„Schrecklich oder nicht. Wir haben doch kein Mitleid mit dem Riesen, der unsere Freunde und Kollegen gefressen hat“, entgegnete der Steuermann. „Auch heute Abend wird er wieder einen von uns fressen. Vielleicht bin sogar ich an der Reihe. Vielleicht aber auch du, mein Freund Sindbad, oder der Schiffsjunge. Darum sollten wir Sindbads Plan in die Tat umsetzen. Es gibt keinen besseren. Lasst uns Allah bitten, uns beizustehen. “
Wir trugen Bretter zum Strand und bauten ein Floß. Als die Sonne im Meer versank, waren wir fertig. Wir sprangen auf das Floß und wollten so schnell wir konnten abstoßen, doch da erschien der Riese neben uns. Mit einem Griff packte er uns alle, trug uns in die Burg, fraß einen von uns, einen Reisenden aus Bassora, legte sich hin und schnarchte, wie ein trompetender Elefant.
Schnell nahmen wir die Bratspieße, schlichen auf den schlafenden Riesen zu, kletterten auf die Bank und stießen zu. Der Riese brüllte, und wir hatten das Gefühl, die Erde würde beben. Er versuchte, uns zu packen, aber wir wichen aus und rannten voller Panik davon.
Der Riese tastete sich zur Tür und lief brüllend in die Nacht hinaus. Wir stürzten zum Floß und hofften, der Riese würde uns nicht finden. Gerade waren wir dort hinauf geklettert, tauchte der Riese nicht weit von uns entfernt auf. Aber er war nicht allein. links und rechts von ihm waren zwei weitere Riesen erschienen.
Wir lösten die Taue und stießen ab. Zu unserem Glück schleuderte uns eine Riesenwoge ins offene Meer, gerade als die drei Riesen den Strand erreichten. Als sie sahen, dass wir flohen, warfen sie große Felsblöcke hinter uns her. Die Felsblöcke fielen neben uns ins Wasser und sorgten dafür, dass das Floß hin und her geschleudert wurde.
Wir ruderten, so schnell wir konnten. Ein Felsbrocken traf das Floß. Einige von uns wurden erschlagen, andere fielen ins Meer, wo sie den Haien zum Opfer fielen. Immer mehr Felsbrocken kamen vom Strand aus geflogen. Viele von uns kamen bei dem Steinhagel ums Leben.
Wir anderen ruderten aus Leibeskräften. Und als wir schließlich von einem Sturm ergriffen hin und her geschleudert wurden und auf dem Strand einer Insel strandeten, waren nur noch drei Menschen übrig: ein junger Matrose, ein älterer Reisender und ich. Auf dem Strand liegend, fühlten wir uns mehr tot als lebendig.
Endlich konnten wir uns erheben und wir machten uns auf, die Insel zu erkunden. Es gab Bäume mit wundervollen Früchten, Vögeln, Schildkröten, Wasser und Blumen im Überfluss. Wir aßen uns an den Früchten satt und waren froh über unsere wundervolle Rettung. Ruhig legten wir uns schlafen.
Dann aber wurden wir von einem Zischen geweckt, das wie das Pfeifen eines Windes schien. Vor unseren Augen war eine Schlange aufgetaucht. Sie war groß wie ein Drachen und hatte mit ihrem Körper einen Kreis um uns herum gelegt.
Ihr Gesicht kam ganz dicht an den jungen Matrosen heran. Dann packte sie ihn plötzlich und verschlang ihn mit einem Biss. Danach kroch sie wieder davon. Nun waren wir nur noch zu zweit und wir waren sehr verzweifelt.
„Immer wenn man glaubt, der einen Todesart entkommen zu sein, erwartet einen eine neue, die noch viel schauriger ist als die erste“, sagte ich. „Denn es ist doch fast schlimmer, wenn man von einer Schlange gefressen wird, als wenn man von einem Riesen zertreten wird.“
Da erwiderte der ältere Reisende: „Oh Freund, der Tod hat immer zwei Seiten. Es ist schlimm, zu sterben, aber man wird ja auch von allen Plagen auf Erden befreit und die Seele steigt ins Paradies empor. Ob man von Haien gefressen, von Steinen erschlagen, von Riesen zertreten oder von Schlangen verspeist wird, ich werde dem Tod ins Auge sehen. Ich bin bereit für meine letzte Reise.“
Es war wohl weise, was er sagte, und man konnte sehen, dass er sich nicht mehr fürchtete. Ich aber flehte zu Allah und bat um mein Leben. Mein Gefährte und ich kletterten auf einen Baum, um uns vor der Schlange in Sicherheit zu bringen, doch sie kletterte hinter uns her, ergriff meinen Gefährten und verschlang ihn. Dann glitt sie davon.
Als die Sonne schien, stieg ich vom Baum herunter. Ich war vor Angst wie gelähmt und wusste nicht, was ich machen sollte. Zuerst überlegte ich, mich ins Meer zu werfen, aber ich konnte mich nicht dazu überwinden. Das Leben war einfach zu schön.
So nahm ich verschiedene Holzbalken, band mir eins quer unter die Füße, ein anderes links und rechts über die Brust, das Breiteste aber legte ich über meinen Kopf. So legte ich mich auf den Rücken, die Balken umschützten mich nun wie einen Holzsarg.
Als der Tag zu Ende ging, kroch die Schlange aus ihrem Versteck auf mich zu und versuchte, mich zu verschlingen. Es gelang ihr aber nicht. Die Holzbalken waren breiter als ihr Rachen. Sie ringelte sich zischend um mich herum und versuchte von allen Seiten, an mich heran zu kommen, aber es gelang ihr nicht.
So wartete sie neben mir, bis die Sonne wieder hervor kam. Dann machte sie sich fauchend und wütend davon. Ich löste die Balken von mir und streckte mich. Ich war müde und steif von der ungemütlichen Nacht. Müde ging ich hinunter zum Strand und starrte auf das Meer hinaus. Dabei glaubte ich, meinen Augen nicht zu trauen. In der Ferne tauchte ein Schiff auf.
Ich riss einen großen Zweig ab und begann, zu winken, und das Segelboot nahm tatsächlich Kurs auf mich. Mit einem kleinen Boot holten sie mich von der Insel ab und brachten mich in ihr Segelboot. Ich erzählte allen meine schreckliche Geschichte, und man gab mir zu essen und zu trinken.