Die zweite Reise Sindbad des Seefahrers
Zu Hause ging es mir gut. Ich war gesund, hatte viel Geld und war gut angesehen. In meinem schönen Haus gingen meine Freunde ein und aus, und es reihten sich die Tage aneinander, wie Perlen auf einer Schnur. Doch wenn man das eine hat, sehnt man sich nach dem anderen.
Ich jedenfalls bekam immer wieder auch Sehnsucht nach der Ferne. Ich hatte das Gefühl, nicht genug von der Welt gesehen zu haben, und dachte, ich würde etwas versäumen, wenn ich nur noch zu Hause bliebe.
So zog es mich immer wieder zum Meer. Ich nahm meinen Vorrat an Geld und Waren, ging an den Strand und heuerte auf einem Schiff an. Es war ein schönes Segelschiff. Die Mannschaft bestand aus erfahrenen Männern, alles junge Matrosen, die den Ozean liebten.
Mit anderen Kaufleuten zusammen bestieg ich das Schiff. Wir verstauten unsere Waren, dann wurde der Anker gelichtet und wir fuhren davon. Ich freute mich, als mir der Duft von Salz und Meer um die Nase wehte.
Unsere Reise brachte Gewinne. Wir segelten von Hafen zu Hafen, von Insel zu Insel und machten unsere Geschäfte. Wir sahen Länder und Menschen, Meere und Sterne. Die schweren Zeiten der Stürme überstanden wir zusammen und wenn die Sonne schien, standen wir auf dem Deck und sangen unsere Lieder.
Eines Tages kamen wir auf einer Insel an, die wie ein Paradies war. Es gab dort Palmen und Blumen, klares Wasser und zutrauliche Tiere. Die Insel schien unbewohnt zu sein. Wir legten an, gingen an Land und wanderten umher. Die Insel war so schön, dass wir Allah, den Allmächtigen dafür priesen.
Da sah ich einen Vogel, den ich noch nie zuvor gesehen hatte. Ich folgte ihm und entfernte mich dadurch von den anderen. Der Wind wehte sanft und die Blumen dufteten. Mich überkam eine sanfte Müdigkeit. Ich streckte mich aus und schloss die Augen. Im Nu war ich eingeschlafen.
Als ich erwachte, stand die Sonne schon tief. Ich lief zum Strand und musste zu meinem Entsetzen feststellen, dass das Schiff davon gesegelt war. Man hatte mich nicht mitgenommen. Vielleicht hatte man nach mir gesucht und mich nicht gefunden.
Ich rief laut um Hilfe, doch es schien keine Menschenseele zu geben. Das Gefühl von Verlassenheit überkam mich, und mein Herz wurde schwer. Und dann sprach ich zu mir selbst: Ich habe so etwas schon einmal erlebt. Damals wurde ich durch den Pferdewirt und den freundlichen König gerettet, aber ob es diesmal auch eine Rettung gibt, ist ziemlich unwahrscheinlich.
Ich machte mir Vorwürfe, dass ich nicht zu Hause geblieben war, sondern meinem Wunsch nach Fernweh nachgegeben hatte. Warum hatte ich mein schönes Leben in Bagdad gegen diese Abenteuer eingetauscht? So unbeständig ist der Mensch in seiner Meinung, wenn er Angst hat.
Schließlich kletterte ich auf einen Baum und blickte in die Ferne. Doch ich sah nichts außer Himmel und Wasser. Dann drehte ich mich um und schaute ins Landesinnere. Hier sah ich etwas Weißes leuchten. Ich stieg vom Baum herunter und machte mich auf den Weg zu diesem Weißen.
Es war eine seltsame Kuppel, die in die Luft ragte. Sie war glatt und glitschig, dass man nicht auf sie steigen konnte, sie hatte aber auch kein Tor, damit man in sie hinein gehen konnte. Und so stand ich stumm da, starrte dieses Ding an und überlegte, wie man wohl hinein geraten kann.
In der Zwischenzeit neigte sich der Tag dem Ende zu. Die Sonne versank und es wurde dunkel um mich. Die Luft erschien mir richtig schwarz und schwer. Erschrocken über so eine große Finsternis blickte ich zum Himmel.
Da sah ich, wie ein riesengroßer Vogel hernieder geflogen kam. Seine riesigen schwarzen Flügel verdeckten alles Licht, das es noch am Himmel gab. Da fiel mir eine Geschichte ein, die mir Pilger und Reisende erzählt hatten, und die ich damals nicht glauben wollte.
Sie erzählten, dass auf einer Insel ein ungeheuer großer Vogel lebte, der Roch hieß. Dieser Vogel fütterte seine Jungen mit Schlangen. Und nun wurde mir schlagartig klar, dass die Kuppel, die ich entdeckt hatte, das Ei dieses Vogels war.
Der Vogel Roch landete auf dieser Kuppel und begann, zu brüten. Dabei hatte er die ganze Kuppel mit seinen Schwingen bedeckt und die Beine nach hinten gelegt. In dieser Stellung schlief er auf dem Ei ein.
Ich betrachtete ihn voller Angst. Dann aber kam mir eine Idee, wie ich mich retten konnte. Diese Rettung war aber gleichzeitig auch eine große Gefahr. Ich nahm meinen Turban vom Kopf, wickelte ihn auf und legte ihn um meine Hüften. Dann band ich mich an einem Bein des Vogels fest.
Vielleicht bringt er mich in ein bewohntes Land, dachte ich. Und selbst wenn er mich in ein Land trägt, in dem Barbaren wohnen, ist es immer noch besser, als auf dieser einsamen Insel zu bleiben. Mit Menschen weiß ich umzugehen, selbst wenn sie schwierig sind, die Einsamkeit aber wird mich umbringen.
Unruhig erwartete ich den Anbruch des Tages. Dann erwachte die Sonne und stieg vom Meer auf. Der große Vogel breitete seine riesigen Schwingen aus, stieß einen Schrei aus und erhob sich in die Luft. Wie eine winzige Fliege klebte ich am Bein des Vogels und ließ mich mit hinauf in die Luft tragen.