Der Nasenmann rief: »Brüderchen, der Feind kommt über uns, ich höre schon sein Dröhnen!« Mit diesen Worten ließ er die Lanzenspitze von der Schulter gleiten und lief mit Blitzesschnelle davon. Die Andern dachten: unser Leben ist auch nicht zäher als seines! warfen die Lanze von den Schultern und nahmen, wie ihr Hauptmann, die Flucht, der eine hierhin, der andere dorthin, wie es sich gerade traf. Der Nasenmann hatte eine leere Heuscheune gesehen und lief darauf zu, um eine Zufluchtsstätte zu finden; als er aber hineinsprang, bemerkte er nicht, daß ein Rechen am Boden lag, der, als sein Fuß unversehens die Pflöcke berührte, in die Höhe schnellte und mit dem Stiele gegen sein Gesicht schlug. »Habt Erbarmen, oder führt mich in's Gefängniß!« — bat Nasenmann — »aber laßt mich leben!« er hielt nämlich das Anprallen des Stiels für einen Schlag des Feindes. Nach einer Weile, als Alles um ihn her still blieb, glaubte er, der Feind habe sich zurückgezogen und wagte nun die Scheune zu verlassen. Inzwischen hatte nächtliches Dunkel sich über die Gegend gelagert, wo sollte er jetzt seine Gefährten auffinden? Sie zu rufen, wagte er nicht, denn auch die Feinde hätten seine Stimme hören können. Dieselbe Furcht verschloß den andern Männern den Mund, so daß keiner ein Zeichen zu geben wagte. Dreikraftmann, der in einen Strauch von wilden Rosen gerathen war, konnte jedoch das Stechen der Dornen nicht länger aushalten, sondern fing an bitterlich zu weinen und den Feind, von dessen Lanzenspitzen er sich gequält glaubte, um Gnade zu bitten. »Gnade, Gnade, lieben Leute! es wäre schon an einer Lanze über[S 98]genug, warum stecht ihr mich mit so vielen?« Als die Feinde aber nicht darauf hörten, nahm er Reißaus, bis er über den Schwanzmann stolperte und hinfiel, aber Beide wagten sich nicht weiter zu rühren, sondern dachten, wenn wir still bleiben, halten uns die Feinde für todt. So lagen Beide bis zum Morgen, wo sie erst beim Schein der Morgenröthe inne wurden, daß sie Freunde seien.
 
Da nun ringsum nirgends mehr eine Spur vom Feinde zu erblicken war, so riefen sie auch den Uebrigen zu, die dann auch einer nach dem andern herankamen. Keiner von Allen hatte soviel Schaden genommen, wie Dreikraftmann, dessen Körper an vielen Stellen zerkratzt war. Nasenmann sagte: »Ich weiß zwar nicht, wo ich verwundet bin, aber am Blutfluß merke ich, daß ich Schaden genommen habe, denn meine Hosen sind voll Blut.« Als man nachsah, fand sich, daß das Blut eine bräunlich-gelbe Farbe hatte und Vierkraftmann sagte: »Der Geruch ist übler, als der von Blut.« Nasenmann ging, seine Hose zu reinigen und dankte seinem Glücke, als er sah, daß er nirgends eine Wunde hatte. Darauf beschlossen die Männer einmüthig, von ihren ersten Kriegsdrangsalen zu Hause nichts zu sagen.
 
Als die Lanze wieder aufgefunden war, setzten sich Alle nieder, um sich durch einen Imbiß zu stärken, ehe sie weiter zögen. Da fiel es dem Nasenmann ein, die Kriegsleute zu überzählen, um zu sehen, ob der zweimalige Zusammenstoß Verluste gebracht habe? Es fand sich, daß ein Mann fehlte; die Andern zählten ebenfalls, Jeder der Reihe nach, und Keiner brachte mehr als sechs heraus, der siebente war verschwunden. Sie zählten so: Ich bin ich, dann eins, zwei, drei bis zum sechsten. Wer von ihnen nun aber verloren gegangen war, konnte Niemand sagen. Endlich kam einem von ihnen ein gescheidter Gedanke wie angeblasen. Er sah am Boden einen kleinen Misthaufen und sagte zu den Kameraden, wenn jeder seine Nase hineinsteckte, so könnte man sehen, wie viel Löcher dadurch entstanden wären. Sie thaten es und als man darauf die Nasenspuren nachzählte, da fanden sich — o Freude — alle sieben; Niemand aber konnte begreifen, woher der Irrthum gekommen, daß man beim Zählen nur sechs herausgebracht.
 
Als sie weiter zogen, kamen sie an den Saum eines dichten Waldes, in welchen ein schmaler Pfad hineinführte. Hier wurde wieder Rath gepflogen, was besser wäre, auf diesem Pfade gerade durch zu marschiren, oder den Wald in einer weiten Entfernung zu umgehen. Allein da keiner vorher wissen konnte, ob denn auch ein Weg[S 99] um den Wald herum führe, so wurde endlich einmüthig beschlossen, hindurch zu gehen. Der schmale Pfad machte ihnen das Weiterkommen sehr beschwerlich, da sie unaufhörlich rechts und links mit den Händen die Zweige zur Seite biegen mußten; sie konnten deshalb auch nicht weiter sehen, als die Nase reichte. Ohne aber auf Hindernisse und Dunkelheit zu achten, schritten sie muthig und tapfer vorwärts, so daß sie nicht früher gewahr wurden, daß ein Wolf mitten im Wege schlief, als bis Nasenmann schon den Fuß erhoben hatte, um darauf zu treten. Als er nun so plötzlich die gräuliche Bestie zu seinen Füßen erblickte, rief er voll Schrecken: »Ein Seehund! ein Seehund[41]!« und sprang jäh zurück, so daß Einkraft-und Zweikraftmann auf ihre Hintermänner gedrängt wurden und die Männer sämmtlich zu Boden fielen, bis auf Schwanzmann, der glücklicher Weise aufrecht blieb, wodurch die Lanzenspitze auf den Wolf zu fallen kam. Gern hätten die Männer sämmtlich die Flucht ergriffen, wenn die vor Schrecken erstarrten Beine sie hätten tragen wollen, oder wenn der dichte Wald das Durchkommen gestattet hätte. Da also kein Entrinnen möglich war, so mußten sie nothgedrungen bleiben und ruhig warten, bis der Seehund einen nach dem andern verschlingen würde. Nasenmann, welcher am nächsten stand, wunderte sich, daß das Raubthier sich nicht vom Flecke rühre und klug wie er war, schloß er daraus sofort, daß ihre scharfe Lanze dasselbe im Schlafe getödtet habe. Als er näher trat und das Thier untersuchte, fand er es entseelt, was freilich nicht von einer durch die Männer ihm beigebrachten Wunde herrührte, sondern schon einige Tage vorher eingetreten war. Nasenmann's Freude über dieses unerwartete Glück war grenzenlos, als er aber über die Schulter blickte und seine Gefährten alle mit dem Gesicht auf dem Boden liegend fand, erschrak er von neuem, weil er glaubte, daß sie durch sein Zurückprallen sämmtlich vom Lanzenschaft durchbohrt seien, so daß sie daran stäken, wie Strömlinge an der Stange. Er hub dann so bitterlich an sein Herzweh zu klagen, daß der Wald ringsum von seinem Geschrei erscholl. Die Andern glaubten anfangs, daß er unter den Griffen des Thieres schreie und wagten deshalb nicht, sich[S 100] vom Fleck zu rühren. Als aber das Geschrei andauerte, wurde ihnen soviel klar, daß doch aus dem Bauche des Thieres so lautes Schreien nicht an ihr Ohr dringen konnte. Die Dreisteren hoben die Köpfe etwas in die Höhe und lugten heimlich von unten herauf, um zu entdecken, warum denn ihr Hauptmann so schreie. Sobald sie inne wurden, daß der erschlagene Seehund weder Ohren noch Schwanz rührte, und Nasenmann unversehrt neben ihm stand, sprangen sie wie der Wind vom Boden auf und eilten, sich die seltsame Sache anzusehen. Niemand von ihnen war im Geringsten verletzt; daß sie niedergestürzt, war einzig und allein deshalb geschehen, damit des gräulichen Thieres Auge sie nicht erblicken sollte. Als sie nun zusammen das Unthier, wofür sie den Seehund gehalten, zu untersuchen begannen, wo und wie tief ihr Schlachtspeer in dasselbe eingedrungen sei, erstaunten sie wohl sehr darüber, daß an dem Thiere auch nicht die mindeste Spur einer Wunde sichtbar wurde. Dreikraftmann sagte: »Ein Seehund hat doch nicht mehr als zwei natürliche Oeffnungen, eine vorn, die andere hinten, jetzt seht nach, in welche von beiden ist unsere Lanze eingedrungen?« Fünfkraftmann war näher getreten und als er mit der Nase an den Seehund rührte, rief er: »Oho! Brüderchen! ihr seid auf dem Holzwege! Der Seehund ist schon längst krepirt, denn er stinkt!« »Ja,« sagte Dreikraftmann, »mir ist schon längst ein fauler Geruch, wie von einer sauer gewordenen Strömlingstonne, in die Nase gestiegen!«
 
Die Männer faßten nun einmüthig den klugen Beschluß, dem todten Seehund das Fell abzuziehen und dasselbe an der Lanze zu befestigen, damit alle Welt daraus ersähe, was für tapfere Thaten sie verrichtet hätten. Den Leichnam ließen sie im Walde liegen, indem sie sagten: »Hat er früher Rinder und Pferde gefressen, so mögen sie jetzt ihn fressen!«
 
Da nun aber der Abend hereinbrach und sie noch immer nicht wußten, wie weit der Wald sich noch erstrecken möchte, so mußten sie ihren Marsch beschleunigen, um vorwärts zu kommen. Nach einer Werst hörte der Wald auf und sie kamen an ein Feld, auf dem nichts weiter wuchs, als einiges Wachholdergebüsch. »Hier wollen wir zur Nacht bleiben«, sagte Nasenmann, »denn wir haben heute wie Männer uns gemüht und geplagt.« Während die Andern schliefen, sollte immer einer von ihnen abwechselnd Wache halten, damit ihnen kein Unheil über den Hals käme.
 
Mitten in der Nacht, als gerade Dreikraftmann auf Wache stand, vernahm er ein schauerliches Getöse, weshalb er sogleich[S 101] seine Gefährten weckte. Die Männer spitzten alle die Ohren und von Zeit zu Zeit erscholl es: plumps! plumps! als ob Jemand einen schweren Stein aus einer Höhe zu Boden würfe. Einige hielten das Geräusch für so schlimm, daß es die Erde unter ihren Füßen erbeben mache. Was konnte das sein? Nasenmann fragte, ob einer sich getraue, dem Geräusche nachzugehen, um zu sehen, was es sei; aber keiner schien Lust zu haben, solch' ein Wagniß zu unternehmen. Endlich sagte Dreikraftmann, der manchmal verwickelte Fragen sehr scharfsinnig zu lösen wußte: »Ich glaube zu wissen, was das Geräusch zu bedeuten hat; des erschlagenen Seehundes Geist geht sicherlich als Gespenst[42] um.« Als aber das Geräusch immer näher kam, sagte Schwanzmann: »Mir fällt etwas ein, wie wir unseres Gespenstes am besten Herr werden können. Die Gespenster müssen sich vor wilden Thieren fürchten, ich wickele das Fell des erschlagenen Seehundes wie einen Pelz um mich und gehe auf allen Vieren dem Geräusch entgegen, dann jage ich das Ding gewiß in die Flucht.« Der Anschlag gefiel den Männern, und so wurde Schwanzmann in das Seehundsfell gewickelt, und damit er auch sonst nicht ohne Schutz gegen Gefahren bleibe, nahmen die Andern die Lanze auf die Schultern und gingen in einem Abstand von hundert Schritten hinter ihm her. Schwanzmann war noch nicht weit gekommen, da sah er auf dem Felde ein gräuliches fünffüßiges Thier, das hatte zwei lange Hörner und feurige Augen im Kopfe, die wie Kerzen weithin leuchteten. Wunderlich war sein Gang, die beiden Vorderfüße hob es zugleich auf, als wären die Beine zusammengewachsen, die Mittelfüße traten einer nach dem andern einher, der fünfte Fuß aber schien dazu vorhanden zu sein, daß ihn das Thier wie einen Flügel bald links, bald rechts schwinge, wahrscheinlich um die Bewegung des schweren Körpers zu erleichtern. Den Kopf hielt das Thier am Boden und brauchte ihn wohl dazu, den Körper vorn zu stützen. Als unser Freund das Alles gesehen hatte, hielt er es für das Gescheidteste, so sacht als möglich zurück zu gehen, ehe das gräßliche Thier ihn erblicke. Als die Andern seinen Bericht gehört hatten, wurde sogleich beschlossen, das Weite zu suchen, damit das gräuliche Thier sie nicht fände. Hätte nicht die Furcht den Augen Schwanzmann's ein Blendwerk vorgemacht, so würde er ein Wesen gesehen haben, das weder ihm noch den Andern Angst erregt hätte, nämlich[S 102] ein gekoppeltes Pferd, welches diese Nacht auf der Weide graste. Die vermeintlichen Hörner waren des Thieres Ohren, der Schwanz sein fünfter Fuß und die feurigen Augen hatte ihm die Furcht des Beschauers geschaffen.
 
Am folgenden Tage ging ihre Reise glücklich von Statten und es stieß ihnen weiter kein Hinderniß auf als ein kleiner See, an dessen Ufer sie gegen Abend gelangten. Vom hohen Ufer aus gesehen wogte der blaue See vor ihren Augen, als ob ein Windstoß über die Wasserfläche hin fahre. Die in den Türkenkrieg ziehenden Männer ließen sich am Ufer auf den Rasen nieder und hielten Rath, wie sie hinüber kommen sollten, da nirgends in der Nähe weder Boot noch Kahn zu sehen war. Hätten sie gewußt, daß ihr Sitz nichts weiter als ein Erdhaufen war und der vermeintliche See ein Flachsfeld, das gerade mit blauen Blüthen bedeckt war[43], so hätte ihnen das Rathschlagen weniger Kopfbrechen gekostet. Nasenmann sagte: »Hier hilft alles nichts, über den See müssen wir, wie sollten wir sonst nach Türkenland kommen. Hätte einer von uns die Stärke des Kalewsohnes, so könnte er uns mit Leichtigkeit über den See an's andere Ufer tragen; oder ist Jemand ein tüchtiger Schwimmer, der bringe die Andern der Reihe nach über den See auf's Trockne. Dreikraftmann sagte: »Hast du die Stärke, so sei der Kalewsohn und trage uns durch den See, oder bist du ein geschickter Schwimmer, so schwimm' und nimm uns mit.« Fünfkraftmann aber, der gerade hinter seinem Rücken stand, stieß ihn vom Ufer — oder richtiger gesprochen: vom Erdhaufen hinunter. Dreikraftmann erschrack anfangs nicht wenig, als er aber merkte, daß er mit der Nase auf trocknem Rasen lag, fühlte er alsbald wieder Muth in sich und rief aus: »wer ein wackerer Mann sein will, der komme mir nach!« Da stieß Nasenmann noch zwei Männer vom Ufer und die übrigen sprangen von freien Stücken hinunter. Außer einer kleinen Erschütterung verspürte Keiner weiteren Schaden, und Alle waren froh, daß das Wagestück gelungen war und das gefürchtete Wasser sie nicht naß gemacht hatte. Die Lanze aber hatten die Männer am Ufer vergessen und mußten nun zurück gehen um ihre Waffe zu holen, weil[S 103] ein Krieger ohne Lanze ebensowenig weiter kommt, als ein Ackersmann ohne Pflug. Da der Abend angebrochen und eine geschützte Stelle zur Hand war, so wollten die Männer hier übernachten und nach gepflogener Berathung wurde ein Lager hergerichtet.
 
Als die Kriegsmänner sich eben schlafen legen wollten, drang der Feind auf sie ein, es war ein Bauer mit einem derben Knüttel auf der Schulter, der scheltend heran kam. »Ihr Lumpengesindel!« rief er, »habt ihr nicht anderswo Raum euch niederzulassen als auf meinem Flachsfelde! Wartet ihr Galgenschwengel! ich will euch den Rücken so blau schlagen wie die Flachsblüthen!« — Die Türkenbekämpfer aber dachten: besser Furcht als Reue! und ergriffen die Flucht; kaum daß sie noch so viel Zeit hatten, die Lanze mitzunehmen. Sie hätten sich wohl auch zur Wehr setzen können, aber der Feind war so plötzlich und mit so wildem Grimm auf sie eingestürmt, daß es ihnen nicht beikam den Kampf aufzunehmen. Erst nachdem sie einige Werst weit geflohen waren, fiel es ihnen ein, sich zur Wehr zu setzen, aber wo sollten sie jetzt den Feind hernehmen? Eben so gut hätten sie die Luft greifen können! »Wir hätten ihn ja kurz und klein schlagen können,« sagte Nasenmann — »wenn er uns nicht so unvermuthet über den Hals gekommen wäre.« Dreikraftmann sagte: »Und was für einen Knüttel führte er! Ich danke meinem Glücke, daß er nicht dazu kam, meinen Rücken zu messen, er hätte mir alle Knochen zu Brei geschlagen. Aber was meint ihr dazu, Kameraden, wenn wir morgen früh unsere Schritte wieder heimwärts lenkten? Wer Teufel weiß, wie weit das Türkenland noch sein mag und was für Unglück uns noch zustoßen kann ehe wir hinkommen?« Die Andern fanden sogleich, daß Dreikraftmann's Rath gut war. »Aber« — sagte Nasenmann: »den Weg, den wir gekommen sind, gehe ich nicht zurück, da würden wir wie die Mäuse der Katze in den Rachen laufen und unsere Haut zu Markte tragen, weil der Mann mit dem Knüttel nicht verfehlen würde uns durchzubläuen.« Alle mußten zugeben, daß Nasenmann Recht hatte, und nachdem sie über die halbe Nacht damit zugebracht hatte, die Sache nach allen Seiten hin zu erörtern, wurde einmüthig beschlossen auf einem andern Wege zurück zu kehren.
 
Da kamen sie denn nach einigen Tagen an das Ufer eines See's, in welchem wirklich Wasser floß, und also nicht blos ein blauer Schimmer der Oberfläche sie täuschte. »Das ist also der Peipus-See,« rief Vierkraftmann, der den Ort sogleich erkannte, »aber hier müssen wir sehr vorsichtig sein, weil hier ein gar gräuliches Unthier[S 104] wohnen soll, ob Vierfüßler, Vogel oder Fisch, kann ich nicht mit Sicherheit angeben, aber das habe ich aus alter Leute Mund vernommen, daß der Kalewsohn selber es nicht bezwungen hat.« Nasenmann stand eine Weile nachdenklich und sagte dann: »Wenn sich die Sache wirklich so verhält wie du sagst, so müssen wir ihm entgegenziehen und ihm das Garaus machen! Diese That wird uns mehr Ehre und Ruhm bringen als ein Kampf gegen die Türken.« — Als sie nun des Waldes ansichtig wurden, in welchem das Unthier seinen Aufenthalt haben sollte, da sank ihnen freilich wieder das Herz in die Hosen, was übrigens auch andern Wackeren begegnen kann; dennoch wollten sie die Heldenthat nicht aufgeben. »Wer kann wissen, ob wir mit dem Leben davon kommen,« sagte Nasenmann — »der Tod kümmert sich nicht um des Menschen Alter, sondern rafft dahin, wen er eben packt. Nun wollen wir aber nicht mit leerem Magen aus dieser Welt scheiden, darum ihr Brüderchen! setzen wir uns nieder und verzehren wir vor unserm Ende noch einmal unser Brot, vielleicht (hier stürzten ihm Thränen aus den Augen) ist es unsere letzte Mahlzeit.« Da wurde den Männern gar wehmüthig um's Herz, als sie ihres Anführers Betrübniß sahen und als sie daran dachten, daß wenn das heutige Brot gegessen sei, sie wohl kein neues mehr backen würden. Während sie sich so über den Tod unterhielten, versäumte doch keiner darüber sich satt zu essen, denn sie meinten, mit vollem Magen lasse es sich leichter sterben als mit leerem. Nach dem Essen begannen die Männer sich gegen den Feind zu rüsten, wobei es viel Hin- und Herreden gab. Nasenmann, der bis jetzt immer der erste gewesen war, meinte jetzt, er habe dieses Ehrenamt lange genug bekleidet und wünschte, daß ein Anderer an seine Stelle träte. Aber die Andern sträubten sich dagegen und sagten, es wäre nicht in der Ordnung, wenn sie sich vor ihren Vorgesetzten drängen wollten; Muth hätten sie genug, nur keinen Körper, der mit ihrem Muthe gleichen Schritt hielte. Dreikraftmann meinte, ob es denn nicht das Beste wäre, wenn Einer für alle Andern stürbe und der Hauptmann dies auf sich nähme, aber Nasenmann schrie, daß der Wald wiederhallte: »So haben wir nicht gewettet! Wer einen guten Rath zu geben weiß, der hat auch die Pflicht, meine ich, selber diesem Rathe gemäß zu handeln!« Nachdem sie noch eine Zeit lang gezankt und hin und her gestritten hatten, so einigten sie sich endlich dahin, daß Alle gleichzeitig mit der Lanze auf den Feind eindringen sollten, nahmen die Lanze auf die Achseln und zogen in alter Weise dem Walde zu, wo das böse Unthier hauste. Bevor sie den Wald er[S 105]reichten, mußten sie über ein Blachfeld, da war eine Dame vom Espenhain oder gerade heraus gesagt — ein Hase, der sich eben gesetzt hatte und seine langen Ohren emporstreckte. Dieser gräßliche Anblick erschreckte die Schneider dergestalt, daß sie sogleich still standen und sich beriethen, ob sie vorwärts gehen, gerade auf das gräßliche Unthier losstürmen und es mit ihrer langen scharfen Lanze durchbohren sollten, oder ob es nicht besser sei, die Flucht zu ergreifen, ehe das Thier über sie herfalle und Einen nach dem Andern hinunterschlucke. Da nun Schwanzmann der hinterste und durch sechs Mann vor sich geschützt war, so schwoll seine Verwegenheit so sehr an, daß er dem Nasenmann zurief: »Stoß den Feind nieder, wir helfen ja von hinten nach!« Aber Nasenmann erwiderte: »Du hast gut schwatzen, du bist durch Andere gedeckt, wärest du an meiner Stelle, so fiele das Herz dir wohl zwanzig Mal in die Hosen.« So haderten die Männer eine Weile; Einer gab immer dem Andern Schuld, daß man nicht gerade auf den Feind losgehe, Allen aber standen vor Furcht die Haare zu Berge wie die Schweinsborsten. Endlich aber rief Nasenmann: »Gehen wir denn, ihr Männer, gerade drauf los!« kniff die Augen zu und stürmte vorwärts, dabei schrie er aus Leibeskräften: »Hurjo! hurjo«! worauf der Hase nach dem Walde davonlief. Als Nasenmann nach dem Feinde blinzelte und seine Flucht sah, rief er vor Freude: »Er weicht schon, er weicht schon, er weicht schon! eben so gut könnte man die Luft greifen! Seht, Männer, seht! er läuft wie ein Hase! sollte es nicht gar ein Hase sein?« Dreikraftmann sagte: »Ich weiß nicht, Brüderchen, wo du deine Augen gelassen hast? das Thier hat die Größe eines Füllens!« Vierkraftmann wollte dies berichtigen und meinte, das Thier sei doch wohl so hoch wie ein Pferd, Fünfkraftmann sagte: »meinem Auge erscheint ein Ochs, mit diesem Thiere verglichen, kleiner als ein junger Hund.« Schwanzmann aber meinte, das Thier habe die Höhe eines Heuschobers. So konnten die Männer sich lange nicht einigen über die Größe des Thieres, das aber mußten sie zuletzt Alle einräumen, daß der Unhold auf den ersten Anblick allerdings einen Körper habe, wie ein Hase, jedoch um Vieles größer sei als ein Hirsch.
 
Als nun die Türkenlands-Kämpfer aus der eben beschriebenen Fährlichkeit Alle glücklich mit dem Leben und mit gesunden Gliedmaßen davon gekommen waren, wurde zur Stärkung ein Imbiß genommen; dann überlegten sie, was nun zunächst zu thun sei. Daß sie bislang auf ihrem Zuge mehr als genug wackere Thaten vollbracht, welche im Gedächtniß der Nachkommen fortleben würden, das fühlte[S 106] Jeder von ihnen. Und ein Jeglicher war dessen froh, daß er an seinem Theile ein Mann gewesen sei, den keine Drangsal vom rechten Pfade hatte ablenken können.
 
Nach langem Rathschlagen wurde beschlossen, wie folgt: »Wer so viele Tage lang Hitze und Beschwerden ertragen, wie wir sieben, der hat ein volles Recht heimzukehren und fortan unter dem Schatten des Ehren- und Ruhmesbaums, welchen vereinte Tapferkeit gepflanzt, die Tage seines Alters zu verleben. Lanze und Seehundshaut aber sollen zu ewigem Gedächtniß an einem passenden Orte aufgehängt werden, den Nachkommen zur Schau, damit alle Schneider Kunde erhalten von den Thaten, welche ihre Vorväter auf der Welt verrichteten.«
 
Ob gegenwärtig noch Ueberbleibsel von dem berühmten Schlachtspeer und von der »Seehundshaut« vorhanden sind, weiß ich nicht mit Sicherheit anzugeben, was aber männiglich bekannt ist, das ist der Schneider Muth und Tapferkeit. Diese von ihren Vorfahren überkommenen Eigenschaften sind das Erbtheil aller Schneider und werden ihnen verbleiben bis an der Welt Ende. 
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